Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, BG, CY, CZ, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, HR, H, IRL, I, LT, L, LR, M, NL, PL, P, R, S, SLO, SK ausgeliefert werden.
Zwei tolle Bücher über KI und Neurowissenschaft
In der Künstlichen Intelligenz (KI) geht es gegenwärtig sehr konkret zu: Können KI-Systeme kluge Texte schreiben, Bilder erkennen, Videos erschaffen, Musik komponieren, von einer in viele andere Sprachen übersetzen, Krebs diagnostizieren, Wetter vorhersagen, Einkaufstipps geben, Partner vermitteln, Bewerber auswählen, Cyberangriffe abwehren oder Langeweile vertreiben? Mitarbeiter in Unternehmen aller Branchen und Größen überlegen, was der Fortschritt in dieser mächtigen Technologie für sie bedeutet - schon heute, in fünf oder in zehn Jahren. Es geht um unzählige kleinteilige Prozesse und einzelne Produkte.
Angesichts der beeindruckenden Leistungsfähigkeit großer Sprachmodelle wie GPT-4, Gemini oder Llama ist die Diskussion neu entbrannt, wie gefährlich all das ist. Ob darin gar so etwas wie Menschheitsrisiken schlummern. Oder ob zumindest zentrale Institutionen bedroht sind wie demokratische Wahlprozesse. Wirklich absehen lässt sich das derzeit kaum.
Die KI-Diskussion lenkt den Fokus auf jene Frage, die Forscher ursprünglich inspirierte und letztlich dazu führte, dass sich diese Disziplin als eigenständige Wissenschaft etablierte: Können Menschen Computer konstruieren, die dem Gehirn nahe- oder sogar gleichkommen? Die so vielseitig kompetent, anpassungsfähig und energieeffizient sind? Worin genau liegt eigentlich noch der Unterschied zwischen dem biologischen Denkapparat und den Rechnern?
Gleich zwei sehr lesenswerte Bücher widmen sich diesem Themenkomplex. Sie verbinden neue Erkenntnisse aus der KI und Neurowissenschaft - und dies in einer Sprache und auf einem Niveau, das sich ausdrücklich gerade auch an Nichtinformatiker richtet. Beide Autoren kommen aus der Hirnforschung, die schon früh auf KI-Methoden zurückgriff, um Hypothesen zu testen und beispielsweise herauszufinden, wie Nervenzellen und das Zusammenspiel derselben miteinander funktionieren.
Einer von ihnen ist der bekannte Neurowissenschaftler Manfred Spitzer, der schon mehrere, auf ein allgemeines Publikum zugeschnittene Sachbücher vorlegte. Unter dem Titel "Künstliche Intelligenz. Dem Menschen überlegen - wie KI uns rettet und bedroht" stellt er den Stand der KI-Technologie dar und analysiert mögliche Auswirkungen auf Geisteswissenschaften, Naturwissenschaften, Gesellschaft, Militär. In darauf hinführenden Kapiteln schildert er recht ausführlich, wie dem amerikanischen Unternehmen Open AI der Durchbruch mit dem populären Programm ChatGPT gelang, aber auch, wie weit die Tradition solcher Dialogsysteme schon zurückreicht - also die Idee, Software zu entwickeln, mit der Menschen eine nahezu beliebige Unterhaltung führen können. Und Spitzer geht noch weiter zurück. Er vollzieht die Erfindung des modernen Computers nach, erzählt von Konrad Zuse, John von Neumann, Leibniz, Descartes und antiken Automatenvorstellungen. Er erklärt auch, wie Menschen ihre Umgebung wahrnehmen, verarbeiten und weitergeben. Was sich alles ausdrückt, wenn jemand spricht - nein, das ist natürlich nicht "nur" der neutrale Inhalt entsprechender Wort- und Satzfolgen. Und wie sich durch informationstechnische Weiterentwicklungen immer auch die Vorstellung verändert, die der Mensch von sich selbst hat. Spitzer präsentiert viele Beispiele für den Einsatz und das Potential von KI. Und von Feldern wie etwa der Eindämmung des Klimawandels und seiner Folgen, auf denen KI nützlich sein könnte. Wer das Buch liest, kann fundiert mitreden in vielen Facetten der KI-Debatte.
Dasselbe gilt für den Band "Künstliche Intelligenz und Hirnforschung - Neuronale Netze, Deep Learning und die Zukunft der Kognition", den der Physiker, Neuro- und Kognitionswissenschaftler Patrick Krauss vorgelegt hat. Im Gegensatz zu Spitzers Buch ist es zunächst in zwei klar abgegrenzte Teile strukturiert, in denen Krauss in beide Disziplinen einführt, eben in Hirnforschung einerseits und KI andererseits. Er erläutert ausführlich und gut verständlich, wie das Gehirn aufgebaut ist, was Nervenzellen sind, wie sie Signale an andere Zellen weitergeben, was das Nervensystem ausmacht, welche Gehirnareale es gibt und was dort geschieht. Daran angrenzend erläutert er zentrale Begrifflichkeiten wie Bewusstsein, Gedächtnis, Sprache oder freier Wille, die wesentlich für unser Denkvermögen und unser Verständnis davon sind. Daran schließt sich ein Teil an, in dem er in KI einführt, in verschiedene KI-Methoden und verschiedene Typen von Lernalgorithmen. Wer sich vor allem dafür interessiert, kann mit diesem mehrere Kapitel umfassenden KI-Segment beginnen und das andere später lesen - oder umgekehrt. Nachdem Krauss, der an der Universität Erlangen und dem zugehörigen Klinikum forscht und lehrt, die Grundlagen vermittelt hat, verknüpft er beide Bereiche miteinander. Er zeigt, wie sie sich wechselseitig weiterbringen können, wie Erkenntnisse aus dem einen in den anderen Bereich einfließen werden.
Spitzer wie Krauss gelingt, ein hochspannendes und in seiner Bedeutung kaum zu unterschätzendes Gebiet gekonnt zu erschließen. Und sich und den Lesern zu vergewissern, was eine KI ausmacht - und was einen Menschen ausmacht. ALEXANDER ARMBRUSTER
Manfred Spitzer: Künstliche Intelligenz. Dem Menschen überlegen - wie KI uns rettet und bedroht. Droemer, München 2023, 336 Seiten, 24 Euro.
Patrick Krauss: Künstliche Intelligenz und Hirnforschung - Neuronale Netze, Deep Learning und die Zukunft der Kognition. Springer-Verlag, Berlin 2023, 308 Seiten, 23 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH