African storytelling!
Scholastique Mukasonga flüchtete aus Ruanda nach Burundi, um dem Genozid an den Tutsis zu entgehen. Diesen Roman, in dem sie alte Erzählungen ihres Volkes aufgreift, kann man daher durchaus als ein Memoir begreifen, in dem sie ihrer verlorenen Heimat ein literarisches
Denkmal setzt.
Die Menschen in Ruanda erwarten dringend Regen. Das Land ist ausgedörrt, der Wind…mehrAfrican storytelling!
Scholastique Mukasonga flüchtete aus Ruanda nach Burundi, um dem Genozid an den Tutsis zu entgehen. Diesen Roman, in dem sie alte Erzählungen ihres Volkes aufgreift, kann man daher durchaus als ein Memoir begreifen, in dem sie ihrer verlorenen Heimat ein literarisches Denkmal setzt.
Die Menschen in Ruanda erwarten dringend Regen. Das Land ist ausgedörrt, der Wind trocknet das Land zusätzlich aus, die Kartoffelfäule führt zu Missernten, die Menschen hungern. In dieser Situation erinnern sie sich an den legendären Königssohn Kibogo, der übernatürliche Kräfte besaß und mit seinem Opfertod sein Volk schon einmal vor dem Verhungern gerettet hatte. Die Alten erzählen nun diese Geschichten, die tief in die ruandische Geschichte zurückreichen, und als Leser hat man den Eindruck, selber im Kreis der Zuhörer zu sitzen und den Geschichten zu lauschen. Zu diesem Eindruck trägt auch die Einteilung des Buches in viele kleinere Unterkapitel bei und der eher einfache, fast märchenhafte Erzählton.
Die rein mündliche Erzähltradition führt zu vielen Ausschmückungen, und in sehr humorvollen Szenen machen sich die alten Erzähler gegenseitig Konkurrenz, was den Wahrheitsgehalt ihrer Geschichten angeht. Die jüngere Geschichte der Kolonialisierung wird aber nicht ausgeblendet, sondern mit verwoben. Sehr schön ist das Bild des westlichen Missionars, der mit einem laut knatternden Motorrad den Frieden der dörflichen Siedlung stört und das Eindringen der westlichen Lebensweise in die Traditionen Ruandas zeigt.
Die Menschen vermischen ihre Traditionen mit den neuen des Kolonialismus, speziell der belgischen Missionare, und so entsteht die Vorstellung, dass Jesus und Kibogo identisch sind: beide haben ihr Volk gerettet, beide sind in den Himmel aufgefahren und werden wiederkommen und ein neues Reich errichten. Diese Konkurrenz von alten Mythen und Geisterglauben und dem Christentum auf der anderen Seite führt zu merkwürdigen Situationen, die die Autorin humorvoll ausmalt. Sinnfällig wird sie in der Kleidung eines Regenpriesters, der sich nicht nur mit dem Rosenkranz und Kruzifixen schmückt, sondern zur Sicherheit auch noch tierische (?) Knochen und Zähne trägt.
Insgesamt ein humorvolles Buch, ein überaus poetisches Buch, mit wunderbaren Geschichten, die die Traditionen der ruandischen Tutsi wieder lebendig werden lassen. Ich bin begeistert!