Julia ist das einzige Kind von Vater und Mutter Klopps, einem betagten Ehepaar, das seine Tochter größtenteils sich selbst überlässt. Ihr Schicksal wird erzählt aus der Perspektive eines grübelnden Geistes – eine Stimme in Julias Ohr, ein Parasit, der an dem Mädchen haftet. Anfangs sind Julia und der Geist Komplizen, geheime Spielgefährten in einer Art Kinderehe. Doch alles ändert sich, als Julias Monatsblutung einsetzt. Der Teenager befreit sich immer mehr aus den Klauen des Geistes, der abwechselnd wie ein abgewiesener Liebhaber stöhnt, wie ein Kindermädchen züchtigt oder sich wie unzählige Mütter von Teenagern der Verzweiflung hingibt. Die Stimme kann nur zum Schweigen gebracht werden, indem Julia sich den Erwartungen der Gesellschaft unterwirft und ihr Begehren durch ein christliches Gefühl der Scham zügelt. »Die heilige Familie!«, jubelt die Stimme, nachdem Julia geheiratet hat und ihr bürgerliches Schicksal besiegelt scheint. Doch der Geist täuscht sich, wenn er glaubt, dass die neue Rolle als Frau und Mutter Julia in Schach halten wird. Klage um Julia ist eine düster-komische Geschichte des Erwachsenwerdens innerhalb der Zwänge des 20. Jahrhunderts. Ergänzt durch eine Auswahl albtraumhafter Kurzgeschichten bietet der Band einen tiefen Einblick in Susan Taubes' groteske Welt, die bis heute nichts an Originalität und Wirkmacht verloren hat.
Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension
Rezensentin Manuela Reichart liest Susan Taubes Geschichten immer mit der Lebensgeschichte der Autorin im Kopf, die mit 41 Selbstmord beging. Laut Reichart handelt es sich bei der Titelgeschichte um eine Coming-of-Age-Story, erzählt von einem Schutzengel oder Dämon. Dass die Autorin das offenlässt, gefällt Reichart gut. Auch dass Taubes nicht die psychoanalytische Deutung vorschlägt. Stattdessen erzählt sie in diesem und auch in den anderen in den 1960ern entstandenen Stücken im Band über "weibliches Leben", reale Ängste und Gewalt. Sie tut das hellsichtig und provokativ, stellt Reichart fest.
© Perlentaucher Medien GmbH
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