Der Entstehung des modernen humanitären Völkerrechts liegt der Wunsch zugrunde, die schlimmsten Auswirkungen des Krieges zu begrenzen. Doch nicht selten konterkarieren unbeabsichtigte Folgen das Unterfangen. Anschaulich verbindet die Autorin historische Erzählung und quantitative Analyse, stellt so Veränderungen in der Praxis des humanitären Völkerrechts anhand von vergangenen und gegenwärtigen zwischenstaatlichen Kriegen und Bürgerkriegen dar und widerlegt Mythen über Krieg und Frieden, Staatlichkeit und Sezession. Sie plädiert dafür, die künftige Rechtssetzung des humanitären Völkerrechts auf eine breitere Wissensgrundlage über konkrete Praktiken zu stellen und angesichts historisch geänderter Konfliktarten – von der Seeblockade des 19. Jahrhunderts zum Cyberwar heutiger Provenienz – die Schutzfunktion dieses Rechts, vor allem auch für die Zivilbevölkerung, deutlich zu verbessern.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.02.2020Dann nennen wir es eben Polizeiaktion
Friedensverträge braucht es dann nicht mehr: Tanisha M. Fazal erklärt, wie die zunehmende Verrechtlichung der Kriegsführung zur Umgehung der Normen führt.
"Unter den Waffen schweigen die Gesetze", hieß es einst bei Cicero. Der Satz wird häufig so gedeutet, dass es kein Recht im Kriege gäbe. Heutzutage kann davon längst keine Rede mehr sein, die Verrechtlichung der Kriegsführung ist weit fortgeschritten. Zugleich bleiben bewaffnete Konflikte ein Feld, in dem auffallend viele Rechtsverletzungen stattfinden, das Recht vermieden wird. Die faszinierende Studie von Tanisha M. Fazal behauptet, dass beides miteinander verbunden ist: Die Zunahme von Recht bringt als Kehrseite strategische Rechtsvermeidung hervor.
Fazal ist Politikwissenschaftlerin mit einem ausgeprägten Hang zu Interdisziplinarität, Empirie und Thesen. Sie kombiniert die statistische Forschung in Datenbanken mit Fallstudien aus den internationalen Beziehungen und mutigem Zugriff auf Geschichte und Gegenwart des Völkerrechts. Ihr Blick ist dabei beeindruckend global, ihr Methodenarsenal vielfältig. Der Leser bekommt eine Fülle von geopolitischen Beobachtungen geboten, um theoretische Annahmen empirisch zu untermauern oder sie zu widerlegen. Denn Fazal ist neugierig, und ihr Blick auf die internationale Praxis moralfrei: Sie will verstehen, wo und warum Recht eingehalten wird, vor allem aber identifizieren, wo falsche Anreize zu seiner Umgehung bestehen.
Historischer Ausgangspunkt ist die beeindruckende Zunahme an Normen, die zwischenstaatliche Gewalt regulieren und den Krieg zivilisieren wollen. Das Kriegsvölkerrecht wurde erst durch anerkannte Gewohnheiten normiert, seit etwa hundertfünfzig Jahren werden zunehmend internationale Verträge geschlossen. Damit einher ging eine Verschiebung der Aufmerksamkeit zugunsten des Schutzes des Individuums, deswegen firmiert das Rechtsgebiet mittlerweile als "humanitäres Völkerrecht". Neben rechtlichen Begrenzungen von Kriegsführung erfolgte auch die zunehmende Ächtung des Krieges, zunächst im Briand-Kellogg-Pakt von 1928, dann in der Charta der Vereinten Nationen von 1945 in Form des Gewaltverbots.
Es erscheint nun beinahe paradox, dass die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg vielfach von Rechtsvermeidung gekennzeichnet ist. Zwischenstaatliche Konflikte werden ausgetragen, aber es finden keine Kriegserklärungen mehr statt. Kriege enden, aber erstaunlich selten werden anschließend Friedensverträge geschlossen, die das formal besiegeln und Regelungen treffen. Die Vereinigten Staaten beispielsweise haben seit 1952 keinen formellen Friedensvertrag mehr geschlossen. In den vergangenen siebzig Jahren gab es in 36 zwischenstaatlichen Kriegen nur zwei Kriegserklärungen zur Eröffnung. Woher kommt diese Neigung, Kriegsformalitäten einerseits massiv durch Vertragsrecht auszuweiten, andererseits in der zwischenstaatlichen Praxis beiseitezulassen?
