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Vielleicht liegt es am Nebel. Davon jedenfalls gibt es in London auch um 1870 herum genug, und wer weiß, vielleicht trübt er der Stadt kollektiv die Sinne. Kaum einer, der nicht dem Medium seiner Wahl vertraut, um in schummrigen Séancen mit dem Jenseits zu parlieren. Florence Cook ist das It-Girl der Branche – streng verschnürt im Schrank bringt sie die aufregendste aller Erscheinungen zutage: Katie, 200 Jahre jung und in gleißendes Weiß gewandet, früher Piratentochter, heute eine unruhige Seele auf der Suche nach Erlösung. Oder …? Ein Fall für Sir William Crookes, der Florence (und Katie)…mehr

Produktbeschreibung
Vielleicht liegt es am Nebel. Davon jedenfalls gibt es in London auch um 1870 herum genug, und wer weiß, vielleicht trübt er der Stadt kollektiv die Sinne. Kaum einer, der nicht dem Medium seiner Wahl vertraut, um in schummrigen Séancen mit dem Jenseits zu parlieren. Florence Cook ist das It-Girl der Branche – streng verschnürt im Schrank bringt sie die aufregendste aller Erscheinungen zutage: Katie, 200 Jahre jung und in gleißendes Weiß gewandet, früher Piratentochter, heute eine unruhige Seele auf der Suche nach Erlösung. Oder …? Ein Fall für Sir William Crookes, der Florence (und Katie) nach den Regeln der damaligen Kunst unter die Lupe nimmt – nur um am Ende erschöpft zu konstatieren, dass die Wissenschaft im Grunde auch nur ein Spuk ist. Eine herrlich übersinnliche Geschichte, und das Beste: Es ist alles wahr. Wirklich.
Autorenporträt
Christine Wunnicke, geboren 1966, lebt in München. Sie schreibt Hörspiele, biografische Literatur und Romane. 2000 erhielt sie den Bayerischen Staatsförderungspreis für Literatur, 2008 den Tukan-Preis. Ihr Roman »Der Fuchs und Dr. Shimamura« war 2015 für den Deutschen Buchpreis nominiert (Longlist).
Rezensionen

buecher-magazin.de - Rezension
buecher-magazin.de

London in den 1870er-Jahren ist eine Geister-Stadt. Der Spiritismus ist schwer in Mode, in Séancen werden Verstorbene gerufen und auch viele seriöse Wissenschaftler der Royal Society widmen sich der Parapsychologie. William Crookes, der Entdecker des Thalliums, ist da eher skeptisch, bis er ein Gutachten über das 16-jährigen Medium Florence Cook erstellen soll. Es gilt zu beweisen, dass sich aus Florence ein Geist materialisiert. Schon bald verdreht der Geist der toten Katie, die im 17. Jahrhundert als Seeräubertochter von Bukanier Henry Morgan lebte, der ganzen Familie Crookes den Kopf. Während William, das Unfassbare vor Augen, weiter manisch nach der vierten Materie forscht, erfüllt sich Florences Sehnsucht, berühmt zu werden. Christine Wunnicke fängt mit ihrer auf einer wahren Geschichte basierenden Satire den Geist jener Jahre ein - in denen die Naturwissenschaftler im Unsichtbaren rumstocherten, auf der Suche nach der strahlenden Materie, die sich wenig später als Röntgenstrahlen materialisierte. Die Menschen waren elektrifiziert im Licht der aufkommenden Moderne, dieses rauschhafte Lebensgefühl erweckt Wunnicke durch ihre Figuren zum Leben - sprühend komisch und geistvoll-realistisch.

