Die regelmäßige Wiederkehr von Krisen, die in kriegsträchtiger Weise eskalierten, gehört zu den Charakteristika des Kalten Krieges. Zwanzig Jahre und damit knapp die Hälfte der über vier Jahrzehnte währenden "Systemkonkurrenz" standen im Zeichen akuter politischer und militärischer Konfrontationen. Welche Umstände trugen zur Eskalation von Krisen bei, und wie konnten Konfrontationen eingedämmt und beigelegt werden? Welcher Art waren die Beziehungen zwischen Politik und Militär? Wurde das Krisenverhalten von innenpolitischen Faktoren beeinflusst und wie war es um Handlungsspielräume von Verbündeten und Klientelstaaten bestellt? Diese und andere Fragen werden anhand von 17 Fallbeispielen aus fünf Jahrzehnten diskutiert: Koreakrieg 1950 - Ostdeutschland 1953 - Ungarn 1956 - Suezkrise - Berlinkrisen 1948/49 und 1958 bis 1963 - Kongo 1960 bis 1964 - Kubakrise 1962 - Operation "Anadyr" 1962 - Chinesisch-sowjetische Krisen 1966 bis 1969 - Korea 1968/69 - Prager Frühling 1968 - Jom-Kippur-Krieg 1973 - Polen 1980/81 - "Able Archer" 1983 - Angola und Namibia 1988. Zu Wort kommen renommierte Historiker, die sich auf neu zugängliches Quellenmaterial stützen und zugleich Anregungen für künftige Forschungen geben. Ihre Beiträge fügen sich zu der bisher umfassendsten Betrachtung von Krisen im Kalten Krieg in deutscher Sprache.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.12.2008EIN AUFSATZ
Patt im Kalten Krieg
Verhinderte Konfrontation: Kuba, Südafrika und die Supermächte
Vor zwanzig Jahren endete eine der letzten Krisen des Kalten Krieges: Beide Supermächte waren Ende der achtziger Jahre im südwestlichen Afrika engagiert. Als sich südafrikanische und kubanische Truppen Mitte 1988 an der Grenze zwischen Angola und Namibia kampfbereit gegenüberstanden, bahnte sich eine gefährliche Situation an. Doch durch erfolgreiches Krisenmanagement konnte eine massive Konfrontation zwischen den Supermächten schließlich abgewendet werden. Der in Südafrika an der University of Cape Town lehrende Historiker Christopher Saunders hat die wenig bekannte Episode analysiert (in: „Die Überwindung der Krise in Angola und Namibia 1988”, in: Bernd Greiner/Christian Th. Müller/Dierk Walter (Hrsg.): Krisen im Kalten Krieg. Studien zum Kalten Krieg, Bd. 2, Hamburger Edition, Hamburg 2008).
Ende 1975 war Südafrika von Namibia aus in Angola einmarschiert, um die Machtübernahme der radikalen Volksbewegung zur Befreiung Angolas (MLPA) zu verhindern. US-Außenminister Henry Kissinger hatte Pretoria inoffiziell grünes Licht gegeben. Anfangs verlief die Invasion erfolgreich. Einheiten der südafrikanischen Streitkräfte (SADF) rückten bis kurz vor Angolas Hauptstadt Luanda vor. Als aber die MLPA überraschend von einer starken kubanischen Streitmacht unterstützt wurde, die Fidel Castro ohne vorheriges Einverständnis der Sowjetunion entsandt hatte, geriet die Operation der Südafrikaner zum Debakel: Sie zeigten sich nicht in der Lage, die von Moskau aufgerüsteten Kubaner effektiv zu bekämpfen. Und als die USA ihre Unterstützung entzogen, traten die südafrikanischen Einheiten Ende März 1976 den Rückzug an.
Es folgte eine Pattsituation. Ab 1978 fiel die SADF wiederholt in Angola ein. Ihr Ziel waren nicht nur Stützpunkte der namibischen Befreiungsarmee SWAPO, sondern auch die angolanischen Streitkräfte selbst. Doch diesen kamen Ende 1987 erneut Tausende kubanische Elitesoldaten zu Hilfe, die wiederum bis zur namibischen Grenze vorrückten. Nun drohte ein offener Krieg zwischen Kuba und Südafrika.
