Zunächst machte das Unternehmen in den ersten 25 Jahren seiner Existenz Verluste. Doch die Familie hielt an der Firma fest. Im deutschen Kaiserreich erlebte Krupp dann ein rasantes Wachstum und wurde zum größten Unternehmen Deutschlands. Die Firma misstraute dem uneingeschränkt freien Markt und pflegte die Nähe zum Staat - bis in die Zeit des «Dritten Reiches» hinein. Nachdem die Führungsspitze in einem der Nürnberger Industriellenprozesse verurteilt wurde, gelang es Krupp dennoch, sich nach dem Zweiten Weltkrieg neu zu erfinden: als Symbol für den Erfolg und die Offenheit der Bundesrepublik. So verbinden sich in der Geschichte von Krupp die Geschicke einer berühmten Familie auf einzigartige Weise mit der Politik, Wirtschaft und Gesellschaft der letzten 200 Jahre.
Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, BG, CY, CZ, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, HR, H, IRL, I, LT, L, LR, M, NL, PL, P, R, S, SLO, SK ausgeliefert werden.
Strenges Regiment der Inhaber: Harold James untersucht die Rolle der Firma Krupp
Wie kaum ein anderes Unternehmen gilt Krupp bis heute als Ikone der deutschen Industrie, auch wenn die Meinungen von Zeitgenossen und Historikern über den Essener Konzern weit auseinandergehen: Für die einen war Krupp der Prototyp von ungeheurem Unternehmerfleiß, Erfindergeist und Wagemut, für die anderen das klassische Symbol von kapitalistischer Unternehmerwillkür und skrupellosem Gewinnstreben. Das zweihundertjährige Jubiläum der am 20. November 1811 gegründeten Firma ist insofern ein guter Anlass, die Entwicklung des Konzerns, die untrennbar mit den Höhen und Tiefen der deutschen Geschichte im 19. und 20. Jahrhundert verknüpft ist, in moderner und gut lesbarer Weise zu beschreiben.
Harold James meistert die keineswegs einfache Aufgabe überzeugend. Im Gegensatz zu vielen seiner Vorgänger, die durch Überzeichnung der Rolle Krupps als "Händler des Todes" einen Beitrag zur Erklärung des deutschen "Sonderwegs" leisten wollten, versucht er, ohne Scheu vor klaren Urteilen hartnäckige Legenden und historische Wahrheit voneinander zu trennen. Kennzeichen des Aufstiegs der Firma war der unerschrockene Glaube ihrer Inhaber an sich selbst und ihr Unternehmen: Ungeachtet mancher Rückschläge setzten Friedrich Krupp, der Firmengründer und seine Nachfahren auf ihre Produkte, ihre Fähigkeit zur Innovation und die Leistungsbereitschaft ihrer Beschäftigten, die sich ungeachtet des strengen Regiments der Inhaber bald stolz als "Kruppianer" fühlten. Das Ergebnis dieser gemeinsamen Leistungen war ein hochwertiger Stahl, der die Produktion nahtloser Eisenbahnradreifen - bis heute das Logo der Firma - ermöglichte. Nicht diese, sondern Kanonen, Panzerplatten und Kriegsschiffe galten jedoch lange Zeit als Symbole Kruppscher Qualität, Ursprung weltweiten unternehmerischen Erfolgs und Quelle ungeheuren Reichtums.
Doch das Geschäft mit Rüstungsmaterial war komplizierter, als es holzschnittartige Betrachtungen erscheinen lassen. Die Interessen Krupps, von Armee und Marine bildeten vielmehr schnell eine Symbiose, von der alle profitierten. Dies gilt auch für den anrüchigen Rüstungsexport, den die jeweiligen Regierungen aus vielerlei Gründen unterstützten. Die Sonderstellung Krupps im Rüstungsgeschäft rührte nicht zuletzt daher, dass neben dem Streben nach Gewinn der Wunsch der Firmeninhaber, dem eigenen Land zu dienen, ein Impetus war, der, wie James zu Recht betont, nicht unterschätzt werden sollte. Dass diese Loyalität bedeuten konnte, wie in der Zeit des Nationalsozialismus zumindest moralisch Schuld auf sich zu laden, steht außer Frage.
Doch James zeichnet nicht nur dieses schwierige Kapitel der Krupp-Geschichte überzeugend nach. Beeindruckend sind auch seine Ausführungen zur Rolle Krupps im Prozess der Globalisierung: Hatte bereits Friedrich Krupp davon geträumt, in Russland ein Werk zu bauen, knüpften seine Nachfolger Beziehungen in alle Welt. Neue Märkte wie Russland, China oder Ägypten enthielten ihrer Meinung nach ein unerschöpfliches Potential, das es zu nutzen galt. Die Grundüberzeugung, sich um "emerging markets" zu kümmern, ist bis heute ein Grundstein des Erfolgs. Doch der wäre undenkbar ohne die Bereitschaft der Inhaber, die Struktur der Firma den Erfordernissen der Zeit anzupassen und ein klassisches Familienunternehmen in eine komplexe Organisation weiterzuentwickeln. Dieser von James am Beispiel der Stahlkrise seit den 1960er-Jahren beschriebene Prozess implizierte auch, ungeachtet öffentlicher Proteste unprofitable Werke wie die AG Weser und das Stahlwerk in Rheinhausen zu schließen oder Konkurrenten wie Hoesch und Thyssen "feindlich" zu übernehmen.
Die Bereitschaft, den eigenen Konzern im Zeichen verschärften internationalen Wettbewerbs stetig zu modernisieren, die eigene Produktpalette zu diversifizieren und die "Öffnung zur Welt" - so die bezeichnende Überschrift des letzten Kapitels - weiter voranzutreiben, ist dafür verantwortlich, dass Krupp im Gegensatz zu vielen namhaften Konkurrenten wie der Gutehoffnungshütte, Vickers oder Skoda heute noch existiert. Diese nicht geringe Leistung ist in der Tat eine "Geschichte" wert.
MICHAEL EPKENHANS
Harold James: Krupp. Deutsche Legende und globales Unternehmen. Aus dem Englischen von Karl-Heinz Siber. Verlag C.H. Beck, München 2011. 344 S., 19,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH