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Stellvertreter Christi: Die Besetzung dieses einzigartigen Postens ist geheimnisumwittert. Hubert Wolf erzählt, was hinter den verschlossenen Toren des Vatikan geschieht. Er erläutert, wie die Regeln und Rituale entstanden sind, und macht deutlich, welche Traditionsbrüche, gerade auch in jüngster Zeit, sich hinter der Fassade der uralten heiligen Handlung verbergen. Keine andere Wahl wird weltweit von so großer Anteilnahme begleitet wie die Wahl des Papstes. Doch die Zuschauer sehen immer nur die Außenseite: den Einzug der Kardinäle ins Konklave, den Schornstein der Sixtinischen Kapelle, aus…mehr

Produktbeschreibung
Stellvertreter Christi: Die Besetzung dieses einzigartigen Postens ist geheimnisumwittert. Hubert Wolf erzählt, was hinter den verschlossenen Toren des Vatikan geschieht. Er erläutert, wie die Regeln und Rituale entstanden sind, und macht deutlich, welche Traditionsbrüche, gerade auch in jüngster Zeit, sich hinter der Fassade der uralten heiligen Handlung verbergen.
Keine andere Wahl wird weltweit von so großer Anteilnahme begleitet wie die Wahl des Papstes. Doch die Zuschauer sehen immer nur die Außenseite: den Einzug der Kardinäle ins Konklave, den Schornstein der Sixtinischen Kapelle, aus dem schwarzer oder endlich weißer Rauch aufsteigt, die Präsentation des Gewählten mit den Worten "Habemus papam". Dieses Buch erklärt, was wirklich passiert: wie die Wahl im Detail abläuft, von welchem Moment an der Gewählte Papst ist, warum das Konklave erfunden wurde und wie die Kardinäle zu den einzigen Wählern und schließlich auch zu den einzig Wählbaren wurden. Zur Sprache kommt auch der Papstrücktritt, der zur Regel werden und die Aura des Amtes beschädigen könnte. Besonderes Augenmerk gilt den Neuregelungen Johannes Pauls II., durch die die Wahl noch sakraler, noch weniger weltlich und noch geheimer geworden ist. Am Ende seines höchst anschaulich erzählten Buches zeigt Hubert Wolf, wie eine zeitgemäße Wahl ablaufen könnte, die zugleich den Ursprüngen des 2000 Jahre alten Amtes gerecht wird.

Autorenporträt
Hubert Wolf ist Professor für Kirchengeschichte an der Universität Münster. Er wurde mit dem Leibnizpreis der DFG, dem Communicator-Preis und dem Gutenberg-Preis ausgezeichnet, war Fellow am Historischen Kolleg in München und ist derzeit Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin.

Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.01.2017

Dass alles pervertiert ist

Die Wahl des Papstes ist ein Ritual voller Geheimnisse - das Buch "Konklave" wirft ein Licht darauf. Und wagt einen Ausblick. Ein Vorabdruck

Von Hubert Wolf

Vatikan, 12. April 2059. Am heutigen Tag hat Papst Hadrian VII. ein neues Papstwahldekret mit dem Titel "In Nomine Domini" in Kraft gesetzt, das seine Bewährungsprobe in der Praxis freilich erst noch bestehen muss. Regeln kann man viel, ob die Verantwortlichen sich daran auch halten, steht auf einem ganz anderen Blatt, wie über zweitausend Jahre Kirchengeschichte lehren. Auf den Tag genau tausend Jahre, nachdem Nikolaus II. die Papstwahl grundlegend reformiert und das aktive Wahlrecht erstmals exklusiv auf die Kardinäle übertragen hat, promulgiert der Reformpapst Hadrian VII. seine Konstitution.

Die Reaktionen fallen heftig und kontrovers aus. Konservative wittern einen Verrat an der altehrwürdigen Tradition der heiligen katholischen Kirche, den Liberalen gehen die Veränderungen wie immer nicht weit genug. Ein Großteil der gläubigen Katholiken aber zeigt sich erleichtert, dass sich in der Kirche nach quälend langen Reformdiskussionen, die sich seit der Einberufung des Zweiten Vatikanischen Konzils durch Papst Johannes XXIII. 1959 ein ganzes Jahrhundert hingezogen haben, endlich überhaupt etwas bewegt.

