"Es begann mit heiligen Schwüren und endete mit düsteren Drohungen." So fasst Kurier-Herausgeber Helmut Brandstätter die 17 Monate der Regierung Kurz zusammen. Bundeskanzler Kurz und sein Vize Heinz-Christian Strache wollten zwei Legislaturperioden gemeinsam regieren. Und "nicht streiten". Dabei war von Anfang an klar, dass die FPÖ den Staat von Grund auf verändern und Kurz vor allem an der Macht sein wollte. Herbert Kickl wollte dabei unbedingt Innenminister werden, um aus der Republik Österreich einen autoritären Staat zu machen. Und Sebastian Kurz und seine ÖVP schauten so lange zu, bis sie sich selbst von Kickl bedroht fühlten. Umso erstaunlicher, dass Kurz offenbar nach der Nationalratswahl wieder mit der FPÖ regieren will. Für die neuerliche Macht würde er ignorieren, dass diese Partei mit ihrer Geschichte und vielen ihrer Funktionäre nicht in der Zweiten Republik angekommen ist. Dieses Buch erklärt, wie die FPÖ weiter einen autoritären Staat aufbauen will. Vor allem die Vorfälle rund um den Sturm auf das BVT werden so gezeigt, dass verständlich wird, worum es ging: um einen schleichenden Putsch. Im Ibiza-Video konnten es alle hören, ein Vorbild der FPÖ ist Viktor Orbán. Und sie wollte ein Land wie Ungarn formen, mit einer korrupten Führung ohne Respekt für die Bevölkerung und Medien, die Oligarchen gehören und "Zack-Zack-Zack" schreiben, was die Regierung befiehlt.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.09.2019Eine Hagiographie und ein Verriss
Wahlkampf zwischen Buchdeckeln - zwei Bücher über Sebastian Kurz
Es scheint sich eine Gesetzmäßigkeit zu etablieren, nach welcher rund um Wahlen in Österreich Bücher über Sebastian Kurz erscheinen. Und zwar im Doppelpack: eines, das den Chef der christdemokratischen ÖVP in einem ungünstigen, und eines, das ihn in einem günstigen Licht betrachtet. So war es 2017/18 mit den Kurz-Biographien von Barbara Tóth und Nina Horaczek einerseits und von Paul Ronzheimer andererseits. So ist es in diesem Sommer zwischen Ibiza und Neuwahl mit Helmut Brandstätters "Kurz & Kickl" und Judith Grohmanns "offizieller Biografie". Vier Bücher über einen Dreiunddreißigjährigen, das ist schon was. Messi und Ronaldo, ähnlich alt, haben jeder nur drei.
Das Offizielle an Grohmanns Buch besteht darin, dass Kurz, einige seiner engen Mitarbeiter und auch seine Eltern für Interviews zur Verfügung standen. Kurz hat auch, wie die Autorin auf Nachfrage bestätigt, den Text vorab zu lesen bekommen. Dem Gedanken, dass es sich um eine Auftragsarbeit handeln könnte, tritt sie in ihrem Nachwort entgegen: Sie sei es gewesen, die mit dem Vorschlag auf Kurz zugegangen sei. Dass sie dem Gegenstand ihrer Darstellung wohlgesonnen ist, daraus macht sie aber kein Hehl. In einer Einleitung schildert sie merkwürdig ungelenk eine erste, wortlose Begegnung mit Kurz, damals Außenminister, wie er versonnen ins Leere blickend von der Herbstsonne beschienen wird.
Wegen solcher Passagen in dem Buch, das jetzt gerade noch rechtzeitig vor der Wahl Ende September in den Handel kommt, ist seine Autorin bereits mit einer Flut an Hohn und Kritik bedacht worden. Ihre Distanzlosigkeit besonders auf den ersten Seiten lädt dazu ein. Doch wird man den Gedanken nicht los, dass die Kübel, die vor allem in der schicken Twitteria ausgegossen werden, eigentlich auf Kurz selbst zielen. So war es schon, als der ÖVP-Politiker auf einer Veranstaltung eines evangelikalen Predigers über den grünen Klee gelobt wurde. Als ob Sozialdemokraten auf Gewerkschaftskongressen oder Grüne vor Biobauern im Wahlkampf ausgebuht würden.
Über weite Strecken ist das Buch eine mit Fleiß zusammengetragene Chronologie des politischen Handelns von Kurz, gespeist aus dem Archiv sowie einer Reihe von Interviews mit (durchaus auch kritischen) Beobachtern, Begleitern und auch auswärtigen Staatsmännern. Wer wissen möchte, was Kurz auf der politischen Bühne als Staatssekretär, als Außenminister und als Bundeskanzler gesagt und getan hat, wird bei Grohmann fündig werden.
Im gleichen Maß, in dem das Pendel dort für Kurz ausschlägt, schwingt es bei Brandstätter gegen ihn. Der frühere Herausgeber der Tageszeitung "Kurier" scheint Kurz tief zu verachten, das trieft aus fast jeder Seite über ihn. Politiker wie Kurz hätten "nur wenige Überzeugungen, aber umso mehr Machtbewusstsein", schreibt Brandstätter. Sein bei der Jungen ÖVP erlerntes Politikverständnis beruhe auf "Organisation, Abhängigkeiten und natürlich auch Inszenierung" statt auf Bildung und Prinzipien.
