Studienarbeit aus dem Jahr 2002 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: 1 -, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg (Institut für Germanistik), Veranstaltung: Seminar: Epoche des Realismus II: Theodor Fontane, Sprache: Deutsch, Abstract: 1. Einleitung Theodor Fontane hat im Laufe der Jahre in vielen Briefen seine Abneigung gegen die Bourgeoisie bekundet, die er als „protzig, engherzig und ungebildet“ bezeichnet hat. Diese Charakterisierung hat er literarisch verarbeitet: besonders in seinem Roman Frau Jenny Treibel (1892) findet sich dieser harte Ton wieder. So läßt er denn auch Professor Wilibald Schmidt über die Besitzbürger Treibel feststellen: „Sie liberalisieren und sentimentalisieren beständig, aber das alles ist Farce; wenn es gilt, Farbe zu bekennen, dann heißt es: >Gold ist Trumpf<, und weiter nichts.“ In diesen Zitaten finden sich all die für Fontane kritikwürdigen Facetten wieder, die er seiner Protagonistin, der Kommerzienrätin Jenny Treibel, auf den Leib geschrieben hat: Prestigegewinn siegt dabei über Bildung und Wissen, Geldbesessenheit über Liebesheirat und Herzensbildung; Sentimentalität stellt die Verbindung zwischen den Facetten her. Das hier beschr iebene Bild und damit Fontanes Kritik speziell am Besitzbürgertum stellt den Schwerpunkt dieser Hausarbeit dar. Dabei wollen wir der Fragestellung nachgehen, wie Fontane seine Kritik im Text umsetzt. Dies soll exemplarisch anhand der Titelfigur untersucht werden. An ihr wird die Diskrepanz zwischen ideellem Schein (der Hang zum „Höheren“) und materiellen Sein (die Geldmentalität), die Fontane für zeittypisch hielt, herausgearbeitet. Zwar hat Fontane auch den Rückzug des Bildungsbürgertums aus dem gesellscha ftlichen Leben in die egozentrische Bildungsidylle aufgedeckt und kritisiert. Dieser Aspekt bleibt hier aber unberücksichtigt, um den Rahmen der Arbeit nicht zu sprengen. Nur an ausgewählten Stellen werden wir auf darauf eingehen. Im folgenden soll kurz unsere Gliederung vorgestellt werden: an erster Stelle steht eine kurze Erläuterung von Fontanes Realismuskonzept, um ein Grundverständnis für seinen Schreibstil herzustellen. Im Anschluß wird zum besseren Verständnis der Lektüre ein Abriß über den gesellschaftshistorischen Hintergrund in seiner Relevanz für den Roman wiedergegeben. Der Hauptteil befaßt sich dezidiert mit der Figur Jenny Treibel. Zum einen geht es um ihr Repräsentationsgehabe und ihre damit verbundene eingebildete Bildung, zum anderen um ihre Sentimentalität und Selbsttäuschung. In der Schlußbemerkung sollen alle aufgeführten Aspekte, die sich in der Titelfigur wiederspiegeln, beleuchtet werden. [...]