In der ersten Maiwoche 1988 trafen Vertreter Kubas, Angolas und Südafrikas in London zu Gesprächen zusammen. Die USA beobachteten zwar mit Spionagesatelliten die kubanischen Truppenbewegungen im Süden Angolas, deuteten Pretoria gegenüber aber an, dass sie sich an einer massiven militärischen Konfrontation nicht direkt beteiligen würden. Auch die UdSSR wollte jegliche Unterstützung einstellen, falls Kubas Truppen die Grenze nach Namibia überschreiten sollten. Den Sowjets war bewusst, dass ein kubanisch-südafrikanischer Krieg den gesamten Annäherungsprozess zwischen Moskau und Washington gefährden konnte. Am 22. Dezember 1988 unterzeichneten Kuba, Angola und Südafrika einen UN-Friedensvertrag für Angola und Namibia. THOMAS SPECKMANN
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Patt im Kalten Krieg
Verhinderte Konfrontation: Kuba, Südafrika und die Supermächte
Vor zwanzig Jahren endete eine der letzten Krisen des Kalten Krieges: Beide Supermächte waren Ende der achtziger Jahre im südwestlichen Afrika engagiert. Als sich südafrikanische und kubanische Truppen Mitte 1988 an der Grenze zwischen Angola und Namibia kampfbereit gegenüberstanden, bahnte sich eine gefährliche Situation an. Doch durch erfolgreiches Krisenmanagement konnte eine massive Konfrontation zwischen den Supermächten schließlich abgewendet werden. Der in Südafrika an der University of Cape Town lehrende Historiker Christopher Saunders hat die wenig bekannte Episode analysiert (in: „Die Überwindung der Krise in Angola und Namibia 1988”, in: Bernd Greiner/Christian Th. Müller/Dierk Walter (Hrsg.): Krisen im Kalten Krieg. Studien zum Kalten Krieg, Bd. 2, Hamburger Edition, Hamburg 2008).
Ende 1975 war Südafrika von Namibia aus in Angola einmarschiert, um die Machtübernahme der radikalen Volksbewegung zur Befreiung Angolas (MLPA) zu verhindern. US-Außenminister Henry Kissinger hatte Pretoria inoffiziell grünes Licht gegeben. Anfangs verlief die Invasion erfolgreich. Einheiten der südafrikanischen Streitkräfte (SADF) rückten bis kurz vor Angolas Hauptstadt Luanda vor. Als aber die MLPA überraschend von einer starken kubanischen Streitmacht unterstützt wurde, die Fidel Castro ohne vorheriges Einverständnis der Sowjetunion entsandt hatte, geriet die Operation der Südafrikaner zum Debakel: Sie zeigten sich nicht in der Lage, die von Moskau aufgerüsteten Kubaner effektiv zu bekämpfen. Und als die USA ihre Unterstützung entzogen, traten die südafrikanischen Einheiten Ende März 1976 den Rückzug an.
Es folgte eine Pattsituation. Ab 1978 fiel die SADF wiederholt in Angola ein. Ihr Ziel waren nicht nur Stützpunkte der namibischen Befreiungsarmee SWAPO, sondern auch die angolanischen Streitkräfte selbst. Doch diesen kamen Ende 1987 erneut Tausende kubanische Elitesoldaten zu Hilfe, die wiederum bis zur namibischen Grenze vorrückten. Nun drohte ein offener Krieg zwischen Kuba und Südafrika.
In der ersten Maiwoche 1988 trafen Vertreter Kubas, Angolas und Südafrikas in London zu Gesprächen zusammen. Die USA beobachteten zwar mit Spionagesatelliten die kubanischen Truppenbewegungen im Süden Angolas, deuteten Pretoria gegenüber aber an, dass sie sich an einer massiven militärischen Konfrontation nicht direkt beteiligen würden. Auch die UdSSR wollte jegliche Unterstützung einstellen, falls Kubas Truppen die Grenze nach Namibia überschreiten sollten. Den Sowjets war bewusst, dass ein kubanisch-südafrikanischer Krieg den gesamten Annäherungsprozess zwischen Moskau und Washington gefährden konnte. Am 22. Dezember 1988 unterzeichneten Kuba, Angola und Südafrika einen UN-Friedensvertrag für Angola und Namibia. THOMAS SPECKMANN
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Rezensent Victor Mauer ist nicht ganz glücklich mit dieser historischen Anthologie zum Kalten Krieg, obwohl manche der Beiträge, die die Herausgeber Bernd Greiner, Christian Thomas Müller und Dierk Walter zusammengetragen haben, durchaus lesenswert sind und mit "guten Analysen" aufwarten. Doch nach Meinung des Rezensenten sehen zu viele Beiträge im "narrativen Dschungel vor lauter Bäumen den Wald nicht ", was dazu führt, dass es dem Leser ähnlich geht. Das Buch, das sich auf eine Tagung des Hamburger Institut für Sozialforschung von 2006 stützt, liefert eine Auflistung aller großen Krisen, die der Kalte Krieg hervorgebracht hat. An denen wird sich jedoch kaum in "analytischen Kategorien" abgearbeitet. Es mangelt dem Band nach Mauers Meinung schlichtweg an einem "geschlossenen analytischen Konzept".
© Perlentaucher Medien GmbH
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