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Seit 2002 existiert der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag, zuständig für Delikte des Völkerstrafrechts. Eine Errungenschaft zweifellos, gleichzeitig eine ständige Herausforderung an Recht, Gesetz und Politik. Kann der Gerichtshof die Anforderung an die Neutralität internationaler Rechtsprechung erfüllen, oder wie groß ist der Einfluss der Politik auf die Verfahren? Welche Rolle spielen Überlegungen zur Amnestie? Und wie agieren die internationalen Gerichte im Spannungsfeld zwischen Friedenssicherung und Gerechtigkeit?

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Produktbeschreibung
Seit 2002 existiert der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag, zuständig für Delikte des Völkerstrafrechts. Eine Errungenschaft zweifellos, gleichzeitig eine ständige Herausforderung an Recht, Gesetz und Politik. Kann der Gerichtshof die Anforderung an die Neutralität internationaler Rechtsprechung erfüllen, oder wie groß ist der Einfluss der Politik auf die Verfahren? Welche Rolle spielen Überlegungen zur Amnestie? Und wie agieren die internationalen Gerichte im Spannungsfeld zwischen Friedenssicherung und Gerechtigkeit?

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Autorenporträt
William A. Schabas ist Professor für internationales Recht an der Middlesex University in London und Professor für Menschenrechte am Irish Centre for Human Rights der Irish National University in Galway. Von 2002 bis 2004 war er einer von drei Mitgliedern der internationalen Kommission für Wahrheit und Versöhnung von Sierra Leone.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.07.2013

Zwischen Recht und Politik
Zur Rolle der internationalen Strafgerichtsbarkeit

"Wer in der internationalen Strafgerichtsbarkeit gewöhnliche Gerichte sieht, die lediglich Straftaten mit größeren Ausmaßen behandelt, der übersieht ihre politische Dimension." Dieser eminent politischen Rolle der internationalen Strafjustiz, die Juristen gerne ausblenden, und den sich daraus ergebenden Herausforderungen ist die Streitschrift von William A. Schabas, einem in London lehrenden Völkerrechtler und intimen Kenner wie Promotor des Völkerstrafrechts und der Völkerstrafgerichtsbarkeit, gewidmet. Internationale Strafjustiz begleitet stets der Vorwurf der Siegerjustiz. Schabas hält ihn im Kern für unbegründet. Es sei schlicht unvermeidlich, dass sich internationale Strafgerichtsbarkeit auf bestimmte Krisen und Konfliktsituationen konzentriere, auch wenn an sich alle schweren, völkerrechtlich relevanten Verbrechen geahndet gehörten. Es sei auch legitim, sich auf die Verfolgung der schwersten zu beschränken, und immerhin politisch verständlich, wenn die Befassung mit Konflikten gemieden werde, bei denen strategische Interessen der Weltmächte im Spiel seien.

Bezogen auf die Prozesse gegen die nationalsozialistischen Hauptkriegsverbrecher nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gelangt Schabas zu der Feststellung: "Im Hinblick auf Versöhnung, Anerkennung der Wahrheit und Gerechtigkeit für die Opfer hätte ein Prozess gegen die Sieger analog zum Nürnberger Prozess möglicherweise mehr Schaden als Nutzen gebracht." Man wird allerdings auch feststellen müssen, dass nicht durch die doch weithin als Siegerjustiz angesehenen Nürnberger Prozesse, sondern erst durch die eigene historische Aufarbeitung und deutsche Strafprozesse - beginnend mit dem Ulmer Einsatzgruppen-Prozess 1958 - eine Katharsis eingesetzt hat, in der sich die große Mehrheit der Deutschen "in einem gewiss oft schmerzlichen Prozess die unwillkommene Erkenntnis der furchtbaren Wahrheit abgerungen" (Eberhard Jäckel) hat.

Wenn sich die internationale Strafjustiz als "Souverän der historischen Wahrheit" sieht, übernimmt sie sich. Gerichtsentscheidungen könnten, so Schabas, "als Grenzlinien wirken, die bestimmte allgemein bekannte Tatsachen außer Frage stellen". Sie könnten aber auch "den permanenten Prozess des Neuerwägens und der Neubewertung der Vergangenheit behindern", der den Historikern anvertraut sei. Wahrheitskommissionen eröffneten demgegenüber unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, "das historische Narrativ zu überprüfen und zu bereichern".

Kann die Suche nach der Wahrheit mit anschließender Vergebung in bestimmten Situationen die richtige Strategie für den Umgang mit Greueltaten sein? Schabas bezweifelt, wohl zu Recht, die gewohnheitsrechtliche Geltung eines strikten Verbots der Amnestiegewährung bei internationalen Verbrechen. Es gebe weder eine entsprechende Verpflichtung gegenüber der internationalen Gemeinschaft noch einen unbedingten menschenrechtlichen Anspruch der Opfer auf Bestrafung. Schabas erscheint ein solches striktes Amnestieverbot auch nicht wünschenswert: "Wenn eine Amnestie der unvermeidliche Preis für die Beendigung eines bewaffneten Konflikts sei, der den Menschen nichts als Tod, Leid und Zerstörung bringt", dann sollte dieser hohe Preis, um des Friedens willen, gezahlt werden. "Manchmal kann der Frieden nur auf Kosten der Gerechtigkeit erreicht werden."

CHRISTIAN HILLGRUBER

William A. Schabas: Kein Frieden ohne Gerechtigkeit? Die Rolle der internationalen Strafjustiz. Hamburger Edition, Hamburg 2013. 104 S., 12,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Fasziniert zeigt sich Rudolf Walther von diesem Essay, in dem der Völkerrechtler William A. Schabas die Entwicklung der internationalen Strafjustiz schildert. Während bei den Nürnberger Prozessen die Richter und Ankläger noch mehr oder weniger weisungsgebundene Angestellte der Siegermächte waren, ist der seit Juli 2002 etablierte Internationale Strafgerichtshof formal unabhängig, seine Chefankläger können selbständig Verfahren gegen mutmaßliche Kriegsverbrecher einleiten, erklärt der Rezensent. Schabas zufolge sieht sich aber auch der Internationale Strafgerichtshof besonders zwei Dilemmata gegenüber: Zum einen gibt es entschieden mehr Kriegsverbrechen als tatsächlich bearbeitet werden können - mindestens zehntausend Fälle, erfährt Walther vom Autor -, und dabei überschnitten sich die Prioritäten des Gerichtshofs bisher quasi nahtlos mit den strategischen Interessen der Vereinigten Staaten; zum anderen sind die Chefankläger angehalten, mit ihren Strafverfahren "einen Beitrag zum Frieden" zu leisten, was angesichts der oft hochkomplexen Konflikte nur schwer justiziabel und gelegentlich gar widersprüchlich ist, fasst der Rezensent zusammen. Walther ist beeindruckt von der "Dichte und Substanz" von Schabas' Ausführungen.

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