Wer braucht noch Ritterromane und Soldatenlieder - die Zeit der Helden ist lang vorbei. Monumente sind heute gegen Entgelt zu betreten, im Schatten des Mausoleums liegt die Shoppingmall. In Teheran werben Kinder auf Plakaten für das Jenseits, Orient ist nur der Name eines Wiener Hotels. Please hurry, we close!, mahnt ein Soldat im Felsendom, und im Radio sprechen sie nach dem Gebet über Krieg.
Nora Bossong reist in ihrem neuen Gedichtband von der deutschen Provinz übers Mittelmeer ins Heilige Land und weiter, der Zeitsprung ist ihre natürliche Gangart. Erfahrungshungrig spürt sie poetische Szenen zwischen jahrhundertealter Vergangenheit und konzentrierter Gegenwart auf. Fast beiläufig nimmt sie Menschen, Orte, Traditionen in den Blick und beschreibt sie mit subtilem Humor und Feingefühl, ohne ihnen ihre Geheimnisse zu nehmen.
Nora Bossong reist in ihrem neuen Gedichtband von der deutschen Provinz übers Mittelmeer ins Heilige Land und weiter, der Zeitsprung ist ihre natürliche Gangart. Erfahrungshungrig spürt sie poetische Szenen zwischen jahrhundertealter Vergangenheit und konzentrierter Gegenwart auf. Fast beiläufig nimmt sie Menschen, Orte, Traditionen in den Blick und beschreibt sie mit subtilem Humor und Feingefühl, ohne ihnen ihre Geheimnisse zu nehmen.
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Rezensentin Uta Grossmann fühlt sich wohl im lyrischen Universum von Nora Bossong. Bossongs neuer Gedichtband führt sie mittels reimlosen Versen in Assoziationsräume, zu Erlebtem und Erfundenem, auf Reisen und zu Erinnerungen an verlorene Geliebte, schließlich recht häufig zu Tieren, für Grossmann Boten der poetischen Welt. Wie die Autorin dem Leser eine Tagtraum-Sphäre in Teheran eröffnet oder eine Moschee in Isfahan und brennende PET-Flaschen in einem Text vereint, findet die Rezensentin lesenswert. Politisch, poetisch eine Bewegung von West nach Ost vollziehend, scheinen ihr diese Gedichte aufs große Ganze zu zielen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.01.2019Das Licht des Jenseits
Nora Bossongs Gedichtband "Kreuzzug mit Hund"
Die aus Bremen stammende Nora Bossong ist eine vielseitige und versierte Autorin, die mit Gedichten, Essays und Romanen hervorgetreten ist und zuletzt auch eine Reportage über das Rotlichtmilieu publiziert hat. Wer vieles kann, muss nicht alles können; und das könnte durchaus im Fall ihres neuen Gedichtbandes gelten. Schon der Titel "Kreuzzug mit Hund" weckt Zweifel. Zwar gibt es im Band ein Gedicht dieses Titels, aber darin geht es bloß um eine Straßenszene in Teheran und das Interesse eines Taxifahrers an einem hinkenden Hund. Kein Kreuzzug also, nicht einmal metaphorisch.
Thematisch gliedert das Buch sich in zwei Teile. Der erste spielt in der deutschen Provinz und ist durchaus schwach. Er enthält meist kurze, doch wenig konzise Stücke. Da heißt es: "Daneben Wohnungsgesuche, / doch wer könnte sagen, wenn jetzt die Miete / fällig wird, wer wüsste noch, in welche Richtung / die Sonne läuft." Oder man liest: "Gestern noch / standen die Türken vor Wien, morgen schon / war August." Angestrengt originell sind solche Vorstellungssprünge und quasi surrealen Erfindungen.
Durchaus anders dagegen der zweite Teil des Lyrikbandes. Er ist realistischer und präziser. Die Gedichte erzählen von Reisen in Italien, Israel und Iran. Hier sind der Betrachterin die Blicke geschärft, und die Denkbewegungen geraten originell. Dabei ist Nora Bossong klar, dass ihr Exotismus eine Kompensation ihrer Provinzialität ist: "Wem die Heimat zu klein ist, / dem bleibt nur der Himmel." Wenn der Orient für den Himmel eintreten muss, schafft er eine Fülle durch Detailreichtum und Realismus. Die Einzelheiten ersetzen ein Paradies, "obwohl doch niemand / Karten schreibt von dort". Die Esel von Teheran tragen die Dinge heran auf ihren Rücken: "Reis, Orangen, Engel, / winzig, in Schalen verschlossen, die sich erst, / wenn man sie mit dem Nagel aufbricht, / zu Flügeln breiten."
