Studienarbeit aus dem Jahr 2022 im Fachbereich Germanistik - Ältere Deutsche Literatur, Mediävistik, Note: 1,7, Universität Stuttgart (Germanistische Mediävistik), Veranstaltung: Interpretation tormoderner Literatur, Sprache: Deutsch, Abstract: In dieser Hausarbeit wird untersucht, inwiefern Kriemhild in das Ideal der höfische Dame par excellence eingebettet werden kann oder nicht. Dafür wird untersucht, auf welche Weise Kriemhild gemäß dem höfischen Weiblichkeitsideal mit Schönheit und Passivität oder mit vermeintlich männlichen Attributen wie Dominanz und Gewaltbereitschaft assoziiert werden kann. Weiterhin wird analysiert, inwiefern die Geschlechterkonzepte einen Einfluss auf den tragischen Verlauf des Epos' haben. Die Persönlichkeitsentwicklung Kriemhilds wird dafür im Folgenden in drei Phasen gegliedert: Kriemhild als höfische Dame, Leidende und Rächerin. Zu klären ist die Frage, ob sich Kriemhild als höfische Dame par excellence bewährt, oder ob sie sogar einen hybriden Weiblichkeitstypus suggeriert, welcher zugleich eine heroische Komponente besitzt. Das mittelalterliche Heldenepos Nibelungenlied vereint in sich verschiedene Sagenstoffe und Lieder, die vor der Verschriftlichung mündlich tradiert worden sind. Das Epos handelt sowohl von den Dichotomien Leben und Tod als auch von Gewalt und Leid. Auch verbindet es höfisch-gesellschaftliche Vorstellungen der Zeit um 1200 mit heroischen Stoff- und Motivelementen. Dadurch entsteht eine Dissonanz des Werks, welche das Nibelungenlied als nibelungisch erkenntlich machen. Die Wiedererkennbarkeit des Textes spiegelt sich in dem hybriden Erzählen wider, gekennzeichnet durch den Sprachduktus, der Gattungstradition, den Erzählformen und den Konflikt zwischen höfisch und heroisch. Dieser Konflikt wird unter anderem in der Figurenkonzeption Kriemhilds aufgegriffen, der von Anfang bis Ende des Werks eine zentrale Rolle zugewiesen wird. Man könne sie demnach als Mittelpunktsgestalt des Nibelungenlieds betiteln, da fortwährend ihr Leben und Leiden thematisiert werden. Die Vielschichtigkeit der Figur besteht darin, dass sie zunächst als höfische Dame eingeführt wird und mit zunehmendem Leiden eine heroische Komponente erhält, die sie zur gnadenlosen Rächerin mutieren lässt.