Magisterarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Kulturwissenschaften - Empirische Kulturwissenschaften, Note: 1,0, Universität Mannheim (Fakultät für Sozialwissenschaften), Sprache: Deutsch, Abstract: Nach einschneidenden Geschichtsdebatten in den 80er und 90er Jahren, die insbesondere auf den Holocaust rekurrierten, scheint sich seit Anfang des neuen Jahrtausends der Fokus der Erinnerung weg von den Deutschen als Täter, hin zu den Deutschen als Opfer zu verschieben. Der Historiker Hans-Ulrich Wehler hat diese Entwicklung als "eine neue Welle" bezeichnet, die "mit Günter Grass und seiner Novelle über den Untergang der ,Wilhelm Gustloff'" begonnen habe; die Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann beschreibt den gegenwärtigen, öffentlichen Umgang mit der deutschen Geschichte als "Umcodierung der deutschen Erinnerungskultur - hin zur Thematisierung des eigenen Leids". Diese Ausgangsbeobachtungen werfen die Frage auf, welche qualitativen Veränderungen der deutschen Erinnerungskultur sich nachzeichnen lassen und welche spezifische Rolle Günter Grass' Novelle Im Krebsgang als literarischem Beitrag im öffentlichen Diskurs um die deutsche Vergangenheit zugewiesen werden kann. These dieser Arbeit ist es, dass in Günter Grass' Novelle neben ihrem eigentlichen historischen Gegenstand des Untergangs der "Wilhelm Gustloff" tatsächlich diverse gedächtnistheoretische, geschichtspolitische und medientheoretische Reflexionen angelegt sind, die die Novelle im Zusammenspiel mit den diskursiven Rezeptionsmechanismen der modernen Massenmedien zu einem Katalysator für die Revitalisierung eines deutschen "Opfergedächtnisses" innerhalb der größeren Dynamiken der deutschen Erinnerungskultur gemacht haben. Die Novelle Im Krebsgang kann demnach sowohl als ein Indikator, aber auch als ein Faktor der deutschen Erinnerungskultur interpretiert werden. Daher gilt es, die Novelle auf Prozesse der intergenerationellen Geschichts- und Gedächtnisvermittlung, die geschichtspolitischen und ereignisgeschichtlichen Umbrüche sowie den medientechnologischen Wandel hin zu analysieren und darüber hinaus den Diskurs um die Novelle und die anschließenden Publikationen in die größeren Transformationsprozesse der deutschen Erinnerungskultur einzuordnen. Vor diesem Hintergrund kann letztlich das Problemfeld angedeutet werden, inwiefern die Literatur und die Geschichtswissenschaft sich als widerstreitende Instanzen im Kampf um das kulturelle Gedächtnis gegenseitig reglementieren und ergänzen, während sie sich beide der Gefahr gegenüber sehen, dass sich die "Kriege der Erinnerung" in einem unübersichtlichen Meer von unkritisch privatisierten und fiktionalisierten Geschichtsbildern auflösen.
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