Mit der Unfall-Literatur behandelt die Verfasserin ein Genre, das nicht erst durch Höhenkammtexte von AutorInnen wie Franz Kafka und Robert Musil an Aufmerksamkeit verdient. Wenigstens seit dem 19. Jahrhundert fordern technische Katastrophen durch ihre neue Kontingenzerfahrung und ihren wahrnehmungsbedingten Entzug die kollektive Einbildungskraft heraus. Die vorliegende Studie geht von der These aus, dass die Unfall-Texte der literarischen Moderne (1880–1930er Jahre) einen Mythos ausbilden, der in ein produktives Spannungsverhältnis zu den neuen Massenmedien und Diskursen wie der Thermodynamik und der Physiologie gerät. Seine vielgestaltige Transformation wird entlang dreier Narrative nachvollzogen, die, ausgehend von den Risikosphären des Naturalismus (Hauptmann, Langmann, Zola, Alberti) hinüber zu den avantgardistischen Schöpfungsgeschichten (Marinetti, Höch, Jünger, Hesse) bis hin zu den medienreflexiven Kurztexten der Klassischen Moderne (Mann, Kafka, Bierbaum, Musil), einen facettenreichen Einblick in die Erzählweisen, Deutungspraktiken wie auch ästhetischen und rhetorischen Verfahren des Unfall-Mythos bieten.