Künstliche Neuronale Netze (KNN) vermitteln einen Eindruck von den Funktionsprinzipien,
die menschlicher Informationsverarbeitung auf neuronaler Ebene zugrunde liegen. In dieser
Arbeit wird gefragt, inwieweit sich aus den Eigenschaften paralleler Informationsverarbeitung
Erklärungsmöglichkeiten für unterschiedliche sozialwissenschaftliche Fragestellungen
ableiten lassen.
Nach einer kurzen Erklärung der Funktionsweise und typischer Netzwerkarchitekturen unter
Berücksichtigung überwachter und unüberwachter Lernverfahren werden grundlegende
Eigenschaften Künstlicher Neuronaler Netze und deren Abhängigkeit von der Art der
Wissensrepräsentation erläutert. Daran anschließend werden systemtheoretische Kategorien
u.a. von Maturana und Luhmann eingeführt. Hierbei steht die Frage im Vordergrund, ob KNN
mittels dieser Kategorien beschreibbar sind und inwieweit KNN geeignet sind, reale Systeme
abzubilden.
Es folgt eine Analyse erkenntnistheoretischer Positionen, des ‚psychologischen
Induktionsproblemes' (Popper) sowie der Variation und Bewährung von Wissen unter
Bezugnahme auf die Wissensverarbeitung in KNN. Der Unterschied zwischen
selbstorganisierten Systemen in Form von KNN und trivialen ebenso wie nicht-trivialen
Maschinen sowie einfachen Regelkreisen wird nachfolgend diskutiert. Aus dem Vergleich
ergibt sich eine Definition des Begriffes Selbstorganisation, die überwachtes ebenso wie
unüberwachtes Lernen einschließt. Überträgt man diese Definition auf ökonomische (Teil-)
Systeme, so können diese entweder durch den Aspekt der Regelung oder durch den Aspekt
der Selbstorganisation beschrieben werden. Die Möglichkeit selbstorganisierter Veränderung
setzt ein gewisses Maß an Stabilität und Anpassungsfähigkeit der Beziehungen innerhalb des
Systems voraus.
Selbstorganisation, wie sie in KNN modelliert wird, stellt eine Möglichkeit dar, die
Entstehung endogener Ordnung in einer durch chaotische Beziehungen geprägten Umwelt zu
erklären.
Parallele Informationsverarbeitung legt in Bezug auf das ökonomische Verhaltensmodell eine
andere Art ‚begrenzter Rationalität' nahe, die nicht notwendigerweise als irrational zu
beschreiben ist. Die Bedeutung von Heuristiken in der Entscheidungsfindung kann bspw.
durch die verteilte Speicherung von Wissen als einem Element paralleler
Informationsverarbeitung erklärt werden. Eine Berücksichtigung dieser Form begrenzter
Rationalität im Rahmen ökonomischer Modellbildung ist insofern wünschenswert.
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