Zwei Jahre zuvor hat erstmals seit mehr als fünfhundert Jahren wieder ein Papst diesen Namen gewählt: Hadrian, der siebte. Die katholische Welt war noch überraschter als damals im Jahr 2013, als Kardinal Jorge Mario Bergoglio sich Franziskus nannte. Dieser sorgte zwar für einen neuen Stil der Einfachheit und franziskanischen Anspruchslosigkeit an der Kurie und setzte sich im Sinne des Poverello von Assisi für eine arme Kirche im Dienst für die Armen ein, aber wirkliche Reformen konnte er nicht auf den Weg bringen.

Die Hardliner an der Kurie torpedierten alle Reformbemühungen, nachdem Franziskus 2014 in seiner berühmten Gardinenpredigt in der Weihnachtsansprache bei seinen engsten Mitarbeitern schlimmste Kurienkrankheiten diagnostiziert hatte, die von existentieller Schizophrenie über Selbstherrlichkeit bis zum geistlichen Alzheimer reichten. Despektierlich bezeichneten sie Franziskus als "Sozialarbeiter aus Argentinien". Sie hofften, das Pontifikat auszusitzen und nach dem Gesetz der Alterität danach wieder einen Papst ihrer Partei zu bekommen. Und sie wurden zunächst nicht enttäuscht. Ein armer, frommer Papst, der Grundstandards der Bequemlichkeit und europäischen Lebensart ablehnt, war für Kardinäle, die etwas auf sich halten, auf Dauer doch zu anstrengend.

Unter den "normalen" Päpsten, die nach Franziskus wieder im Papstpalast wohnten und wie üblich Urlaub in Castel Gandolfo machten, war das Leben der Eminenzen zwar einfacher und bequemer, die Krise der katholischen Kirche aber spitzte sich weiter zu. Missbrauchsskandale häuften sich, immer neue Geldwäschetransaktionen durch Subunternehmen der Vatikanbank kamen ans Licht - und vor allem kehrten immer mehr frustrierte Gläubige wegen ausbleibender Reformen und Pseudo-Dialogprozesse ihrer Kirche den Rücken, Ehrenamtliche für die Mitarbeit in den Gemeinden waren kaum mehr zu finden.

Da schlägt Mitte des einundzwanzigsten Jahrhunderts doch noch einmal die Stunde der Reformer. Hadrian VII. wird im Herbst 2057 nach langem Konklave gewählt. Mehr als dreißig Wahlgänge sind nötig, bis endlich weißer Rauch aus dem Schornstein der Sixtina aufsteigt. Man munkelt von heftigen Auseinandersetzungen unter den Kardinälen. Nach dem "Habemus Papam" auf der Loggia des Petersdoms und vor dem Segen "Urbi et orbi" zitiert der neue Papst aus dem berühmten Schuldbekenntnis, das sein Namenspatron Hadrian VI. (1522-1523) im Jahr 1522, vier Jahre nach Luthers Thesenanschlag und ein Jahr nach dem Wormser Edikt, ablegte. Und alle Welt horcht auf.

"Wir wissen, dass es an diesem Heiligen Stuhl schon seit einigen Jahren viele greuliche Missbräuche in geistlichen Dingen und Exzesse gegen die göttlichen Gebote gegeben hat, ja dass eigentlich alles pervertiert worden ist. So ist es kein Wunder, wenn sich die Krankheit vom Haupt auf die Glieder, das heißt von den Päpsten auf die unteren Kirchenführer, ausgebreitet hat. Wir alle - hohe Prälaten und einfache Kleriker - sind abgewichen, ein jeder sah nur auf seinen eigenen Weg, und da ist schon lange keiner mehr, der Gutes tut, auch nicht einer."

Hadrian VII. fügt hinzu, Hadrian VI. habe es in der Zeit der beginnenden Kirchenspaltung nicht bei der Diagnose der Krankheitssymptome von Kirche und Kurie belassen. Vielmehr habe er sich und seiner Kirche sofort die notwendige, wenn auch insbesondere für die römische Zentrale bittere Medizin verordnet, was er selbst genauso zu tun gedenke. Er versichert den Gläubigen auf dem Petersplatz in den Worten seines Namenspatrons, "dass Wir jede Anstrengung unternehmen werden, dass als erstes diese Kurie, von der das ganze Übel ausgegangen ist, reformiert wird, damit sie in gleicher Weise wie sie zum Verderben der Untergebenen Anlass geboten hat, nun auch ihre Genesung und Reform bewirkt. Dazu fühlen Wir Uns umso mehr verpflichtet, als Wir sehen, dass die ganze Welt eine solche Reform sehnlichst begehrt."

