Nach dem frühen Tod ihrer Mutter werden die Zwillinge Marian und Jamie Graves eigenhändig von ihrem Vater von einem sinkenden Schiff gerettet. Ein Skandal, da der Vater der Kapitän besagten Schiffes war, folglich also bis zuletzt hätte an Bord bleiben müssen. Um den Folgen seiner Handlung zu
entgehen und selbst tief erschüttert, gibt er die Babys zu seinem Bruder Wallace, einem Maler, in Pflege.…mehrNach dem frühen Tod ihrer Mutter werden die Zwillinge Marian und Jamie Graves eigenhändig von ihrem Vater von einem sinkenden Schiff gerettet. Ein Skandal, da der Vater der Kapitän besagten Schiffes war, folglich also bis zuletzt hätte an Bord bleiben müssen. Um den Folgen seiner Handlung zu entgehen und selbst tief erschüttert, gibt er die Babys zu seinem Bruder Wallace, einem Maler, in Pflege. Während Jamie in Wallaces Fußstapfen tritt, nimmt Marians Leben eine für eine Frau jener Zeit äußerst ungewöhnliche Wendung. Nachdem sie ein Kunstfliegerpaar beobachtet hat, will sie nur noch eins: fliegen. Sie beginnt, mit kleinen Nebenjobs Geld zu verdienen, bis schließlich ein Mentor auf den Plan tritt, der ihrem Leben eine tiefgreifende Wendung geben wird.
Während des Zweiten Weltkrieges, in dem Jamie als Kriegsmaler an der Front tätig ist, fliegt Marian Flugzeuge zu ihren Einsatzorten, um nach dessen Ende einen großen und gefährlichen Plan umzusetzen: Sie will als erste einmal die Welt entlang der Längsachse umrunden. Doch kurz vor dem Ziel verschwindet sie spurlos.
Gut 50 Jahre später soll Marians Geschichte, basierend auf ihrem Logbuch, verfilmt werden. Hadley Baxter, jüngst bei ihren Fans wegen eines Beziehungsskandals in Ungnade gefallener Filmstar, soll die Pilotin verkörpern. Im Rahmen ihrer Recherchen stößt Hadley auf immer neue Spuren. Spuren, die weit über das hinausgehen, was im Drehbuch steht.
„Kreiseziehen“ von Maggie Shipstead beginnt stark. Ich fühlte mich sofort in die Geschichte hineingezogen, getragen von Shipsteads kräftiger und klarer Sprache. Ein Buch, so dachte ich, in dem ich verloren gehen kann, das ich nicht mehr aus der Hand legen möchte. Leider hat sich dieses Gefühl nicht gehalten. Ab dem Zeitpunkt, zu dem sie beginnt zu fliegen, gab es immer wieder längere Strecken, die mich nicht mehr gefesselt haben. Und das zog sich bis zum Ende durch, betraf besonders die Kriegszeit, aber auch ihren Flug um die Erde, der zu langatmig war, während er gleichzeitig zu wenig erzählt hat. Als ich im Nachwort las, dass Shipstead ihren Roman vor der Veröffentlichung bereits um gut 300 Seiten gekürzt hat, war ich perplex. Meinetwegen hätten es noch mal 300 weniger sein können.
Genau diametral verlief mein Leseerlebnis in der Parallelgeschichte um Hadley Baxter. Zu Beginn konnte ich mit diesen Teilen überhaupt nichts anfangen, fand sie langweilig und überflüssig, auch sprachlich nicht annähernd so überzeugend, wie die über Jamie und Marian. Aber gegen Ende hat sich das geändert. Ich fand es sehr spannend, noch mal bewusst gemacht zu bekommen, wie sehr historisches Wissen auf dem basiert, was aus den verfügbaren Quellen interpretiert wird. Und wie falsch diese vermeintlichen Erkenntnisse sein können.
„Kreiseziehen“ wurde unter anderem mit dem Costa Book Award 2021 ausgezeichnet und war auf der Shortlist für den Booker Prize 2021, sowie der Shortlist des Women’s Prize for Fiction 2022. Und auch, wenn es nicht ganz mein Buch war, weil mich einige Themen weniger interessiert haben und für meinen Geschmack zu sehr ausgewalzt wurden, möchte ich trotzdem eine Leseempfehlung aussprechen. Es ist ein Roman, in dem man potenziell verloren gehen, in den man eintauchen, dessen Figuren man ins Herz schließen kann. Großes Kino.