Millionen Menschen auf der Flucht, auch zu uns nach Europa. Blinder Terror uberall, auch bei uns in Europa. Krieg und Chaos drohen uberhandzunehmen. Was ist nur im Nahen und Mittleren Osten passiert? Mit viel Sachverstand, Gefuhl und Ironie richtet der ehemalige al-Dschasira-Korrespondent einen speziellen, arabischen Blick auf die krisenhaften Entwicklungen der letzten 25 Jahre zwischen dem Westen und der Arabisch-Islamischen Welt. Der Autor zeichnet die unsichtbare Verbindungslinie zwischen dem Islamischen Staat, dem Arabischen Frhling, dem Irak-Krieg, den Angriffen vom 11. September und dem zweiten Golfkrieg. Er versucht das Muster hinter dem Chaos zu erkennen und nimmt dabei seine Leser mit auf eine spannende analytische, journalistische und biografische Reise. Das Buch ist ein Aufschrei gegen Erdl-, Anti-Terror-, Prventiv-, Demokratisierungs-, Schutzverantwortungs-, Regime-Change- und Wie-Auch-Immer-Kriege im Nahen und Mittleren Osten, mit besonderem Augenmerk auf Medien und Kriegspropaganda. "e;Weder wstengelb, noch himmelblau: Blutrot war die eigentliche Farbe von Bagdad im Jahr 2003, denn das Zeitalter des gesichtslosen Todes war angebrochen."e; Aktham Suliman
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.01.2018Krieg gegen Terror kommt immer zu spät
Aktham Suliman und Omid Nouripour über die Lage im Nahen Osten und den Dschihad
Diese beiden Blicke auf den Nahen Osten könnten unterschiedlicher nicht sein. Dabei stammen beide Autoren aus der Krisenregion, leben aber seit langem in Deutschland. Aktham Suliman, geboren in Damaskus und von 2002 bis 2012 Korrespondent des Nachrichtensenders Al Dschazira in Berlin, macht für die Kriege und das Chaos im Nahen Osten "ausländische Mächte" verantwortlich; er wirft ihnen vor, ein großes Komplott gegen die arabische Welt geschmiedet zu haben. Hingegen sieht Omid Nouripour, geboren in Teheran und Bundestagsabgeordneter der Grünen, die Regime des Nahen Ostens als verantwortlich für den Kollaps in der Region an. Er räumt jedoch ein, dass die westliche Politik einen Beitrag dazu geleistet habe und daher überprüft werden müsse.
Suliman will seine Darstellung der Kriege als den "Lebenslauf des Todes im Nahen Osten" verstanden wissen. Der habe mit dem Zweiten Golfkrieg 1991 begonnen. Damals, bei der Befreiung von Kuweit, hätten die Amerikaner die Weichen für das "Amerikanische Jahrhundert" gestellt, und seither befinde sich die arabische Welt in einem "Dritten Weltkrieg", der nahtlos an den Kalten Krieg anknüpfe, der 1991 zu Ende gegangen ist.
Dieser Dritte Weltkrieg diene dazu, die Herrschaft des Westens über den Nahen Osten zu errichten. Der Autor unterscheidet verschiedene Formen von Krieg: Der Zweite Golfkrieg sei ein Antwortkrieg auf die irakische Invasion gewesen; der Anti-Terror-Krieg von 2001 an ein Vergeltungskrieg; der Irak-Krieg 2003 ein Präventivkrieg; der Libyen-Krieg ein Schutzverantwortungskrieg; der Syrien-Krieg eine Mischung aus Bürger-, Demokratisierungs- und Anti-IS-Krieg.
Nouripour stellt indessen den Terror in den Vordergrund, und für den macht er die autokratischen Regime des Nahen Ostens verantwortlich. Sie produzierten Korruption, herrschten mit Repression und zeichneten sich durch schlechte Regierungsführung aus. Instabilität sei die Folge. Das alles spiele den Dschihadisten in die Hände, die mit ihrem Gegenentwurf zu den repressiven Staaten Anhänger finden. Nouripours großes Thema ist, dass der Dschihadismus und der Terror lokale Ursachen haben, er zeigt das anhand von fünfunddreißig Länderstudien. Man könne dem Terror nicht mit dem immer gleichen Rezept begegnen, argumentiert er.
