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4 Kundenbewertungen

Als seine Freundin verunglückt und er in ein tiefes Loch zu stürzen droht, beschließt Edgar Bendler, nach Hiddensee zu fliehen - auf jene legendenumwobene Insel, die schon vielen Gestrandeten als Zuflucht diente. Er wird Abwäscher im Klausner, einer Kneipe hoch über dem Meer, und lernt Alexander Krusowitsch kennen - Kruso. Eine schwierige, zärtliche Freundschaft beginnt. Von Kruso, dem Meister und Inselpaten, wird Ed eingeweiht in die Rituale der Saisonarbeiter und die Gesetze ihrer Nächte. Nach und nach erschließen sich ihm die Geheimnisse der Insel und des Klausners. Als Ed schon glaubt,…mehr

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Produktbeschreibung
Als seine Freundin verunglückt und er in ein tiefes Loch zu stürzen droht, beschließt Edgar Bendler, nach Hiddensee zu fliehen - auf jene legendenumwobene Insel, die schon vielen Gestrandeten als Zuflucht diente. Er wird Abwäscher im Klausner, einer Kneipe hoch über dem Meer, und lernt Alexander Krusowitsch kennen - Kruso. Eine schwierige, zärtliche Freundschaft beginnt. Von Kruso, dem Meister und Inselpaten, wird Ed eingeweiht in die Rituale der Saisonarbeiter und die Gesetze ihrer Nächte. Nach und nach erschließen sich ihm die Geheimnisse der Insel und des Klausners. Als Ed schon glaubt, wieder einen Platz im Leben gefunden zu haben, erschüttert der Herbst 89 das fragile Gefüge der Inselbewohner. Am Ende steht ein Kampf auf Leben und Tod - und ein Versprechen. Inselabenteuer und Geschichte einer außergewöhnlichen Freundschaft - Lutz Seilers preisgekrönter Roman schlägt einen Bogen vom Sommer 89 bis in die Gegenwart. Die einzigartige Recherche, die diesem Buch zugrunde liegt, folgt den Spuren jener Menschen, die bei ihrer Flucht über die Ostsee verschollen sind, und führt uns dabei bis nach Kopenhagen, in die Katakomben der dänischen Staatspolizei.

Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, D, I ausgeliefert werden.

Autorenporträt
Lutz Seiler (geboren 1963) wuchs in Ostthüringen auf. Sein Heimatdorf Culmitzsch wurde 1968 für den Uranbergbau geschleift. In Gera schloss er eine Lehre als Baufacharbeiter ab und arbeitete als Zimmermann und Maurer. Während seiner Armeezeit begann er sich für Literatur zu interessieren und selbst zu schreiben. Bis Anfang 1990 studierte er Geschichte und Germanistik an der Martin-Luther-Universität in Halle (Saale). 1990 ging Seiler nach Berlin, wo er einige Jahre als Kellner arbeitete. Längere Auslandsaufenthalte in Rom, Los Angeles und Paris. Seit 1997 leitet er das literarische Programm im Peter-Huchel-Haus bei Potsdam. Seiler lebt als freier Schriftsteller mit seiner Frau in Wilhelmshorst und Stockholm. Von 1993 bis 1998 war Seiler Mitbegründer und Mitherausgeber der Literaturzeitschrift moosbrand. Er schrieb zunächst vor allem Gedichte (fünf Gedichtsammlungen sind erschienen) und Essays, später auch Erzählungen und Romane. Für die Erzählung Turksib wurde Seiler 2007 mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis ausgezeichnet. Für sein Romandebüt Kruso erhielt er 2014 den Deutschen Buchpreis. Der Roman wurde in 25 Sprachen übersetzt, mehrfach für das Theater adaptiert und von der UFA verfilmt. Sein zweiter Roman Stern 111 wurde 2020 mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet. Im August 2021 erschien der Gedichtband schrift für blinde riesen. 2023 wird Lutz Seiler mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Alexander Cammann ist von Lutz Seilers erstem Roman "Kruso" restlos begeistert und bekundet dem Autor den Schritt in die erste Reihe der zeitgenössischen deutschen Literaten, in die er als Dichter ohnehin schon gehörte, so der Rezensent. Der Debütroman erzählt die Geschichte von Edgar "Ed" Bendler, von Alexander "Kruso" Krusowitsch und vom Mythos Hiddensee, dem ehemals "freisten Fleck" der DDR, berichtet Cammann. Es geht um die Frage, wie Freiheit möglich ist und wie viel Führung, Verführung und Gefolgschaft sie verträgt, erklärt der Rezensent. Kruso sieht die Insel als ersten Schritt auf dem Weg zu seiner persönlichen Utopie, einer skurrilen "Männerherrschaftsidee": "Der Keim der wahren Freiheit, Ed, gedeiht in Unfreiheit", zitiert der Rezensent. Es ist das Jahr 1989 und nach und nach verlassen die Eingeschworenen die Insel, bis nur noch Ed und Kruso übrig sind und schließlich aneinander geraten, fasst der Rezensent zusammen, der Seiler noch viele Huldigungen prophezeit.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.11.2014

