Nora Bossong reist in ihrem neuen Gedichtband von der deutschen Provinz übers Mittelmeer ins Heilige Land und weiter, der Zeitsprung ist ihre natürliche Gangart. Erfahrungshungrig spürt sie poetische Szenen zwischen jahrhundertealter Vergangenheit und konzentrierter Gegenwart auf. Fast beiläufig nimmt sie Menschen, Orte, Traditionen in den Blick und beschreibt sie mit subtilem Humor und Feingefühl, ohne ihnen ihre Geheimnisse zu nehmen.
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
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Nora Bossongs Gedichtband "Kreuzzug mit Hund"
Die aus Bremen stammende Nora Bossong ist eine vielseitige und versierte Autorin, die mit Gedichten, Essays und Romanen hervorgetreten ist und zuletzt auch eine Reportage über das Rotlichtmilieu publiziert hat. Wer vieles kann, muss nicht alles können; und das könnte durchaus im Fall ihres neuen Gedichtbandes gelten. Schon der Titel "Kreuzzug mit Hund" weckt Zweifel. Zwar gibt es im Band ein Gedicht dieses Titels, aber darin geht es bloß um eine Straßenszene in Teheran und das Interesse eines Taxifahrers an einem hinkenden Hund. Kein Kreuzzug also, nicht einmal metaphorisch.
Thematisch gliedert das Buch sich in zwei Teile. Der erste spielt in der deutschen Provinz und ist durchaus schwach. Er enthält meist kurze, doch wenig konzise Stücke. Da heißt es: "Daneben Wohnungsgesuche, / doch wer könnte sagen, wenn jetzt die Miete / fällig wird, wer wüsste noch, in welche Richtung / die Sonne läuft." Oder man liest: "Gestern noch / standen die Türken vor Wien, morgen schon / war August." Angestrengt originell sind solche Vorstellungssprünge und quasi surrealen Erfindungen.
Durchaus anders dagegen der zweite Teil des Lyrikbandes. Er ist realistischer und präziser. Die Gedichte erzählen von Reisen in Italien, Israel und Iran. Hier sind der Betrachterin die Blicke geschärft, und die Denkbewegungen geraten originell. Dabei ist Nora Bossong klar, dass ihr Exotismus eine Kompensation ihrer Provinzialität ist: "Wem die Heimat zu klein ist, / dem bleibt nur der Himmel." Wenn der Orient für den Himmel eintreten muss, schafft er eine Fülle durch Detailreichtum und Realismus. Die Einzelheiten ersetzen ein Paradies, "obwohl doch niemand / Karten schreibt von dort". Die Esel von Teheran tragen die Dinge heran auf ihren Rücken: "Reis, Orangen, Engel, / winzig, in Schalen verschlossen, die sich erst, / wenn man sie mit dem Nagel aufbricht, / zu Flügeln breiten."
Das transzendiert ins Religiöse. Besonders deutlich geschieht das im Gedicht "Licht. Grabeskirche, Jerusalem". Dort heißt es angesichts einer Marmorschale: "Nur das Jenseits denkt sich solches Licht aus." Sind das Botschaften von Nora Bossong? Sie lassen sich allemal als solche lesen. Nicht jeder freilich mag sie hören wollen. Einmal heißt es nämlich: "Meine Mutter hatte längst aufgelegt." Mancher Leser mag da wie die Mutter denken. Andere wiederum mögen sich von den Orientgedichten in Nora Bossongs neuem Gedichtband anrühren lassen.
HARALD HARTUNG
Nora Bossong: "Kreuzzug mit Hund". Gedichte.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2018. 107 S., geb., 20,- [Euro].
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