Die Kirchen in Deutschland erleben eine beispiellose Austrittswelle. Was läuft schief? Nur auf die Missbrauchsskandale zu verweisen greift zu kurz. Die Gründe liegen tiefer. Friedrich Wilhelm Graf analysiert in diesem Buch sieben Kardinal-Untugenden der Kirchen: die verquaste Sprache der Theologen, den selbstgerechten Moralismus der Funktionäre, die Bildungsferne der Gottesdienste, die Demokratievergessenheit politischer Interventionen, die weltfremde Selbstherrlichkeit der Würdenträger, den Abschied von einem pluralistischen Christentum sowie den Sozialpaternalismus kirchlicher Sozialmanager. Diese Analyse der kirchlichen Missstände ist längst überfällig. Sie will wachrütteln, damit die Kirchen ihrer gesellschaftlichen Aufgabe in Zukunft besser gerecht werden.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Rezensent Johann Hinrich Claussen weiß Friedrich Wilhelm Grafs Buch "Kirchendämmerung" zu schätzen, auch wenn er dessen Ansichten nicht immer teilt. Die in dem Band versammelten Feuilletonbeiträge des Autors zur Situation der Kirchen in der Gegenwart hält er für so klug wie streitbar. Allerdings verbergen sich Argumentation und Anliegen Grafs seines Erachtens oft hinter einer dicken Schicht Polemik. Er liest das Werk als Streitschrift für eine "postautoritäre, elastische" Volkskirche. Dass die kirchlichen Autoritätskultur schuld sein soll an der Krise der Kirche heute, hält er aber zumindest im Blick auf die evangelische Kirch für fraglich, hat sich diese doch spätestens 1968 davon verabschiedet. Zudem hat Claussen den Eindruck, dass sich Graf am "Protestprotestantismus" der achtziger Jahre abkämpft. Die elastische Volkskirche ist nach Einschätzung des Rezensenten, der selbst in der Kirche tätig ist, längst Realität, die eigentliche Herausforderung sieht er heute darin, die Freiheit zu begreifen und zu gestalten. Dazu aber findet er in Grafs Buch nichts.
© Perlentaucher Medien GmbH
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