© BÜCHERmagazin, Tina Schraml (ts)

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.03.2017

Ich bin ein Rebhuhn, und ich schmecke gut
Forschergeist und forsche Geister: Christine Wunnickes fabelhafter historischer Wissenschaftsroman "Katie"

",Halluzinationen, Mesmerismus, Reichenbach-Kraft', warf einer der Studenten ein. ,Elektrisch', wimmerte der ebenfalls anwesende William Huggins, dann sprang er auf und lief fort, um sich gemeinsam mit Mr. Ladd zu erbrechen." Wir befinden uns im Jahr 1870. Das Panzerschiff HMS Urgent verlässt am 5. Dezember den Hafen von Portsmouth mit einer Gruppe exzentrischer Wissenschaftler an Bord. Es herrscht magenunfreundlicher Wellengang. Man ist unterwegs zu einer Sonnenfinsternis an der algerischen Küste, die, obwohl total, sich als nebeliger Flop entpuppen wird. Um die Zeit totzuschlagen, wird unter Deck eine Séance abgehalten, ein Modeexperiment, dem sich fast keine Gelehrtenrunde der Zeit verschließen konnte. ",Ist jemand anwesend?', rief plötzlich der Student an Crookes' Seite. ,Eine Präsenz? Eine Wesenheit? Eine Elektrizität?', und dann, nach tiefem Luftholen, laut und gepresst: ,Mama?'."

Die Suche nach dem Zweiten Gesicht, der vierten Dimension oder auch einem Stoff namens Ektoplasma beschäftigte damals auch Vertreter der sogenannten Hard Science - allen voran jene, die nicht daran glaubten und das Phänomen trotzdem erforschten. Einer von ihnen war Sir William Crookes, Herausgeber der "Chemical News", Entdecker der Spektrographie und des chemischen Elements Thallium sowie Alterspräsident der Royal Society, der ehrwürdigen Gesellschaft zur Beförderung experimenteller Gelehrsamkeit. Crookes ist eine der Hauptfiguren in "Katie", dem neuen Roman von Christine Wunnicke.

Seit ein paar Jahren erscheinen ihre Wissenschafts- und Techniksatiren im kleinen Berenberg Verlag - und verbergen sich dort dezent hinter dem landesüblichen Bestenlistengeschehen. Einmal hat es Wunnicke auf die Longlist des Deutschen Buchpreises geschafft. Das war im Jahr 2015 mit einem Buch über die klinische Hysterieforschung. Die berühmten Doktoren Charcot in Paris und Freud in Wien hatten darin slapstickhafte Auftritte. Und wer bei der Lektüre dieser Milieuhumoreske nicht Tränen gelacht hat, der werfe jetzt den ersten Stein. Denn Christine Wunnicke kann etwas, das nur den wenigsten ihrer deutschen Kollegen in die Wiege gelegt ist und worin sie auch Daniel Kehlmanns "Vermessung der Welt" überflügelt: brüllend komisch schreiben. Mit zartem Sarkasmus und kindlichem Schalk gelingt es ihr, einen wissenschaftlichen Diskurs und sein gesamtes kulturelles wie sprachliches Milieu zu vermessen.

Mit dieser Doppelbegabung begegnet sie nun auch ihrem neuen Forschungsgebiet. Die Spiritismusfrage beschäftigte im neunzehnten Jahrhundert nicht nur okkulte Spinner, sondern hat immer wieder auch die Grenzen des wissenschaftlichen Diskurses verschoben. Goethe zum Beispiel spricht in seiner Farbenlehre vom "Gespenst" des Lichts anstelle von einem "Spektrum". Auch William Crookes beteiligt sich an den Spekulationen. Stundenlang brütet er in seinem Laboratorium. "Zu Mittag ließ er Schnittchen kommen. Zum Tee bestellte er Kaffee. Er las die Zeitung von gestern von vorne bis hinten und von hinten bis vorn. Zum Supper ließ er Brühe kommen, nur Brühe, Wein und Brot. Er zog die Schuhe aus und die Pantoffeln an, dann zog er die Pantoffeln aus und die Schuhe wieder an und setzte den Fez auf. Er rauchte drei Zigarren, trank zwei Glas Brandy mit Wasser, schrieb in mehrere Kladden das Datum und sonst nichts, dann fluchte er, seufzte, lachte auch ein wenig bitter vor sich hin, und dann begab er sich zum Induktionstisch."