Fazal meint, beide Trends seien kausal miteinander verknüpft. Die immer dichtere Regulierung des Krieges führe zu Ausweichbewegungen bei Politikern und Militärs. Überhaupt sind Letztere im Vergleich zum neunzehnten Jahrhundert kaum noch in die Aushandlungsprozesse eingebunden, die am Ende zu kriegsvölkerrechtlichen Verträgen führen. In der Praxis müssen die Militärs dann viel beachten: den Schutz von Zivilisten und Kulturgut, die gute Behandlung von Kriegsgefangenen, die Schonung der Umwelt. Fazal weist z u Recht darauf hin, dass das mit erheblichem Aufwand verbunden ist: Soldaten müssen über Grundsätzliches geschult und über Novellierungen instruiert werden; alle solchen Verpflichtungen der Kriegsparteien stellen zudem in der Umsetzung eine erhebliche logistische und finanzielle Last dar. Fazals Junktim von Verrechtlichung und Vermeidung widerspricht daher zumindest zeitlich den Forschungen zu den sogenannten Neuen Kriegen (New Wars Studies), die die Aufweichung des klassischen Kriegsbegriffs mit Identitätspolitik und dem Verlust von Staatlichkeit erst in den 1990er Jahren datieren.
So richtig es ist, die Faktoren zu benennen, die solche Ausweichbewegungen veranlassen können, und die Einbindung von jenen zu fordern, die am Ende das Recht handhaben müssen, so fragwürdig scheint der völkerrechtliche Kern von Fazals Argument. Denn es unterliegt keineswegs allein der souveränen Willensmacht der Staaten, ob sie bei ihren konkreten Handlungen dem Kriegsvölkerrecht zu folgen haben. Gleichwohl scheint bedenkenswert, dass allein die Idee, sich solchem Recht entziehen zu können, fatale Folgen haben kann und auch der Glaube, man sei an Normen nicht gebunden, Grausamkeiten wie die in Abu Ghraib fördert. Hier hätte Fazal von rechtssoziologischen Studien profitieren können, die die Bedingungen für Rechtsbefolgung systematisch erforschen.
Stattdessen stellt sich umso stärker die Frage, welche Motive in den zwischenstaatlichen Beziehungen zur Missachtung beziehungsweise Nichtdurchsetzung speziell von Kriegsvölkerrecht führen. Hier könnten vielleicht Blicke auf jene moralischen Haltungen weiterhelfen, die Rechtsanwendungen beeinflussen. Auch die Rolle des nationalen Militär(straf)rechts, das völkerrechtlichen Regelungen vielfach voranging, fehlt im Buch. Schließlich ist zu bedenken, dass gerade die juristische und moralische Ächtung von Krieg plausiblerweise dazu führt, dass kein Staat mehr "Krieg" führen will, sondern das eigene Handeln beschönigend als "Polizeiaktion", "Kampf gegen Terror" oder sonstige "Sicherheitsmaßnahme" etikettiert: Die Verantwortlichen wollen vielleicht weniger den rechtlichen als den politischen und moralischen Implikationen vor der nationalen und globalen Öffentlichkeit entgehen. Ähnlich liegt die Konstellation bei der Meidung von Friedensverträgen: Sie müssten oft formal Schlussstriche ziehen und (unpopuläre) Verantwortlichkeiten festlegen - für viele Kriegsparteien eine durchaus unbequeme Vorstellung.
Umso interessanter ist aber Fazals Ausweitung des Blicks über den zwischenstaatlichen Krieg hinaus. Denn sie will die Dichotomie zwischen Krieg und Bürgerkrieg perspektivisch überwinden, weil sie sich übergreifend für Faktoren der Befolgung einschlägiger Normen interessiert. Hier identifiziert sie geradezu einen Gegentrend: In Bürgerkriegen findet eine erstaunlich hohe Orientierung gerade von sezessionistischen Rebellengruppen an internationalen Normen statt. Denn jene suchen die Anerkennung der internationalen Gemeinschaft, die wiederum ihr Wohlwollen jenen gönnt, die ihre Regeln befolgen.