Hadrian VI. betrachtete es 1522 - so fügt der neue Papst auf der Loggia hinzu - als seine erste Aufgabe, "den Unterdrückten zu Hilfe zu kommen, und die Gelehrten und Tugendhaften, die schon lange keiner mehr beachtet, aufzurichten und auszuzeichnen - kurz: alles zu tun, was ein guter Papst und rechtmäßiger Nachfolger des seligen Petrus tun muss". Die "Krankheit "habe sich aber im Laufe der Zeit "so tief eingefressen", die Kirche sei dadurch derartig "deformiert" worden, dass zur Heilung und Reform eine einzige Maßnahme auf gar keinen Fall ausreiche. Vielmehr müssten "viele verschiedene Mittel angewandt" und zahlreiche Reformmaßnahmen ergriffen werden.

Eines dieser Mittel, um künftig gute und rechtmäßige Nachfolger des heiligen Petrus zu garantieren, ist das Papstwahldekret von 2059, durch das der Papst seine Reform verstetigen möchte. Für die Papstwahl selbst hält Hadrian VII. an allen Vorschriften seiner Vorgänger fest, die eine Beeinflussung der Wähler während der Wahl von außen verhindern sollen. Er befürwortet die Spiritualisierung der Wahl und des Amtes, die Möglichkeit zur freien Gewissensentscheidung, die Ausschaltung jedes politischen Einflusses von außen.

Als Ort der Papstwahl hält das Dekret "In Nomine Domini" am Konklave fest, weil es sich über viele Jahrhunderte bewährt hat. Idealerweise findet es auch im Vatikan statt, wobei der ganze Vatikanstaat zum Konklavebereich erklärt wird. Die vatikanische Mauer und die Kolonnaden des Petersplatzes bilden die Grenze. Während der Zeit der Wahl dürfen sich nur die Wähler selbst und das für ihre Versorgung absolut notwendige Personal hier aufhalten, die alle auf strikte Geheimhaltung vereidigt werden. Die Sixtinische Kapelle bleibt der Wahlort, weil das Jüngste Gericht Michelangelos jedem Wähler die Ernsthaftigkeit seiner Entscheidung drastisch vor Augen führt.

Die heftigsten Diskussionen löst die Regelung des passiven Wahlrechts durch Hadrian VII. aus. Hier kehrt der Papst zur Praxis des ersten Jahrtausends zurück. Bischöfe können nicht mehr zum Papst gewählt werden, weil der Wechsel von einer Diözese in eine andere das geistliche Band durchschneidet, das durch die Bischofsweihe zwischen Bischof und Bistum entstanden ist. In Anlehnung an das Konzil von Nizäa von 325, das auch entscheidende Passagen des Glaubensbekenntnisses formuliert hat, versteht Hadrian VII. die Translation als geistlichen Ehebruch und Missachtung des Weihesakraments. Wählbar ist demnach künftig jeder männliche katholische Laie sowie jeder Priester und Diakon. Zu einer Ausweitung des passiven Wahlrechts auf Frauen kann der Papst sich jedoch nicht durchringen.

Gleichzeitig hebt Hadrian VII. die erst in den sechziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts eingeführte Vorschrift wieder auf, nach der alle Kardinäle die Bischofsweihe empfangen haben müssen. Das gilt ab jetzt nur noch für die Kardinalbischöfe, die wirklich irgendwo in der Welt eine Diözese leiten. Alle anderen Kardinäle sollen wie früher - je nach Aufgabe - lediglich die Priester- oder Diakonenweihe empfangen. Auch Kardinäle ohne Weihe sollen wieder möglich sein. Damit ist der Weg zur Kardinalswürde prinzipiell auch für Frauen offen; die Details werden Ausführungsbestimmungen regeln, die bereits in Vorbereitung sind. Zur Leitung der Vatikanbank, so argumentiert Hadrian VII. anhand eines Beispiels, sei vor allem finanzieller Sachverstand erforderlich und keine besondere Weihegnade. Kardinalpriester und Kardinaldiakone verfügen selbstverständlich über das passive Wahlrecht, da sie noch keine Bischofsweihe empfangen haben.