Bekannt ist, dass Crookes die "Künste" des Mediums Daniel Dunglas Home, damals berühmt für mehrere Zentimeter messende Levitationen, experimentell zu fassen trachtete. Auch das berühmteste materialisierende Medium von East London, Florence "Florrie" Cook, fand im Alter von vierzehn Jahren den Weg in die Crookesschen Laboratorien. Dort wurde ihm mit Stricken und Nägeln zu Leibe gerückt, denn Florrie war gewissermaßen eine Jahrmarktbegabung: eine Frau ohne Knochen, die sich aus jeder noch so engen Fixierung herauswinden konnte und dann als eine andere in Erscheinung trat. Ein bisschen Sadomaso, so würde man heute sagen, war auch dabei, denn "dann raffte sie ihre Röcke, um die Fußknöchel freizulegen, hob die zusammengelegten Hände zu Crookes empor und hauchte ,fest . . . bitte fest . . .'".

William Crookes soll nun ein Gutachten über das Medium Florence Cook schreiben. Dafür wird die junge Dame zunächst in die Villa des Privatgelehrten gebracht. Dort angekommen, stiftet sie produktive Unruhe unter den Mitgliedern des Haushalts, darunter Crookes' Ehefrau Nelly, die von ihrem Mann gelegentlich mit Quecksilberperlen zum "Spielen" in eine Ecke des Labors geschickt wird, Crookes' tumber Assistent Pratt sowie eine unüberschaubare Schar Kinder. Florrie nun, ist sie nur fest genug verknotet, materialisiert einen Geist aus dem siebzehnten Jahrhundert. Katie heißt er beziehungsweise sie. Es handelt sich nämlich um eine seefahrende Kindsmörderin, die cherubimhaft zweigeschlechtlich Verwirrung unter ihren Zeitgenossen stiftete.

Dieser Geist hat nun das Formelvolk der Spektralanalyse fest im Griff, was in einer ziemlich ekstatischen Bühnenshow am Piccadilly Circus samt Professor und Professorengattin endet. Eine in weiße Leinenfetzen gewandete Jugend begleitet das Geschehen kreischend, als befände sie sich auf einem Konzert der Beatles. Gegenüber liegt Burlington House: "Dort schaute zuweilen Mr. Darwin hinaus und hinüber, rauchte und lachte über Crookes' Plakat, und wenn ein anderer Fellow der Royal Society vorbeikam, sagte er ,Gesellschaftsinstinkt' oder ,da riecht man den Stammbaum'."

Mit umwerfendem Charme schmückt Christine Wunnicke, über deren Werdegang als Altgermanistin und Linguistin nur wenig bekannt ist, eine Wissenschaftsquerele aus, die uns nicht nur die Grenzen unseres Geistes vor Augen führt, sondern auch, dass jeder Forschungsvorstoß immer von philosophischen Impulsen getragen ist. Und so tragisch manches Experiment aus heutiger Sicht gescheitert scheint, Christine Wunnicke gibt ihre Protagonisten nie der Lächerlichkeit preis. Sie zeichnet sie als Helden mit menschlichen Sehnsüchten und ausgeprägtem Wahrheitsdrang. Und weil Wunnicke sich bestens auskennt in den Diskursen der Zeit, ist es ein einziges Vergnügen, ihren Figuren in die Irrwege des Wissens zu folgen. Ab und an verzehrt ein Medium Rebhuhnpaste am Tisch des großen Sir William Crookes, "still und ernst".

KATHARINA TEUTSCH.

Christine Wunnicke: "Katie". Roman.