Der Evangelist von Hiddensee

Anmerkungen zu einem Bestseller: Warum ich Lutz Seilers "Kruso" anders lese als manche von seiner Sprachgischt benommenen Kritiker.

Von Wolfgang Hegewald

Auch wenn niemand sagen kann, wie ein Bestseller entsteht, so sind gewiss immer Zeitumstände daran beteiligt, die eine Rezeptionsempfänglichkeit begünstigen. Wenn in der Gesellschaft diffuse Ängste rumoren und grassieren, die Furcht vor Abstieg und Wohlstandsverlust umgeht, dann wird das Raunen der Utopie wieder lauter.

Sprache und Erzählen sind Erkenntnisinstrumente, die nicht nur durch die Weltdeutungsleistungen des Autors überraschen, sondern gelegentlich auch gespenstische Fehldeutungen offenlegen, auf der autorenabgewandten Seite des Textes gleichsam. Die Sieger der Rezeptionsgeschichte (Bestseller genannt) respektive ihre Autoren mögen die (vor-)herrschende Lesart in Beton gießen lassen; Erzählsystemen haftet allemal ein subversiver Eigensinn an. Der Wortlaut gilt und bringt es an den Tag. An robusten Bestsellern wie "Die Blechtrommel" von Günter Grass und "Der Vater eines Mörders" von Alfred Andersch, Büchern, die längst zum kanonischen Bestand antifaschistischer Nachkriegsliteratur gerechnet werden, hat Petra Morsbach durch präzise Lektüre solche Deutungsstörungen aufgezeigt ("Warum Fräulein Laura freundlich war - Über die Wahrheit des Erzählens", München 2006).

Der Roman "Kruso", so schallt es mir nun allenthalben und fast unisono entgegen, vergegenwärtige virtuos mit den Mitteln des magischen Realismus die historische Möglichkeitsform eines Lebens in und zugleich jenseits des Verhängnisses namens DDR. Während der Staat in seinen letzten Zügen lag, erprobte das verwegene Kollektiv der Saisonkräfte auf Hiddensee, der Insel des Freiheitsgerüchts, kontrafaktisch ein freiheitlich-utopisches Lebenskonzept. In phantastischer Sprachgischt leuchte diese Möglichkeit auf, die den inneren Ausreiseantrag nobilitiere.

Die Alternative, elitär und fast mythischen Ranges, aus der Sicht der Saisonkräfte: die Flucht übers Meer. Wer sie wählte, hat zuvor in die absolute Freiheit des Todes eingewilligt. Einige Kritiker scheinen, von der Lektüre benommen, in der Insel Hiddensee sogar eine Art Zonen-Macao zu vermuten, eine geistig-moralische Freihandelszone der DDR.

Ich lese, salopp gesagt, etwas anderes in "Kruso": Auf dem Eiland wiederholt sich das ganze Elend des kleinen verrotteten Landes als Farce und Satyrspiel. In der Tyrannei der Aussteiger spiegelt sich die Lebenswelt der DDR en miniature. Das "Moratorium des Alltags" (Odo Marquardt), das die eingeschworene Inselgemeinschaft zu praktizieren vorgibt, ist mit ebendiesem Alltag derart kontaminiert und von ihm korrumpiert, dass es sich selbst suspendiert.

Doch je weiter meine Lektüre von "Kruso" fortschritt, desto fragwürdiger kam es mir vor, dass mein Deutungsmuster der Intention von Autor oder Text entspreche. Von der Kritik ganz zu schweigen, die bald vor allem davon handelte, dass einem auch keine anderen Superlative zu "Kruso" einfielen als dem Kollegen von der Nachbarzeitung. Aber das kann man dem Roman nicht ankreiden.