Aber auch hier beobachtet Fazal nicht intendierte Folgen: Gerade weil die internationale Gemeinschaft Anreize setzt, solche Konflikte mit Friedensabkommen zu beenden, werden diese zwar zunehmend und unter Einbeziehung von Vermittlern geschlossen, aber sie scheitern auch schneller in der Durchführung. Insofern wiederholt sich der pathologische Befund einer internationalen Setzung von Fehlanreizen durch Völkerrecht auch hier.
Was also tun? Fazal schlussfolgert bescheiden und formuliert mit Augenmaß weitere offene Fragen, die zu klären sind. Das ist deswegen wichtig, weil sie damit der Gefahr entgeht, das Kind mit dem Bade auszuschütten: Die partielle Nichtbefolgung internationaler Normen darf keine Rechtfertigung für ihre Abschaffung sein oder Defätismus nähren. Manches wäre schärfer zu sehen gewesen, wenn die Diagnose bezüglich der Missachtung von Menschenrechten auch andere Motive mit einbezogen hätte statt den bloßen Glauben, über sie verfügen zu können. Und vor allem wäre es auch wichtig, funktionierende internationale Rechtsregime zu beobachten. Denn ob im Kriegsvölkerrecht früher wirklich eine höhere Rechtsmoral bestand, müsste man noch klären.
Das Lernen aus Erfahrungen ist umso wichtiger, als aktuell mit vollkommen autonomen Waffen und Cyberattacken neue technische Herausforderungen für das Kriegsvölkerrecht auf der Agenda stehen. Während es bei den vollkommen autonomen Waffen aus Sicht von NGOs darum geht, einen künftigen Waffentypus gänzlich zu verbieten, ist die Diskussion bei Cyberwarfare schon weiter. Ob es hier zur Begrenzung durch Normierungen kommt, ist offen, jedenfalls wäre es in diesem Fall besonders fatal für die zukünftige Durchsetzung, die Vertreter der betroffenen Industrien nicht einzubinden.
MILOS VEC
Tanisha M. Fazal: "[Kein] Recht im Krieg?" Nicht intendierte Folgen der völkerrechtlichen Regelung bewaffneter Konflikte. Aus dem Englischen von E. Heinemann und U. Schäfer. Hamburger Edition, Hamburg 2019. 418 S., geb., 35,- [Euro].
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Friedensverträge braucht es dann nicht mehr: Tanisha M. Fazal erklärt, wie die zunehmende Verrechtlichung der Kriegsführung zur Umgehung der Normen führt.
"Unter den Waffen schweigen die Gesetze", hieß es einst bei Cicero. Der Satz wird häufig so gedeutet, dass es kein Recht im Kriege gäbe. Heutzutage kann davon längst keine Rede mehr sein, die Verrechtlichung der Kriegsführung ist weit fortgeschritten. Zugleich bleiben bewaffnete Konflikte ein Feld, in dem auffallend viele Rechtsverletzungen stattfinden, das Recht vermieden wird. Die faszinierende Studie von Tanisha M. Fazal behauptet, dass beides miteinander verbunden ist: Die Zunahme von Recht bringt als Kehrseite strategische Rechtsvermeidung hervor.
Fazal ist Politikwissenschaftlerin mit einem ausgeprägten Hang zu Interdisziplinarität, Empirie und Thesen. Sie kombiniert die statistische Forschung in Datenbanken mit Fallstudien aus den internationalen Beziehungen und mutigem Zugriff auf Geschichte und Gegenwart des Völkerrechts. Ihr Blick ist dabei beeindruckend global, ihr Methodenarsenal vielfältig. Der Leser bekommt eine Fülle von geopolitischen Beobachtungen geboten, um theoretische Annahmen empirisch zu untermauern oder sie zu widerlegen. Denn Fazal ist neugierig, und ihr Blick auf die internationale Praxis moralfrei: Sie will verstehen, wo und warum Recht eingehalten wird, vor allem aber identifizieren, wo falsche Anreize zu seiner Umgehung bestehen.
