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Wie das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung die öffentliche Meinung zu beeinflussen versuchte
Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung ist bis heute ein Solitär in der Behördenlandschaft der deutschen Hauptstadt: Es heißt nicht Ministerium, obwohl es alle Merkmale eines solchen aufweist. Und an seiner Spitze steht kein Minister, sondern der Regierungssprecher im Rang eines Staatssekretärs, obwohl dieser zusammen mit den Ministern am Kabinettstisch sitzt. Der Versuch, dieses Amt zum "Informationsministerium" aufwerten, kostete Adenauers zweiten Kanzleramtschef, Otto Lenz, 1953 seinen Posten. Das Bekanntwerden seines Plans führte zu einem Sturm der Entrüstung in der jungen Bundesrepublik: Die Bundesregierung strebe eine Neuauflage des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda an, der erste Kanzler wolle einen neuen Goebbels installieren, um die öffentliche Meinung in seinem Sinne zu lenken, lautete der Vorwurf.
Auch die westlichen Besatzungsmächte traten auf den Plan und ließen durch die Pressesprecher ihrer Besatzungszonen mitteilen, dass sie ein solches Vorhaben für inakzeptabel hielten. Dem Kanzleramt blieb nichts Anderes übrig, als sich von diesem Plan zu distanzieren, um die Wogen zu glätten - zehn Jahre später sollte ihn der damalige Regierungssprecher Karl-Günther von Hase noch einmal - vergeblich - aufgreifen. So weit ist die Geschichte des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung bekannt. Die Siegener Historiker Angela Schwarz und Heiner Stahl zeichnen in ihrem Buch "Kontaktzone Bonn" nun erstmals auf der Grundlage umfangreicher Archivrecherchen die ersten zwanzig Jahre dieser Bonner Behörde nach, der die Öffentlichkeitsarbeit der Bundesrepublik oblag. Dabei wird deutlich, dass ungeachtet aller öffentlichen Distanzierungen von der nationalsozialistischen Vergangenheit, was den Namen anbelangt, es im Bundespresseamt wie in den Bundesministerien auch starke personelle Kontinuitäten gab. Etliche leitende Mitarbeiter des Amtes hatten ihr Handwerkszeug vor 1945 in Goebbels' Ministerium oder in einer der Propagandaeinheiten der Wehrmacht erworben.
Diese braune Vergangenheit spiegelte sich, wie die beiden Autoren darlegen, auch in der Öffentlichkeitsarbeit unter demokratischen Vorzeichen wider. Diese habe sich nicht am Leitbild einer liberalen Demokratie mit einer kritischen Presse orientiert, sondern ihre Aufgabe in erster Linie darin gesehen, die öffentliche Meinung im Sinne der Regierung zu beeinflussen. Die Rolle der Presse bestand in dieser Sichtweise allein darin, die Informationen korrekt wiederzugeben, die ihnen die Regierung in den Block diktierte. Dafür hatte das Presseamt Sorge zu tragen. Schon die erste Bundesregierung betrieb zu diesem Zweck einen nicht unerheblichen Aufwand.
Das zeigt etwa die umfangreiche Auswertung von Radiosendungen im In- und Ausland durch das Bundespresseamt. Ein Jahr nach der Gründung der Bundesrepublik hörten seine Mitarbeiter täglich 55 Sender mit 170 Programmstrecken ab: Zu den 12 deutschsprachigen Rundfunksendern und 49 Sendungen kamen 18 französische Sender und 56 ihrer Sendungen, 12 englische mit 45 Sendungen sowie fünf russischsprachige Hörfunkwellen und Sender etwa in ungarischer, slowenischer, slowakischer und tschechischer Sprache. Das Ergebnis dieser Arbeit waren täglich Niederschriften in einem Umfang von 70 bis 120 Seiten. Besonderes Augenmerk richten die Autoren auf die "Beziehungsgeflechte" zwischen Amt und Journalisten und hier vor allem auf dessen verdeckte Mittel, um auf die öffentliche Meinung einzuwirken.
Dazu gehörte die Bezahlung von Journalisten für Artikel oder die finanzielle Förderung von Presseerzeugnissen, die unter dem Deckmantel einer unabhängigen Presse Regierungsanliegen unterstützen sollten. Dies fiel umso leichter, als auch viele Journalisten ihr Handwerk in der nationalsozialistischen Medienlandschaft erlernt hatten und sich "publizistische Freiheit und regierungskritische Berichterstattung erst noch selbst beibringen" mussten. Ein Beispiel ist Günther Heysing, der 1954 eine vierteljährliche Zuwendung in Höhe von 600 DM erhielt, um eine Zeitschrift mit dem Titel "Wildente" herauszugeben. Darin kamen allerdings nicht Jäger zu Wort, sondern ehemalige Kriegsberichterstatter der Propagandakompanien der Wehrmacht und der Waffen-SS, die über ihre Erfahrungen während des Krieges schrieben.
Infrage gestellt wurde diese Arbeitsweise des Presseamtes lange nicht. Während der großen Koalitionen nahmen die Einmischungsversuche des Presseamtes jedenfalls nach Ansicht der oppositionellen FDP sogar noch zu. So versuchte das Presseamt etwa 1968 zu verhindern, dass der damalige "Stern"-Herausgeber Henri Nannen in die ARD-Sendung "Internationaler Frühschoppen", eine Diskussionsrunde mit Journalisten, eingeladen wurde, weil er zuvor Gustav Heinemann kritisiert hatte. Bestrebungen zunächst der FDP und später auch der SPD, das Presseamt zu reformieren, scheiterten am Widerstand der Union.
Die Lektüre des Buches hinterlässt jedoch ein großes Fragezeichen. Dass die Vorstellungen von Demokratie und staatlicher Öffentlichkeitsarbeit bis Ende der Sechzigerjahre nicht heutigen Vorstellungen entsprachen, ist nicht zu übersehen. Allerdings erscheint der Maßstab, den die Autoren anlegen, auf dem demokratietheoretischen Reißbrett entstanden zu sein: Ihr Ideal des Presseamtes ist offenbar das einer "Agentur der Ermöglichung von Informationen und Einblicken in den Prozess der demokratischen Aushandlung von Interessen". Daran gemessen, wäre aber wohl selbst das Presseamt unter Steffen Hebestreit noch weit von seiner eigentlichen Aufgabe entfernt. THOMAS JANSEN
Angela Schwarz / Heiner Stahl: Kontaktzone Bonn. Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung und die staatliche Öffentlichkeitsarbeit 1949-1969.
Wallstein Verlag, Göttingen 2023. 498 S., 39,- Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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