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Anschreiben gegen den Klimawandel
Er hätte es schon vor zehn Jahren schreiben sollen. Denn damals, so der Meteorologe Marcus Wadsak, hätte man noch Zeit gehabt, aus dem dargelegten Wissen Kraft zu schöpfen und zu handeln. Sein Buch "Klimawandel. Fakten gegen Fake & Fiction" erscheine nun auf den letzten Drücker - bevor es zu spät ist. In der Tat warnen Klimaforscher seit Jahren vor den Folgen des Klimawandels. Auch Wadsak zeichnet den Leidensweg eines modernen Sisyphos und erzählt von Warnungen, die jahrelang auf taube Ohren stießen. In jüngster Zeit, schreibt er, sei die Nachfrage nach seiner Expertise regelrecht explodiert, obgleich sich an den Inhalten seiner Vorträge nicht viel verändert habe. Alles, worüber heute noch viel intensiver und dringlicher diskutiert werden müsse, wisse man seit vielen Jahren. In der Diskussion sei es jedoch schwierig geworden, an verlässliche Informationen zu kommen, denn zu finden sei zwar viel Gutes, aber auch Irreführendes und bewusst gestreute Falschinformationen. Gegen diese Falschinformationen will Wadsak mit seinem Buch ankämpfen und Klarheit schaffen.
Globale Temperaturen hätten schon immer geschwankt, die Klimaveränderungen in den vergangenen Jahren seien daher nichts Besonderes, heißt es etwa von Menschen, die Folgen und Ausmaß des Klimawandels kleinreden wollen. Gleich zu Beginn räumt Wadsak daher mit dieser Sicht der Dinge auf und belegt, dass es die Temperaturrekorde von heute in dieser Form zuvor nie gegeben hat. Durch Grafiken wird das Geschriebene veranschaulicht: Auf einem Zeitstrahl von 1982 bis heute bildet Wadsak menschliches Versagen ab, benennt wesentliche Ereignisse im Kampf gegen den Klimawandel und zeigt die dabei stetig steigende CO2-Belastung. Die globale Erderwärmung werde sich nicht mehr aufhalten lassen: Dieses Kind sei schon in den Brunnen gefallen. Noch könne man aber beeinflussen, wie stark die Erderwärmung in den kommenden Jahren und Jahrzehnten steigen wird. Doch die Klimapläne vieler Staaten, so Wadsak, ließen große Lücken zwischen den im Klimaabkommen von Paris gesetzten Zielen und den konkret geplanten Einsparungen klaffen.
Auch in Europa werden die Auswirkungen des Malheurs zunehmend deutlich: Hitzerekorde mit tödlichen Auswirkungen, Dürren sowie ungebetene und gar gefährliche Gäste aus der Tier- und Pflanzenwelt, die es sich bei warmen Temperaturen bei uns bequem machen, zählen dazu.
Wer sich der anbahnenden Katastrophe schon länger bewusst ist, wird möglicherweise darüber sinnieren, wie man vom Wissen ins Handeln kommen kann. Viele, meint Wadsak, könnten durch den Griff an die eigene Nase ihren Beitrag leisten: Mit dem Fahrrad statt mit dem Auto zur Arbeit und mit dem Zug anstatt mit dem Flugzeug in den Urlaub. Fürwahr ist die Straße Klimasünder Nummer eins: Rund 18 Prozent der weltweiten Emissionen von Kohlenstoffdioxid wurden 2016 durch Straßenfahrzeuge verursacht. Ausgeklammert wird in diesem Abschnitt allerdings, dass der Beitrag des Luftverkehrs mit Anteilen von knapp drei Prozent im globalen Vergleich deutlich geringer ausfällt.
Für den Einkauf von Lebensmitteln plädiert Wadsak zudem dafür, die Schlagwörter "bio", "regional" und "saisonal" im Hinterkopf zu behalten. Die Moralkeule schwingt er dabei nicht, setzt an seinen Appell ein "wie eben möglich". Durch diese Detailfragen kristallisiert sich dennoch eine Zielgruppe heraus. Denn sich mit der Herkunft, Produktionsbedingungen und Klimabilanz seiner Lebensmittel vertraut zu machen ist zwar auch aus gesundheitlichen Gründen ein zu begrüßendes Anliegen, bleibt allerdings oft Privileg derer, die dafür nicht nur Zeit, sondern auch das nötige Kleingeld besitzen.
Wenn auch der Klimawandel ein globales Problem ist und sich nicht um Landesgrenzen schert, trifft er schon jetzt die Ärmsten und Schwächsten. Das Problem sollte auch in Europa nicht auf dem Rücken derer ausgetragen werden, die sich nur Billigflieger und pestizidbelastete Discounter-Tomaten aus dem Gewächshaus leisten können.
JOHANNA CHRISTNER
Marcus Wadsak: Klimawandel. Fakten gegen Fake & Fiction.
Braumüller Verlag, Wien 2020. 144 S., 18,- [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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