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© Perlentaucher Medien GmbH
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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Die Hitler-Gegner Dietrich Bonhoeffer und Hans von Dohnanyi
Die Frage nach den Motiven für den Weg in den Widerstand zählt zu den schwierigsten. Was gab den Ausschlag dafür, dass die meistens noch sehr jungen Männer und Frauen bis zur letzten Konsequenz gingen? Sie widerstanden dem Unrechtsregime und gefährdeten dafür das eigene Leben und die engsten Familienangehörigen. Im Falle von Dietrich Bonhoeffer und Hans von Dohnanyi, 1906 beziehungsweise 1902 geboren, war es glasklar: Es gab keine taktische Allianz oder faule Kompromisse, keinen allmählichen Ablösungsprozess vom Regime als Folge enttäuschter Hoffnungen. Beide folgten ihrem Gewissen, wie es der Sohn Klaus von Dohnanyi über den ermordeten Vater treffend formuliert hat: "Es war einfach der zwangsläufige Gang eines anständigen Menschen."
Genau jene Klarheit im Urteil, das Wissen um den christlichen Glauben als Fundament, wie sie sich bei Bonhoeffer und Dohnanyi auf exemplarische Weise finden, mag den Ausschlag gegeben haben, dass der amerikanische Historiker Fritz Stern und dessen Frau Elisabeth Sifton (die Tochter des Theologen Reinhold Niebuhr) eine ursprünglich für die New York Times Review of Books bestimmte Sammelbesprechung über neuere Bonhoeffer-Literatur zu einer Doppelbiographie erweitert haben. Zu Recht schreiben die beiden, dass es selten vorkam und große Gefahren in sich barg, sich einem System wie dem deutschen Nationalsozialismus zu widersetzen, und dass der Widerstand in Deutschlands finsterster Zeit "weitreichender, tiefgreifender und komplizierter war, als es üblicherweise dargestellt wird".
Mit wenigen, dafür umso prägnanteren Strichen, mit Souveränität im Urteil und großem psychologischen Gespür für Nuancen und Triebkräfte zeichnen sie auf knappem Raum ein eindringliches Doppel-Lebensbild. Was verband Dietrich Bonhoeffer und Hans von Dohnanyi? Zunächst: Sie waren Schwäger, Christine von Dohnanyi war Dietrich Bonhoeffers Schwester. So unterschiedlich der begnadete Theologe Bonhoeffer und der glänzende Jurist Dohnanyi auch gewesen sein mögen: ihre Wege kreuzten sich früh und dann immer wieder. Es war Dohnanyi, der 1938 Bonhoeffer in die Staatsstreichplanungen der Opposition gegen Hitler einweihte und damit mit Widerstandskreisen in Verbindung brachte.
In der biographischen Herleitung sind Stern und Sifton bei Bonhoeffer ausführlicher. Vor dem Hintergrund der verzweigten Bonhoeffer-Literatur und insbesondere der Maßstäbe setzenden Biographie des Bonhoeffer-Schülers, Freund und Nachlassverwalters Eberhard Bethge ist dies nicht verwunderlich. Mit dem Blick für das Wesentliche kommen sie immer wieder zu treffenden Urteilen und eigenen Deutungen, etwa wenn sie den Einfluss von Ernst Troeltsch auf Bonhoeffer höher bewerten als seine anderen Biographen. Deutlich tritt bei Bonhoeffer die Einheit von Leben und Werk hervor, das Handeln in der Nachfolge Christi aus der Einsicht heraus, dass die Bergpredigt in der modernen christlichen Glaubenspraxis vergessen oder ignoriert wurde. Seinem Bruder Karl-Friedrich gegenüber fasste Dietrich bereits im Januar 1935 die der "Nachfolge", seinem wohl bedeutendsten Buch, zugrundeliegende Auffassung wie folgt zusammen: "Ich glaube zu wissen, dass ich eigentlich erst innerlich klar und wirklich aufrichtig sein würde, wenn ich mit der Bergpredigt wirklich anfinge, ernst zu machen. Hier sitzt die einzige Kraftquelle, die den ganzen Zauber und Spuk einmal in die Luft sprengen kann, bis von dem Feuerwerk nur ein paar ausgebrannte Reste übrig bleiben."
Hans von Dohnanyi stand in seiner Entschlossenheit bei der Ablehnung des Nationalsozialismus seinem Schwager nicht nach. Auch er blickte auf eine vielversprechende Karriere zurück: 1926 promoviert, dann jüngster Richter am Reichsgericht in Leipzig und schließlich Rückkehr nach Berlin, nach Kriegsbeginn 1939 Dienst als Sonderführer im Amt Ausland/Abwehr des Oberkommandos der Wehrmacht. Dohnanyi war es, der es Bonhoeffer ermöglichte, dort 1940 ebenfalls kriegsverpflichtet zu werden. Die Tätigkeit in der Abwehr war in Wirklichkeit Camouflage, um für ein "anderes Deutschland" Kontakte zum Kriegsgegner herzustellen, die Vorstellungen der Alliierten über Friedensziele zu erkunden und die Außenkontakte des kirchlichen Widerstands aufrechtzuerhalten. Der Generalsekretär des Weltkirchenrats Willem A. Visser't Hooft in Genf und der anglikanische Lordbischof von Chicester George Bell waren wertvolle Stützen. Das ermutigende Signal der Regierung Churchill indes blieb aus.
Im April 1943 wurde Dietrich Bonhoeffer verhaftet, als der Oster-Dohnanyi-Kreis der Abwehr auf Grund von Devisenschiebereien der Münchener Abwehr ins Visier der Gestapo geraten war. Es waren Dohnanyis Aktivitäten, die zu Bonhoeffers Verhaftung führten - und doch war bei Bonhoeffer gegenüber seinem Schwager "auch nicht ein Atom von Vorwurf oder Bitterkeit". Bonhoeffer saß zunächst im Wehrmachtuntersuchungsgefängnis in Tegel ein, dann nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 ab Oktober unter verschärften Bedingungen im Hausgefängnis der Gestapo in der Prinz-Albrecht-Straße.
Das ausgeklügelte Kassiberwesen, das die Verbindung mit Freunden und Familie in der Freiheit und die Abstimmung von Verteidigungsstrategien ermöglicht hatte, brach jetzt zusammen. Noch mehr als für Bonhoeffer geriet für Dohnanyi die Haft zur Leidenszeit. Einen Ausbruch lehnten beide ab, als sich dazu die Möglichkeit bot. Bonhoeffer wurde am 9. April 1945 im Konzentrationslager Flossenbürg hingerichtet, wohin er kurz zuvor verschleppt worden war. Am Tag zuvor war Hans von Dohnanyi im Konzentrationslager Sachsenhausen ermordet worden. Der Essay von Stern und Sifton ruft uns all dies ins Gedächtnis: Zwei Märtyrer, die Zeugnis abgelegt haben, zwei Vorbilder für heute.
ULRICH SCHLIE
Elisabeth Sifton/Fritz Stern: Keine gewöhnlichen Männer. Dietrich Bonhoeffer und Hans von Dohnanyi im Widerstand gegen Hitler. C.H. Beck Verlag, München 2013. 176 S., 18,95[Euro].
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