Historischer Ausgangspunkt ist die beeindruckende Zunahme an Normen, die zwischenstaatliche Gewalt regulieren und den Krieg zivilisieren wollen. Das Kriegsvölkerrecht wurde erst durch anerkannte Gewohnheiten normiert, seit etwa hundertfünfzig Jahren werden zunehmend internationale Verträge geschlossen. Damit einher ging eine Verschiebung der Aufmerksamkeit zugunsten des Schutzes des Individuums, deswegen firmiert das Rechtsgebiet mittlerweile als "humanitäres Völkerrecht". Neben rechtlichen Begrenzungen von Kriegsführung erfolgte auch die zunehmende Ächtung des Krieges, zunächst im Briand-Kellogg-Pakt von 1928, dann in der Charta der Vereinten Nationen von 1945 in Form des Gewaltverbots.
Es erscheint nun beinahe paradox, dass die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg vielfach von Rechtsvermeidung gekennzeichnet ist. Zwischenstaatliche Konflikte werden ausgetragen, aber es finden keine Kriegserklärungen mehr statt. Kriege enden, aber erstaunlich selten werden anschließend Friedensverträge geschlossen, die das formal besiegeln und Regelungen treffen. Die Vereinigten Staaten beispielsweise haben seit 1952 keinen formellen Friedensvertrag mehr geschlossen. In den vergangenen siebzig Jahren gab es in 36 zwischenstaatlichen Kriegen nur zwei Kriegserklärungen zur Eröffnung. Woher kommt diese Neigung, Kriegsformalitäten einerseits massiv durch Vertragsrecht auszuweiten, andererseits in der zwischenstaatlichen Praxis beiseitezulassen?
Fazal meint, beide Trends seien kausal miteinander verknüpft. Die immer dichtere Regulierung des Krieges führe zu Ausweichbewegungen bei Politikern und Militärs. Überhaupt sind Letztere im Vergleich zum neunzehnten Jahrhundert kaum noch in die Aushandlungsprozesse eingebunden, die am Ende zu kriegsvölkerrechtlichen Verträgen führen. In der Praxis müssen die Militärs dann viel beachten: den Schutz von Zivilisten und Kulturgut, die gute Behandlung von Kriegsgefangenen, die Schonung der Umwelt. Fazal weist z u Recht darauf hin, dass das mit erheblichem Aufwand verbunden ist: Soldaten müssen über Grundsätzliches geschult und über Novellierungen instruiert werden; alle solchen Verpflichtungen der Kriegsparteien stellen zudem in der Umsetzung eine erhebliche logistische und finanzielle Last dar. Fazals Junktim von Verrechtlichung und Vermeidung widerspricht daher zumindest zeitlich den Forschungen zu den sogenannten Neuen Kriegen (New Wars Studies), die die Aufweichung des klassischen Kriegsbegriffs mit Identitätspolitik und dem Verlust von Staatlichkeit erst in den 1990er Jahren datieren.
So richtig es ist, die Faktoren zu benennen, die solche Ausweichbewegungen veranlassen können, und die Einbindung von jenen zu fordern, die am Ende das Recht handhaben müssen, so fragwürdig scheint der völkerrechtliche Kern von Fazals Argument. Denn es unterliegt keineswegs allein der souveränen Willensmacht der Staaten, ob sie bei ihren konkreten Handlungen dem Kriegsvölkerrecht zu folgen haben. Gleichwohl scheint bedenkenswert, dass allein die Idee, sich solchem Recht entziehen zu können, fatale Folgen haben kann und auch der Glaube, man sei an Normen nicht gebunden, Grausamkeiten wie die in Abu Ghraib fördert. Hier hätte Fazal von rechtssoziologischen Studien profitieren können, die die Bedingungen für Rechtsbefolgung systematisch erforschen.