Zu Recht hält Nouripour den "Krieg gegen den Terror" für gescheitert, mit fatalen Folgen für uns alle. Er bezeichnet ihn als ein irreführendes Etikett für einen außenpolitischen Aktionismus unter Führung der Vereinigten Staaten. Aus ihm sei fatalerweise - mit Interventionen und Bombardements - letztlich ein "Krieg für den Terror" geworden, da er ja den Terroristen in die Hände spiele. Statt immerzu kurzatmig neue Koalitionen für Interventionen zusammenzuzimmern, will Nouripour weiter denken - geopolitisch, sozial, ökonomisch. Und er warnt: "Im Kampf gegen den Dschihadismus rennt uns die Zeit davon."
In seinem Buch entwirft Nouripour eine neue Strategie gegen den Dschihad. Zum einen empfiehlt er ein "entglobalisiertes" Vorgehen, das in jedem Land die besonderen lokalen Umstände in den Blick nimmt. Zum anderen müsse man sich um die Köpfe und Herzen jener bemühen, die sonst bei den Dschihadisten landen würden. Die militärische und polizeiliche Arbeit sei gewiss notwendig; aber weit über sie hinaus gehe es um langwierige Arbeit, die nicht an der Front und ganz ohne Waffen stattfinde.
Im letzten Drittel seines lesenswerten Buches skizziert der Autor Maßnahmen eines lokal geführten Kampfes gegen den Dschihad. Sie umfassen ein Umdenken in der Integrationspolitik in Deutschland, wo der Dschihadismus Fuß gefasst hat und hausgemacht ist; schließlich gehe der Radikalisierung meist die Erfahrung von Diskriminierung und Exklusion voraus. Auf Extremismus will Nouripour daher mit Toleranz, Chancengleichheit und Pluralität antworten. Hass dürfe nicht die Antwort auf Hass sein. Nouripour fordert zudem eine härtere Politik gegenüber den Regimen im Nahen Osten. Dort habe Repression den Terror geschaffen, und heute rechtfertige man mit diesem Terror neue Repression.
Holzschnittartiger geht Suliman vor. Er knüpft an die in der arabischen Welt verbreiteten Verschwörungstheorien an, die auch unter deutschen Autoren Anhänger finden. Im zweiten Golfkrieg von 1991 sieht er eine Zäsur. Die vier Kapitel des Buches befassen sich mit vier Kriegen: mit dem von 1991, dem Krieg gegen den Terror nach 2001, dem Irak-Krieg 2003 und schließlich mit den Kriegen, die die Arabellion des Jahres 2011 nach sich zog.
Stets blickt der Autor aus der internationalen Vogelperspektive auf die Region. Im Vordergrund stehen Intrigen und Machenschaften der Staatengemeinschaft gegenüber einer passiv und schuldlos erscheinenden arabischen Welt. Nur kurz widmet sich der Autor den "hausgemachten politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Problemen" der Länder. Er unterschlägt damit, welchen Betrag die Diktaturen, die gescheiterten Staaten und die kaputten Gesellschaften geleistet haben, er unterschlägt auch den sunnitisch-schiitischen Gegensatz und die Verschiebung des Gravitationszentrums in der Region Richtung Iran.
Suliman wirft dem Westen vor, moderne Staaten wie den Irak, Libyen und Syrien zerstört zu haben, Monarchien ohne Parlamente aber zu unterstützen. Schon 1991 habe Washington gegenüber dem Irak eine "Steinzeitstrategie" verfolgt; 2003 sei der Eindruck entstanden, der Irak werde im Rahmen eines großen Kriegs gegen die arabisch-islamische Welt besetzt. Nach 2011 habe der Westen in Libyen seine verhängnisvollen Interventionen mit einem Angriffskrieg fortgesetzt. Dabei hätten sich die Libyer, die sich gegen Gaddafi erhoben hatten, auf das Format von "Manga-Comics" reduziert, spottet der Autor. Suliman schreibt von "Demokratisierungsflüchtlingen", die ihre arabische Heimat verlassen mussten, weil Westmächte über sie hergefallen waren, um angeblich die Demokratie einzuführen und den Terror zu bekämpfen.