Das transzendiert ins Religiöse. Besonders deutlich geschieht das im Gedicht "Licht. Grabeskirche, Jerusalem". Dort heißt es angesichts einer Marmorschale: "Nur das Jenseits denkt sich solches Licht aus." Sind das Botschaften von Nora Bossong? Sie lassen sich allemal als solche lesen. Nicht jeder freilich mag sie hören wollen. Einmal heißt es nämlich: "Meine Mutter hatte längst aufgelegt." Mancher Leser mag da wie die Mutter denken. Andere wiederum mögen sich von den Orientgedichten in Nora Bossongs neuem Gedichtband anrühren lassen.
HARALD HARTUNG
Nora Bossong: "Kreuzzug mit Hund". Gedichte.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2018. 107 S., geb., 20,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Nora Bossongs Gedichtband "Kreuzzug mit Hund"
Die aus Bremen stammende Nora Bossong ist eine vielseitige und versierte Autorin, die mit Gedichten, Essays und Romanen hervorgetreten ist und zuletzt auch eine Reportage über das Rotlichtmilieu publiziert hat. Wer vieles kann, muss nicht alles können; und das könnte durchaus im Fall ihres neuen Gedichtbandes gelten. Schon der Titel "Kreuzzug mit Hund" weckt Zweifel. Zwar gibt es im Band ein Gedicht dieses Titels, aber darin geht es bloß um eine Straßenszene in Teheran und das Interesse eines Taxifahrers an einem hinkenden Hund. Kein Kreuzzug also, nicht einmal metaphorisch.
Thematisch gliedert das Buch sich in zwei Teile. Der erste spielt in der deutschen Provinz und ist durchaus schwach. Er enthält meist kurze, doch wenig konzise Stücke. Da heißt es: "Daneben Wohnungsgesuche, / doch wer könnte sagen, wenn jetzt die Miete / fällig wird, wer wüsste noch, in welche Richtung / die Sonne läuft." Oder man liest: "Gestern noch / standen die Türken vor Wien, morgen schon / war August." Angestrengt originell sind solche Vorstellungssprünge und quasi surrealen Erfindungen.
Durchaus anders dagegen der zweite Teil des Lyrikbandes. Er ist realistischer und präziser. Die Gedichte erzählen von Reisen in Italien, Israel und Iran. Hier sind der Betrachterin die Blicke geschärft, und die Denkbewegungen geraten originell. Dabei ist Nora Bossong klar, dass ihr Exotismus eine Kompensation ihrer Provinzialität ist: "Wem die Heimat zu klein ist, / dem bleibt nur der Himmel." Wenn der Orient für den Himmel eintreten muss, schafft er eine Fülle durch Detailreichtum und Realismus. Die Einzelheiten ersetzen ein Paradies, "obwohl doch niemand / Karten schreibt von dort". Die Esel von Teheran tragen die Dinge heran auf ihren Rücken: "Reis, Orangen, Engel, / winzig, in Schalen verschlossen, die sich erst, / wenn man sie mit dem Nagel aufbricht, / zu Flügeln breiten."
Das transzendiert ins Religiöse. Besonders deutlich geschieht das im Gedicht "Licht. Grabeskirche, Jerusalem". Dort heißt es angesichts einer Marmorschale: "Nur das Jenseits denkt sich solches Licht aus." Sind das Botschaften von Nora Bossong? Sie lassen sich allemal als solche lesen. Nicht jeder freilich mag sie hören wollen. Einmal heißt es nämlich: "Meine Mutter hatte längst aufgelegt." Mancher Leser mag da wie die Mutter denken. Andere wiederum mögen sich von den Orientgedichten in Nora Bossongs neuem Gedichtband anrühren lassen.
HARALD HARTUNG
Nora Bossong: "Kreuzzug mit Hund". Gedichte.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2018. 107 S., geb., 20,- [Euro].
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»'Wo zum Teufel bleiben die Lyrik-Hämmer der Saison?' hatte Robert Gernhardt vor Jahren einmal in einem Aufsatz geklagt. Die Frage ist ein Evergreen. Sie stellt sich jedes Jahr aufs Neue angesichts der vielen Mittelmäßigkeiten, die veröffentlicht werden. Hier schlägt einer zu.« André Hatting ZEIT ONLINE 20190128