Stattdessen stellt sich umso stärker die Frage, welche Motive in den zwischenstaatlichen Beziehungen zur Missachtung beziehungsweise Nichtdurchsetzung speziell von Kriegsvölkerrecht führen. Hier könnten vielleicht Blicke auf jene moralischen Haltungen weiterhelfen, die Rechtsanwendungen beeinflussen. Auch die Rolle des nationalen Militär(straf)rechts, das völkerrechtlichen Regelungen vielfach voranging, fehlt im Buch. Schließlich ist zu bedenken, dass gerade die juristische und moralische Ächtung von Krieg plausiblerweise dazu führt, dass kein Staat mehr "Krieg" führen will, sondern das eigene Handeln beschönigend als "Polizeiaktion", "Kampf gegen Terror" oder sonstige "Sicherheitsmaßnahme" etikettiert: Die Verantwortlichen wollen vielleicht weniger den rechtlichen als den politischen und moralischen Implikationen vor der nationalen und globalen Öffentlichkeit entgehen. Ähnlich liegt die Konstellation bei der Meidung von Friedensverträgen: Sie müssten oft formal Schlussstriche ziehen und (unpopuläre) Verantwortlichkeiten festlegen - für viele Kriegsparteien eine durchaus unbequeme Vorstellung.
Umso interessanter ist aber Fazals Ausweitung des Blicks über den zwischenstaatlichen Krieg hinaus. Denn sie will die Dichotomie zwischen Krieg und Bürgerkrieg perspektivisch überwinden, weil sie sich übergreifend für Faktoren der Befolgung einschlägiger Normen interessiert. Hier identifiziert sie geradezu einen Gegentrend: In Bürgerkriegen findet eine erstaunlich hohe Orientierung gerade von sezessionistischen Rebellengruppen an internationalen Normen statt. Denn jene suchen die Anerkennung der internationalen Gemeinschaft, die wiederum ihr Wohlwollen jenen gönnt, die ihre Regeln befolgen.
Aber auch hier beobachtet Fazal nicht intendierte Folgen: Gerade weil die internationale Gemeinschaft Anreize setzt, solche Konflikte mit Friedensabkommen zu beenden, werden diese zwar zunehmend und unter Einbeziehung von Vermittlern geschlossen, aber sie scheitern auch schneller in der Durchführung. Insofern wiederholt sich der pathologische Befund einer internationalen Setzung von Fehlanreizen durch Völkerrecht auch hier.
Was also tun? Fazal schlussfolgert bescheiden und formuliert mit Augenmaß weitere offene Fragen, die zu klären sind. Das ist deswegen wichtig, weil sie damit der Gefahr entgeht, das Kind mit dem Bade auszuschütten: Die partielle Nichtbefolgung internationaler Normen darf keine Rechtfertigung für ihre Abschaffung sein oder Defätismus nähren. Manches wäre schärfer zu sehen gewesen, wenn die Diagnose bezüglich der Missachtung von Menschenrechten auch andere Motive mit einbezogen hätte statt den bloßen Glauben, über sie verfügen zu können. Und vor allem wäre es auch wichtig, funktionierende internationale Rechtsregime zu beobachten. Denn ob im Kriegsvölkerrecht früher wirklich eine höhere Rechtsmoral bestand, müsste man noch klären.
Das Lernen aus Erfahrungen ist umso wichtiger, als aktuell mit vollkommen autonomen Waffen und Cyberattacken neue technische Herausforderungen für das Kriegsvölkerrecht auf der Agenda stehen. Während es bei den vollkommen autonomen Waffen aus Sicht von NGOs darum geht, einen künftigen Waffentypus gänzlich zu verbieten, ist die Diskussion bei Cyberwarfare schon weiter. Ob es hier zur Begrenzung durch Normierungen kommt, ist offen, jedenfalls wäre es in diesem Fall besonders fatal für die zukünftige Durchsetzung, die Vertreter der betroffenen Industrien nicht einzubinden.
MILOS VEC
Tanisha M. Fazal: "[Kein] Recht im Krieg?" Nicht intendierte Folgen der völkerrechtlichen Regelung bewaffneter Konflikte. Aus dem Englischen von E. Heinemann und U. Schäfer. Hamburger Edition, Hamburg 2019. 418 S., geb., 35,- [Euro].
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