Bedenkenswert sind die Passagen, in denen sich Suliman mit dem "Sieg des Bildes über das Wort als Informationsträger" beschäftigt. So glaubten die Menschen nur noch, was sie sähen. Als Beispiel führt er an, dass sein früherer Arbeitgeber Al Dschazira mit ein paar Aufnahmen desertierter Soldaten 2011 die gemäßigte "Freie Syrische Armee" geschaffen habe, die es in Wirklichkeit nie gegeben habe.
RAINER HERMANN.
Omid Nouripour: "Was tun gegen Dschihadisten?" Wie wir den Terror besiegen können.
dtv Verlagsgesellschaft, München 2017. 304 S., br., 16,90 [Euro].
Aktham Suliman: "Krieg und Chaos in Nahost". Eine arabische Sicht.
Nomen Verlag, Frankfurt am Main 2017. 232 S., br., 17,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Aktham Suliman und Omid Nouripour über die Lage im Nahen Osten und den Dschihad
Diese beiden Blicke auf den Nahen Osten könnten unterschiedlicher nicht sein. Dabei stammen beide Autoren aus der Krisenregion, leben aber seit langem in Deutschland. Aktham Suliman, geboren in Damaskus und von 2002 bis 2012 Korrespondent des Nachrichtensenders Al Dschazira in Berlin, macht für die Kriege und das Chaos im Nahen Osten "ausländische Mächte" verantwortlich; er wirft ihnen vor, ein großes Komplott gegen die arabische Welt geschmiedet zu haben. Hingegen sieht Omid Nouripour, geboren in Teheran und Bundestagsabgeordneter der Grünen, die Regime des Nahen Ostens als verantwortlich für den Kollaps in der Region an. Er räumt jedoch ein, dass die westliche Politik einen Beitrag dazu geleistet habe und daher überprüft werden müsse.
Suliman will seine Darstellung der Kriege als den "Lebenslauf des Todes im Nahen Osten" verstanden wissen. Der habe mit dem Zweiten Golfkrieg 1991 begonnen. Damals, bei der Befreiung von Kuweit, hätten die Amerikaner die Weichen für das "Amerikanische Jahrhundert" gestellt, und seither befinde sich die arabische Welt in einem "Dritten Weltkrieg", der nahtlos an den Kalten Krieg anknüpfe, der 1991 zu Ende gegangen ist.
Dieser Dritte Weltkrieg diene dazu, die Herrschaft des Westens über den Nahen Osten zu errichten. Der Autor unterscheidet verschiedene Formen von Krieg: Der Zweite Golfkrieg sei ein Antwortkrieg auf die irakische Invasion gewesen; der Anti-Terror-Krieg von 2001 an ein Vergeltungskrieg; der Irak-Krieg 2003 ein Präventivkrieg; der Libyen-Krieg ein Schutzverantwortungskrieg; der Syrien-Krieg eine Mischung aus Bürger-, Demokratisierungs- und Anti-IS-Krieg.
Nouripour stellt indessen den Terror in den Vordergrund, und für den macht er die autokratischen Regime des Nahen Ostens verantwortlich. Sie produzierten Korruption, herrschten mit Repression und zeichneten sich durch schlechte Regierungsführung aus. Instabilität sei die Folge. Das alles spiele den Dschihadisten in die Hände, die mit ihrem Gegenentwurf zu den repressiven Staaten Anhänger finden. Nouripours großes Thema ist, dass der Dschihadismus und der Terror lokale Ursachen haben, er zeigt das anhand von fünfunddreißig Länderstudien. Man könne dem Terror nicht mit dem immer gleichen Rezept begegnen, argumentiert er.
Zu Recht hält Nouripour den "Krieg gegen den Terror" für gescheitert, mit fatalen Folgen für uns alle. Er bezeichnet ihn als ein irreführendes Etikett für einen außenpolitischen Aktionismus unter Führung der Vereinigten Staaten. Aus ihm sei fatalerweise - mit Interventionen und Bombardements - letztlich ein "Krieg für den Terror" geworden, da er ja den Terroristen in die Hände spiele. Statt immerzu kurzatmig neue Koalitionen für Interventionen zusammenzuzimmern, will Nouripour weiter denken - geopolitisch, sozial, ökonomisch. Und er warnt: "Im Kampf gegen den Dschihadismus rennt uns die Zeit davon."