"Kruso" ist ein Entwicklungs- und Initiationsroman. Ed Bendler, Germanistikstudent aus Halle, von Trakls Vers trunken und durch einen Verlust traumatisiert, bricht zu einer abenteuerlichen Reise nach Hiddensee auf. Dort erhält er, im letzten Sommer der DDR, eine prekäre Anstellung, eine provisorische Unterkunft, und er findet Blutsbrüder, allen voran Kruso. Und Ed fungiert als Erzähler. Kruso verkörpert in Personalunion den Inselschamanen, den gütigen Bonzen mit diktatorischen Allüren, einen verquasten Charismatiker vom Schlage Sascha Andersons, einen Freiheitsapostel und Weisheitslehrer (oft kaum mehr als ein Spruchbeutel voll pathetisch-trivialer Sentenzen à la "Nur Unfreiheit gebiert die wahre Freiheit") - und er wird für Ed zum existentiellen Faszinosum, mit einer homoerotischen Unterströmung.

Diese Konstellation stürzt mich, den Leser, in ein dramaturgisches Dilemma: Eds Erzählung will vor allem treues Vermächtnis sein, eine Art Evangelium nach Kruso, das weder hagiographische Arabesken noch liturgische Wiederholungen scheut. Das macht mir die Lektüre bald lang. Denn Kruso ist, trotz all seiner kapriziösen Volten, berechenbar wie sein Credo: Wir bleiben hier!

Diese bis in die Jetztzeit des Epilogs reichende Anhänglichkeit Eds an Kruso hat erzählerische Scheuklappeneffekte zur Folge und fermentiert den fast 500 Seiten dicken Roman mit einer Gläubigkeit, die mich befremdet. Zu den Konsequenzen dieser Erzählperspektive ist, so meine ich, auch die chronische Humorlosigkeit der über weite Passagen eindrucksvoll modulierten Prosa zu rechnen. Ein Sektierer wie Ed hat keinen Sinn für abgründige Komik, die ich in etlichen Szenen wittere.

Religiöse und parareligiöse Muster finden sich in "Kruso" allenthalben; das Ausflugslokal "Klausner", wo Ed wohnt und schuftet, erinnert nicht zufällig an eine Einsiedelei. Krusos raunende Freiheitsrhetorik, meist mit dunklem Guru-Tremolo vorgetragen und vom Jünger Ed enervierend variantenreich repetiert, ließ mich gelegentlich an ein Diktum von G. K. Chesterton denken, eines Autors von religiöser Hellhörigkeit: "Das innere Licht ist die trübste aller Beleuchtungsarten." Was es mit der Menschlichkeit in finsteren Zeiten für eine Bewandtnis hat, lässt sich bei Hannah Arendt nachlesen; sie wusste auch, dass die Menschlichkeit der Erniedrigten und Beleidigten die Stunde der Befreiung nie auch nur um eine Minute überlebt hat.

Eine grob skizzierte, exemplarische Andeutung nur zu der von mir behaupteten Parallelaktion zwischen DDR-Alltag und Kruso-Kommunitäts-Brauch: die "Vergabe". So heißt im Jargon der Sekte die zeremoniell verbrämte Übereignung von Schiffbrüchigen, also ohne Quartiergewissheit auf der Insel eintreffenden Frauen oder Männern, an Saisonkräfte, sexuelle Dienstleistungs- und informelle Auskunftsbereitschaft inbegriffen. Von Kruso als Strandweihespiel in absolutistischer Manier zelebriert. Ed staunt, genießt und macht sich Notizen. Man erinnert sich: Wohnraum war zwischen Rostock und Erfurt knapp, solange die DDR existierte. Wer bei der staatlichen Wohnungsverwaltung vorstellig wurde, sollte zumindest verheiratet sein. Staatlich reglementierter Sexualgewahrsam als Vorbedingung, ein halbwegs erträgliches Domizil zu ergattern.

Den von keinem vorhergesehenen Fall der Mauer erleben die in Gemeinschaftspathos und Inseltrotz Internierten (Helmuth Plessner, hilf!) als Weltverlust und narzisstische Kränkung. Hochartifizielle, den Kopf benebelnde Sprachgischt weht in diesen härter werdenden Zeiten von Hiddensee her. Wo der Lurch begraben ist, beginnt der alte Maulwurf wieder zu wühlen. Ist es Rückblick, ist es Vorschein: Das Gespenst der Utopie geht um.

Der Schriftsteller Wolfgang Hegewald, geboren 1952 in Dresden, verließ 1983 die DDR und ging in die Bundesrepublik. Zuletzt erschien sein Roman "Herz in Sicht" (Matthes & Seitz).

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»Lesen Sie diesen hochpoetischen Roman!« Ijoma Mangold ZEIT ONLINE 20140919