"Selbst im Exil ist es nicht so schlimm zu leben wie allein im Vaterlande" - das schrieb Stefan Zweig in seinem Londoner Exil, und in diesem Satz ist die Spannung des Exils gut aufgehoben. Das, was der Exilant zurücklässt, muss so schlimm sein, dass ein Exil besser ist als dies - und doch bleibt das Zurückgelassene das Eigene. Im Exil zu sein, ist nicht einfach ein Ortswechsel, sondern eine Multiplikation von Orten im Exilanten selbst. Genau diese Orte und Knotenpunkte sucht dieses Kursbuch auf. Sibylle Anderl rät allen Erdlingen von künftigen Mars- oder Weltraumexilen ab. Armin Nassehi stellt die Frage, ob der Fisch überhaupt weiß, dass er im Wasser lebt und einen Begriff des Wassers haben kann. Christoph Markschies zeigt, wie das babylonische Exil der Juden bis heute den Horizont ihres Selbstverständnisses prägt. Georg Glasze und Henning Füller wiederum beschäftigen sich mit Konzepten von Privatstädten, gewissermaßen Wohnexilen auf dem Planeten, die gerade in Saudi-Arabien und andernorts entstehen. Ein besonderes inneres Exil thematisiert das Interview mit Katrin Nemec und Katharina Köster. Die beiden Dokumentarfilmerinnen haben mit ihrem Film "Jenseits von Schuld" Eltern eines Serienmörders begleitet, die sich behaupten müssen: als Eltern, die verkraften müssen, dass ihr eigenes Kind unfassbare Verbrechen begangen hat, und als Menschen, die von außen als exakt solche Eltern wahrgenommen werden. Jens Siegert beschäftigt sich mit einem abgelehnten Exil, nämlich mit dem Fall Alexej Nawalnys, der trotz aller Drohung und trotz Anschlägen auf sein Leben im Exil nach Russland zurückkehrte und in einem Lager zu Tode kam. Barbara Sheldon und Enno Aufderheide berichten von der Philipp Schwartz-Initiative der Alexander-von-Humboldt-Stiftung, die sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern im Exil annimmt und ihnen wissenschaftliche Arbeitsmöglichkeiten in Deutschland bietet. Ein Schwerpunkt dieses Kursbuchs sind literarische Arbeiten von acht Autorinnen und Autoren, die allesamt in Deutschland im Exil sind, weil sie in ihren Heimatländern verfolgt werden und keine Chance haben, frei und ohne Repression zu arbeiten. Es sind Behnaz Amani (Iran), María Teresa Montaño Degado (Mexiko), Pezhmann Golchin (Iran), Anisa Jafarimehr (Kurdistan/Iran), Collen Kajakoto (Simbabwe), Mubeen Khishany (Irak), Stella Nyanzi (Uganda) und Zimicier Vishniou (Belarus).
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