Manchmal wünscht man sich vor der Buchmesse einfach nur mehr Zeit oder weniger interessante Bücher, wobei letzteres eigentlich keine Option ist. Krisenstaat Türkei war so ein Fall. Ich habe es gerade mal geschafft mir ein paar Stichpunkte zu machen, und dann war auch schon der Tag des Interviews und
ich hatte nicht das ganze Buch gelesen. Nun ist Hasnain Kazim für mich kein Unbekannter, ich durfte…mehrManchmal wünscht man sich vor der Buchmesse einfach nur mehr Zeit oder weniger interessante Bücher, wobei letzteres eigentlich keine Option ist. Krisenstaat Türkei war so ein Fall. Ich habe es gerade mal geschafft mir ein paar Stichpunkte zu machen, und dann war auch schon der Tag des Interviews und ich hatte nicht das ganze Buch gelesen. Nun ist Hasnain Kazim für mich kein Unbekannter, ich durfte ihn schon bei meinem ersten Mal Buchmesse erleben. Er ist ein Mensch, der, wenn man ihn so sieht, doch im ersten Moment sehr weich erscheint. Doch wenn man dann mit ihm spricht sieht man dieses Feuer in den Augen. Er lebt das Journalist sein und dabei will er immer fair sein. Er möchte die positiven Seiten genauso wie die negativen aufzeigen.
Warum erzähle ich das eigentlich? Weil ich nun das Buch richtig gelesen habe, also komplett, Seite für Seite, Wort für Wort. Herr Kazim hat so vieles geschrieben über ein Land, welches reich an Kultur ist, vieles erfunden hat und dessen Ärzte, allen voran Ibn Sina, der Arzt, dem ich bei dem Buch der Medicus das erste Mal begegnet bin, äußerst fortschrittlich und nicht so rückständig wie unsere Bader im Mittelalter.
Das Buch erklärt so vieles über das Denken in der Türkei, dem eigenen Selbstverständnis dieses Landes. Man erfährt vieles über die Parteien in diesem Land, aber als erstes lernt man etwas über die Geschichte und die Entstehung dieses Staates. Als erstes kommt Atatürk. Es wird erläutert, wie dieses Land dann durch ihn entstanden ist und wie es zu diesem Personenkult um ihn gekommen ist.
Es wird erklärt, warum es die 10% Hürde bei den Wahlen gibt. Dies hängt mit den Kurden zusammen, welche ja auch ihre eigenen Parteien haben, und diese wollen die Türken nicht in ihrem Parlament in Ankara haben.
Der Autor beleuchtet aber auch das schwierige Verhältnis zur IS und auch zu den Nachbarn Syrien, Iran und Irak. Man kann durch die Erklärung dieser Zusammenhänge etwas besser verstehen, warum und wieso Erdogan sich zum Präsidenten gemacht hat, bzw. gewählt wurde, und wie dies überhaupt entstehen konnte. Denn das alles ist nur durch die Geschichte des Landes und der Region ein wenig zu verstehen.
Ganz diffus wird es beim Thema Deniz Yücel oder Mesale Tolu. Man kann es, auch wenn man dieses Buch liest, kaum verstehen, was man aber versteht ist, dass der Autor die Türkei verlassen musste, denn soweit es bekannt ist stand er auf der gleichen Liste wie die beiden oben genannten Journalisten. Also auch er wurde als Mitglied einer Terroristischen Organisation geführt, nur weil er kritisch aus der Türkei berichtet hat.
Es sind viele Dinge, die einem zum Kopfschütteln bringen, aber viele Dinge versteht man auch etwas besser. Man erkennt z.B., dass man die Türkei mögen kann, aber trotzdem Dinge kritisieren kann und auch dürfen sollte.
Ich schätze z.B. meine ehemaligen Arbeitskollegen sehr, egal ob sie Türken, Kurden oder was auch immer sind. Es sind viele tolle Erlebnisse in meinem Kopf geblieben. Ich habe aber eines gelernt durch dieses Buch, also außer dass ich sehr gerne mal in die Türkei reisen würde, wenn es wieder ruhiger geworden ist, und zwar wurde mir immer klarer wie gefährlich Populisten sind und wie schnell man ihnen auf den Leim gehen kann, und wie schwer es ist, Journalist zu sein, wie schnell sich das politische Klima ändern kann und wie glücklich wir uns schätzen können, in einer Demokratie wie unserer zu leben. Ich finde, wir sollten einfach unsere Demokratie mehr schützen und auch mal Farbe bekennen und nicht jedem Populisten, egal wie er sich verpackt, vertrauen und hinterher laufen.
Ich finde dieses Buch ist gerade in der heutigen Zeit ein sehr wichtiges, da man in diesem Werk alles kompakt beisammen hat und man sich nicht alles zusammen suchen muss. Das ganz besondere für mich ist, dass Hasnain Kazim es schafft, nicht alles schlecht zu machen, sondern er versucht Kritik zu äußern, aber dabei immer fair zu bleiben – etwas, was in der heutigen Zeit einfach viel zu selten ist.