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Autorenporträt
Irmgard Keun, 1905 in Berlin geboren, feierte mit ihren beiden ersten Romanen, Gilgi - eine von uns und Das kunstseidene Mädchen sensationelle Erfolge. 1936 ging sie ins Exil und kehrte vier Jahre später mit falschen Papieren nach Deutschland zurück, wo sie unerkannt lebte. Im biederen Literaturbetrieb der Nachkriegszeit konnte sie zunächst nicht an die Erfolge ihrer ersten Bücher anknüpfen, bis ihre Romane Ende der Siebzigerjahre von einem breiten Publikum wiederentdeckt wurden. Irmgard Keun starb 1982 und zählt heute zu den wichtigsten deutschsprachigen Autorinnen des 20. Jahrhunderts.
Rezensionen
buecher-magazin.deKully ist zehn Jahre alt. Sie weiß wenig über Barbarossa, aber sie kennt die Wechselkurse. Sie weiß, was ein Visum ist, wie man in Windeseile eine Fremdsprache lernt und überall Freunde gewinnt. Sie hat gelernt, mit einer Mahlzeit am Tag auszukommen und nicht zu frieren, obwohl ihr Wintermantel in Salzburg im Pfandhaus ist. Ihr Vater ist Schriftsteller und aus Deutschland geflohen. Seitdem treibt die Familie durch Europa, immer in Geldnot, immer das Ablaufdatum des aktuellen Visums im Nacken. Kully erzählt von ihrem Vater, seinem Leichtsinn, ihrer Mutter und deren Sehnsucht nach einem einfachen, sicheren Leben, und all den anderen Heimatlosen. Ihr Blick ist weit klarer als der der Erwachsenen, ihre Sprache assoziativ und schmuddelig und treffend, wie immer bei Irmgard Keun. Jodie Ahlborn gibt diesem hellsichtigen Kind eine süße, klare und so absolut passende Stimme, dass einem der Atem stockt. Keun kennt, von was sie schreibt. Nachdem die Nationalsozialisten ihre Romane "Gilgi" und "Das kunstseidene Mädchen" auf die Schwarze Liste gesetzt hatten, emigrierte sie zunächst nach Belgien, dann in die Niederlande. "Kind aller Länder" ist auch ein Porträt der deutschen Exilautorenszene.
Einen "tragikomischen Exilroman aus Kinderperspektive" hat Kritikerin Katharina Teutsch mit dieser Wiederauflage von Irmgard Keun vor sich: Kully, die zehnjährige Protagonistin, muss mit ihrer Mutter und dem zunehmend mittellos werdenden Schriftsteller-Vater aus Nazi-Deutschland fliehen, über Belgien, die Niederlande, Frankreich und Italien geht es letztlich nach New York. Dauernd ist die Suche des Vaters nach einem Geldgeber Thema, die Armut der Familie soll natürlich nicht bekannt werden - wenn die Hotelrechnungen nicht bezahlt werden können, werden Mutter und Tochter als Pfand dagelassen, mit einem "höheren Versatzwert" als Luxusgüter, erfährt Teutsch von der kecken Protagonistin. Sie macht die erschreckenden Bedingungen des Exils zum Schelmenspiel, auf das sich die Rezensentin gerne einlässt - das ist klug, heiter und regt zum Nachdenken an, schließt sie.