Berenberg Verlag, Berlin 2017. 174 S., geb., 22,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.06.2017

Strahlender Geist
Christine Wunnicke erzählt eine
Spiritismus-Groteske
Wer oder was ist Katie? Der Geist einer androgyn-prolligen Piratentochter, der sich durch ein Medium namens Florence Cook materialisiert, befriedigt anscheinend viele Wünsche auf einmal. Katie, die Titelfigur in Christine Wunnickes Spiritismus-Groteske, beglückt mit ihrer mal knaben-, mal mädchenhaften Ader sowohl einen Forscher-Gehilfen als auch eine Forscher-Gattin, und auch der Forscher selbst ist so verblüfft wie erregt: seine Apparate verzeichnen Ausschläge, nehmen Schwingungen auf. Und er selbst kann es sehen, das vermutlich elektrifizierte Lichtwesen. Wir befinden uns im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts, der wissenschaftliche Materialismus ist etwas ranzig geworden, und wenn es nicht zu hochtrabend klänge für diesen komischen, klugen, espritgeladenen Roman, könnte man sagen: hier schlägt die Aufklärung in Mythos um. Kawumm.
Der große Knall kommt allerdings erst spät und beschädigt weder das Medium noch den Forscher nachhaltig. Die ehrgeizige Florence Cook schafft den Aufstieg in die nächsthöhere Klasse und der durch sie hindurch erscheinende Teufelsbraten Katie ermöglicht ihr eine Show, die wegführt von den ungeliebten viktorianischen Weiblichkeitsvorgaben. Am Ende sehen wir Florence mit eigenem Büro und Sekretärin, die Geschäfte gehen gut.
Der naturwissenschaftlich orientierte Forscher, der diesen Aufstieg erst ermöglicht hat, heißt William Crookes und hat – wie auch Florence Cook – eine Vorlage in der wahren Wirklichkeit. Der Physiker, Chemiker, Parapsychologe William Crookes (1832–1919) war Herausgeber der Chemical News, entdeckte das Thallium und konnte radioaktive Strahlung nachweisen.
Wie schon in früheren Romanen hat Christine Wunnicke einen Fall der Wissenschaftshistorie in eine funkelnde Geschichte verwandelt. In „Katie“ lernt man zuerst die findige Florence kennen, die als junges Mädchen ihre Entfesselungskünste trainiert, um dann mit Séancen erfolgreich zu werden. Sie steigt in einen Schrank, lässt sich die Zöpfe festnageln – und während das Publikum religiöse Lieder singt, erscheinen im Halbdunkel Gesichter von Verstorbenen. Als immer öfter die walisische Piratentochter Katie aus dem 17. Jahrhundert auftaucht, wird William Crookes als Gutachter hinzugezogen. Eigentlich ist er gerade auf der Suche nach dem vierten Aggregatzustand einer noch unklar „strahlenden Materie“ – und wie von Geisterhand scheint sich seriöse Wissenschaft mit halbseidenen Inspirationen zu vermengen. Darin ähnelt Crookes einer Reihe spiritistisch angesteckter Persönlichkeiten seiner Zeit, vom Kriminalanthropologen Cesare Lombroso, der trotz oder wegen Faktenhuberei zum Spiritisten wurde, bis zum Sherlock-Holmes-Erfinder Arthur Conan Doyle, der an Elfen glaubte.
Dass auch die Wissenschaft nur ein Spuk sein könnte, wäre nur die halbe Wahrheit, viel eher müsste man sagen: ohne inspirierte Geist-Wesen sitzt auch die Forschung auf dem Trockenen. Die Sache mit den Atomen, Molekülen und der radioaktiven Strahlung wird jedenfalls am Ende aufs eleganteste von der übersinnlichen Seite vorangetrieben. Der einstige Gehilfe sucht das Séancen-Büro von Florence auf, weil er den Geist des Physikers Maxwell sprechen will. „Dämon“, steht plötzlich auf der spiritistischen Schreibtafel, gefolgt von weiteren sachdienlichen Hinweisen.
„Ich brauche, verzeihen Sie, gar keinen Gott. Ich brauche nur gute Stricke“, hatte Florence zu Beginn ihrer Laufbahn im Crookes’schen Labor beteuert. Mit solchen Verstrickungen ist Christine Wunnicke ein Roman gelungen, der Wissen und Wünschen in ein hinreißend schummriges Verhältnis zueinander setzt.
JUTTA PERSON
Christine Wunnicke: Katie. Roman. Berenberg Verlag, Berlin 2017. 176 Seiten, 22 Euro.
Ohne inspirierte Geist-Wesen sitzt
die Forschung auf dem Trockenen
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