Lassen sich Lebensformen kritisieren? Lässt sich über Lebensformen sagen, sie seien gut, geglückt oder gar rational? Die politische Ordnung des liberalen Rechtsstaats versteht sich als Versuch, das gesellschaftliche Zusammenleben auf eine Weise zu gestalten, die sich zu den unterschiedlichen Lebensformen neutral bzw. »ethisch enthaltsam« verhält. Dadurch werden Fragen nach der Art und Weise, in der wir individuell oder kollektiv unser Leben führen, in den Bereich nicht weiter hinterfragbarer Präferenzen oder als unhintergehbar gedachter Identitätsfragen ausgelagert. Wie über Geschmack lässt sich über Lebensformen dann nicht mehr streiten. Rahel Jaeggi hingegen behauptet: Über Lebensformen lässt sich mit Gründen streiten. Lebensformen sind als Ensembles sozialer Praktiken auf die Lösung von Problemen gerichtet. Sie finden ihren Maßstab »in der Sache« des Problems.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
So richtig warm wird Michael Schefczyk nicht mit Rahel Jaeggis Studie über die Kritik von Lebensformen. Schon die implizite Behauptung, politische Philosophie à la Habermas und Rawls fordere ethische Enthaltsamkeit und lasse den Streit über Lebensformen nicht zu, findet der Rezensent zweifelhaft. Wenn Jaeggi mit Hegel und dem Pragmatismus argumentiert, stößt Schefczyk zwar auf interessante Perspektiven, zugleich jedoch scheint ihm das Ansinnen der Autorin höchst fragwürdig, unvernünftig, weil unemanzipiert lebende Menschen zu ihrem Glück zu zwingen. Oder meint es die Autorin gar nicht so? Schefczyk ist sich nicht sicher, Jaeggis Kritik an der Zurückhaltung des politischen Liberalismus in Fragen der Gestaltbarkeit von Lebensformen macht ihn allerdings skeptisch.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Sie kann die Feigheit, die sich in der ... Gesellschaft und deren nachträglicher Vermittlung ausdrückt, überwinden zugunsten eines echten Interesses, Lebensformen 'vernünftig' zu verändern.« Thomas Meyer DIE ZEIT 20140313