In seinem Buch entwirft Nouripour eine neue Strategie gegen den Dschihad. Zum einen empfiehlt er ein "entglobalisiertes" Vorgehen, das in jedem Land die besonderen lokalen Umstände in den Blick nimmt. Zum anderen müsse man sich um die Köpfe und Herzen jener bemühen, die sonst bei den Dschihadisten landen würden. Die militärische und polizeiliche Arbeit sei gewiss notwendig; aber weit über sie hinaus gehe es um langwierige Arbeit, die nicht an der Front und ganz ohne Waffen stattfinde.
Im letzten Drittel seines lesenswerten Buches skizziert der Autor Maßnahmen eines lokal geführten Kampfes gegen den Dschihad. Sie umfassen ein Umdenken in der Integrationspolitik in Deutschland, wo der Dschihadismus Fuß gefasst hat und hausgemacht ist; schließlich gehe der Radikalisierung meist die Erfahrung von Diskriminierung und Exklusion voraus. Auf Extremismus will Nouripour daher mit Toleranz, Chancengleichheit und Pluralität antworten. Hass dürfe nicht die Antwort auf Hass sein. Nouripour fordert zudem eine härtere Politik gegenüber den Regimen im Nahen Osten. Dort habe Repression den Terror geschaffen, und heute rechtfertige man mit diesem Terror neue Repression.
Holzschnittartiger geht Suliman vor. Er knüpft an die in der arabischen Welt verbreiteten Verschwörungstheorien an, die auch unter deutschen Autoren Anhänger finden. Im zweiten Golfkrieg von 1991 sieht er eine Zäsur. Die vier Kapitel des Buches befassen sich mit vier Kriegen: mit dem von 1991, dem Krieg gegen den Terror nach 2001, dem Irak-Krieg 2003 und schließlich mit den Kriegen, die die Arabellion des Jahres 2011 nach sich zog.
Stets blickt der Autor aus der internationalen Vogelperspektive auf die Region. Im Vordergrund stehen Intrigen und Machenschaften der Staatengemeinschaft gegenüber einer passiv und schuldlos erscheinenden arabischen Welt. Nur kurz widmet sich der Autor den "hausgemachten politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Problemen" der Länder. Er unterschlägt damit, welchen Betrag die Diktaturen, die gescheiterten Staaten und die kaputten Gesellschaften geleistet haben, er unterschlägt auch den sunnitisch-schiitischen Gegensatz und die Verschiebung des Gravitationszentrums in der Region Richtung Iran.
Suliman wirft dem Westen vor, moderne Staaten wie den Irak, Libyen und Syrien zerstört zu haben, Monarchien ohne Parlamente aber zu unterstützen. Schon 1991 habe Washington gegenüber dem Irak eine "Steinzeitstrategie" verfolgt; 2003 sei der Eindruck entstanden, der Irak werde im Rahmen eines großen Kriegs gegen die arabisch-islamische Welt besetzt. Nach 2011 habe der Westen in Libyen seine verhängnisvollen Interventionen mit einem Angriffskrieg fortgesetzt. Dabei hätten sich die Libyer, die sich gegen Gaddafi erhoben hatten, auf das Format von "Manga-Comics" reduziert, spottet der Autor. Suliman schreibt von "Demokratisierungsflüchtlingen", die ihre arabische Heimat verlassen mussten, weil Westmächte über sie hergefallen waren, um angeblich die Demokratie einzuführen und den Terror zu bekämpfen.
Bedenkenswert sind die Passagen, in denen sich Suliman mit dem "Sieg des Bildes über das Wort als Informationsträger" beschäftigt. So glaubten die Menschen nur noch, was sie sähen. Als Beispiel führt er an, dass sein früherer Arbeitgeber Al Dschazira mit ein paar Aufnahmen desertierter Soldaten 2011 die gemäßigte "Freie Syrische Armee" geschaffen habe, die es in Wirklichkeit nie gegeben habe.
RAINER HERMANN.
Omid Nouripour: "Was tun gegen Dschihadisten?" Wie wir den Terror besiegen können.
dtv Verlagsgesellschaft, München 2017. 304 S., br., 16,90 [Euro].
Aktham Suliman: "Krieg und Chaos in Nahost". Eine arabische Sicht.
Nomen Verlag, Frankfurt am Main 2017. 232 S., br., 17,90 [Euro].
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