Beim aktiven Wahlrecht bietet die Konstitution Hadrians VII. einen Kompromiss zwischen Tradition und Erneuerung. Hadrian schafft ein neues Gremium, die sogenannte Kirchenversammlung, deren einzige Aufgabe die Papstwahl ist. Es setzt sich aus zwei Gruppen zusammen. Die eine Hälfte der neuen Kirchenversammlung bildet das Kardinalskollegium, das damit grundsätzlich das Papstwahlrecht behält. Es wird aber viel stärker internationalisiert, Italiener und andere Europäer sollen nicht mehr überrepräsentiert sein. Die Zahl der Kardinäle eines Landes oder einer Gruppe von kleineren Staaten entspricht künftig der Zahl der dort lebenden Katholiken. Die Obergrenze von einhundertzwanzig bleibt erhalten. Um ein Zeichen gegen die Altersdiskriminierung zu setzen, schafft Hadrian die Obergrenze von achtzig Jahren für das aktive Wahlrecht ab.

Die andere Hälfte der zweihundertvierzig Personen umfassenden Versammlung bilden Vertreter der Laienräte, die nach repräsentativen Prinzipien in den einzelnen Ländern jeweils für fünf Jahre gewählt sind, so dass sie wie die Kardinäle im Falle einer Sedisvakanz unmittelbar für die Papstwahl bereitstehen.

Auf diese Weise knüpft der Papst an die altkirchliche Praxis der Wahl des Bischofs von Rom durch Klerus und Volk an und erweitert diese um eine internationale Komponente, die dem universal angelegten Petrusdienst des Bischofs von Rom entspricht. Indem Hadrian das Kardinalskollegium als ständigen Senat des Papstes paritätisch einbezieht, sorgt er zugleich für Kontinuität, schließlich sind Kardinäle auf Lebenszeit berufen.

Auch bei den Wahlarten kehrt Hadrian VII. zu der alten Vielfalt zurück. Zwar soll die geheime Wahl weiter der Normalfall bleiben. Daneben erhält die Kompromisswahl angesichts der großen Zahl von zweihundertvierzig Wählern aus aller Welt eine neue Chance. Mit mindestens Zweidrittelmehrheit können sie ein Vorauswahlrecht auf neun, elf oder dreizehn Wähler übertragen, die miteinander effizienter verhandeln und Kompromisse finden können als die große Gruppe. Diese schlagen einstimmig einen Kandidaten vor, der dann in geheimer Wahl mit Stimmzetteln mindestens eine Zweidrittelmehrheit aller zweihundertvierzig Papstwähler erhalten muss. Kommen die Kompromissäre innerhalb von fünf Tagen nicht an ihr Ziel, fällt das Wahlrecht wieder an die Kirchenversammlung zurück, die dann erneut mit einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln über das weitere Vorgehen entscheidet. Schließlich soll auch die Inspirationswahl zumindest als theoretische Möglichkeit wieder eingeführt werden.

Für den Fall, dass nach dreißig Wahltagen immer noch kein Papst gewählt ist, greift Hadrian VII. auf ein Modell zurück, mit dem manche östlichen Kirchen seit Langem erfolgreich ihre Vorsteher bestimmen. Die Kirchenversammlung erhält die Möglichkeit, mit Zweidrittelmehrheit eine Dreierliste von Kandidaten zu beschließen, die vorher durch Kompromissäre einstimmig nominiert worden sind. Während der Heilig-Geist-Messe wird aus der Apostelgeschichte der Abschnitt über die Nachwahl des Matthias anstelle des Judas (Apostelgeschichte 1,15-26) vorgelesen, dann entscheidet wie bei dieser ersten Apostelwahl das Los. Man überlässt nach einer Vorauswahl die letzte Entscheidung über den geeigneten Papst Gott selbst, menschliche Verantwortung und göttliche Gnade wirken zusammen, so jedenfalls begründet Hadrian VII. seine Entscheidung.

Auch die Frage, was den Papst eigentlich zum Papst macht und ab wann der Papst Papst ist, beantwortet "In Nomine Domini" eindeutig: Der Papst wird Papst durch seine Weihe zum Bischof von Rom, wie es der altehrwürdigen Tradition entspricht. Denn nur als Bischof von Rom kann er den Petrusdienst wahrnehmen. Deshalb datieren die Regierungsdaten der Päpste künftig auch nicht mehr vom Tag der Wahl, sondern vom Tag der Bischofsweihe an.

Hubert Wolf: "Konklave. Die Geheimnisse der Papstwahl". C. H. Beck, 220 Seiten, 19,95 Euro. Erscheint in diesen Tagen

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"Ein Glanzstück."
Werner Trutwin, Christ in der Gegenwart, 25. Juni 2017