Wie viele Akademiker brauchen wir? - Welche Berufe unsere Gesellschaft zusammenhalten Es muss erst eine Pandemie ausbrechen, damit wir merken, was unsere Gesellschaft zusammenhält. Worauf es wirklich ankommt, was »systemrelevant« ist. Die tägliche Versorgung mit Lebensmitteln ist es, und die verlässliche medizinische Betreuung. Verkäuferinnen und Pflegekräfte - die neuen Helden des Alltags. So lange, bis sich dieser wieder normalisiert. Wir leben in einer Gesellschaft, in der kognitive, analytische Fähigkeiten am höchsten bewertet werden, höhere Bildung für möglichst viele ist erklärtes Ziel. An den Schalthebeln der Macht sitzen überwiegend akademisch Ausgebildete, sie bestimmen den Kurs stark nach ihren Interessen und Wahrnehmungen. Doch das hat seinen Preis: Eine Gesellschaft, die die Berufe der Hand und des Herzens, also Handwerk und soziale Berufe, geringschätzt und schlecht bezahlt, droht aus der Balance zu geraten. Der Kopf hat zu viel Einfluss erlangt, so David Goodhart. In seiner provozierenden Analyse zeigt er auf, warum das problematisch ist und wo wir ansetzen müssen, um die Gewichte zu verschieben.
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Die Corona-Pandemie hat, lang überfällig, so einige gesellschaftliche Probleme ins Gespräch gebracht, darunter etwa die Geringschätzung sogenannter systemrelevanter Berufe bei gleichzeitiger Überschätzung akademischer Arbeit, so Rezensentin Nakissa Salavati. David Goodhart untersucht in seinem Buch unter anderem, welche Folgen dieses Ungleichgewicht in der Anerkennung von Arbeit für eine Gesellschaft hat. So sieht er beispielsweise Zusammenhänge zwischen dem Statusverlust der "Herz- und Hand-Berufe" mit dem Erfolg populistischer Kräfte. Diese These ist keineswegs neu, meint Salavati, doch Goodhart gehe darüber hinaus. Wirklich interessant wird es, wenn er sich den Ursachen zuwendet - der Frage, wann und weshalb die Lehrberufe abgewertet und das Studium aufgewertet wurden, wieso Care-Arbeit schlecht oder unbezahlt ist, und warum analytische Intelligenz mehr wert sein soll als emotionale Intelligenz. Dabei stützt sich Goodhart sowohl auf die Erfahrungen Einzelner als auch auf empirische Studien und historische Forschung, erklärt Salavati. Nicht ganz klar ist der Rezensentin, wo die Zuversicht des Autors in Bezug auf "das Korrektiv des Marktes" herkommt, zumal aus Salavatis Perspektive aktuell keine Besserung sichtbar ist. Goodharts teils abstrakte, teils recht konkrete Vorschläge für die Zukunft findet sie allerdings anregend und durchaus realistisch.
© Perlentaucher Medien GmbH
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