Die internationale Kunstliteratur hat sich in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts grundlegend gewandelt. Die Topoi der Kunstkritik, die Paradigmen der Kunsttheorie, die Hintergrundannahmen der Kunstgeschichtsschreibung weisen in diesem turbulenten Jahrzehnt gemeinsame Verschiebungen auf, die neue Theorien, Kunstbegriffe und Vokabulare hervorbrachten. Von diesen diskursiven Veränderungen innerhalb der Texte, die die Werke in den sechziger Jahren kommentierend begleiten, handelt die vorliegende Untersuchung. Ein leitender Aspekt ist die Wesensbestimmung der Kunst, die die analytische Ästhetik als Essentialismus bezeichnet. Essentialistische Kunsttheorien teilen die Auffassung, dass den Gegenständen, die unter den Begriff Kunst bzw. Kunstwerk fallen, bestimmte Eigenschaften gemein sind. Eben diese Auffassung gilt innerhalb der Kunstliteratur der sechziger Jahre als besonders problematisch. Das Ziel dieser Studie ist es, den Konflikt zwischen Essentialismus und Anti-Essentialismus in der Kunstliteratur dieser Zeit ausführlich zu ergründen. Gegenstand sind dabei nicht die Werke, sondern die einschlägigen Quellentexte, also die Kunstkommentare, vorwiegend aus Deutschland, Italien, Frankreich und den USA. Überraschendes Ergebnis der Untersuchung ist, dass die kunsttheoretischen Konzepte sich nur selten passgenau mit den zeitgenössisch postulierten Merkmalen der künstlerischen Phänomene und Praktiken zur Deckung bringen lassen. Kunstkommentare führen gegenüber den Werken ein Eigenleben, das in den sechziger Jahren die Konkurrenz um neue Normen besonders auffällig bestimmt.
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