Das Buch ist keine Biographie, sondern stellt die gut 500 Tage der "türkis-blauen" Regierung als, wie der Titel sagt, System "Kurz & Kickl" dar. Herbert Kickl war Innenminister im Kabinett Kurz und wird von Brandstätter als "Mastermind" dargestellt. Bezogen auf die FPÖ ist diese Darstellung verbreitet. Kickl war viele Jahre Generalsekretär der Partei, er lieferte einst schon Jörg Haider unappetitliche Parolen und zog nach Spaltung und Neuaufbau der FPÖ hinter dem Vorsitzenden Heinz-Christian Strache die Fäden. Im FPÖ-Teil der Regierung war es nicht von ungefähr Kickl, der das einflussreiche, aber auch komplizierte Innenministerium übernahm, während Strache sich zwar Vizekanzler nennen durfte, aber inhaltlich nur für Beamte und Sport zuständig war. Nach Brandstätters Interpretation war Kickl aber in der ganzen Regierung der maßgebliche Strippenzieher. Kurz war es demnach nur um Macht und Posten zu tun, inhaltlich war Brandstätters Kurz Wachs in Kickls Händen.
Nun ist Kurz zweifellos ein sehr machtbewusster Pragmatiker. Ihm aber Prinzipien und inhaltlichen Gestaltungswillen rundweg abzusprechen, ist schlicht Polemik. Das ist in einer Streitschrift wie dieser, die Brandstätter sich von der Seele geschrieben hat, ein Stilmittel. Es würzt, aber führt nicht sehr weit. Dabei hat der Autor durchaus Wissenswertes und so noch nicht Dargestelltes zu erzählen. Etwa über Kurz' Anwandlung, zusammen mit den Neos eine Bewegung à la Macron zu bilden, ehe er dann doch die ÖVP-Spitze übernahm und die Partei auf Türkis umfärbte. Brandstätter berichtet über subtilen bis hin zu angeblich "brutalen" Druck von Kurz' Mannen auf Medien; inwieweit da eine Wechselwirkung mit seiner eigenen Ablösung als Chefredakteur im Jahr 2018 besteht, bleibt dahingestellt. Wie die Regierung Kurz von der SPÖ-geführten Stadt Wien die Methode der "Inseratenkorruption" insbesondere von Boulevardmedien adaptierte, wird zu Recht angeklagt - auch wenn es der Autor offensichtlich aus Sorge vor einer Klage an den entscheidenden Stellen beim Raunen belässt, statt Klartext zu schreiben. Auch Brandstätter bedient sich reichlich aus dem Archiv, aber nur an seinen eigenen Leitartikeln. Nach Vorstellung seines Buches hat er sich den liberalen Neos angeschlossen und wurde auf die Liste für die Wahl gesetzt.
Was die Kurz-Bücher im Doppelpack betrifft, so zeigen sie jedenfalls eines: Der höfliche, immer noch junge Politiker polarisiert, und zwar mit der Zeit immer mehr.
STEPHAN LÖWENSTEIN
Judith Grohmann: Sebastian Kurz. Die offizielle Biografie. Finanzbuchverlag, München 2019. 250 S., 24,99 [Euro].
Helmut Brandstätter: Kurz & Kickl. Ihr Spiel mit Macht und Angst. Verlag Kremayr & Scheriau, Wien 2019. 206 S., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wahlkampf zwischen Buchdeckeln - zwei Bücher über Sebastian Kurz
Es scheint sich eine Gesetzmäßigkeit zu etablieren, nach welcher rund um Wahlen in Österreich Bücher über Sebastian Kurz erscheinen. Und zwar im Doppelpack: eines, das den Chef der christdemokratischen ÖVP in einem ungünstigen, und eines, das ihn in einem günstigen Licht betrachtet. So war es 2017/18 mit den Kurz-Biographien von Barbara Tóth und Nina Horaczek einerseits und von Paul Ronzheimer andererseits. So ist es in diesem Sommer zwischen Ibiza und Neuwahl mit Helmut Brandstätters "Kurz & Kickl" und Judith Grohmanns "offizieller Biografie". Vier Bücher über einen Dreiunddreißigjährigen, das ist schon was. Messi und Ronaldo, ähnlich alt, haben jeder nur drei.
Das Offizielle an Grohmanns Buch besteht darin, dass Kurz, einige seiner engen Mitarbeiter und auch seine Eltern für Interviews zur Verfügung standen. Kurz hat auch, wie die Autorin auf Nachfrage bestätigt, den Text vorab zu lesen bekommen. Dem Gedanken, dass es sich um eine Auftragsarbeit handeln könnte, tritt sie in ihrem Nachwort entgegen: Sie sei es gewesen, die mit dem Vorschlag auf Kurz zugegangen sei. Dass sie dem Gegenstand ihrer Darstellung wohlgesonnen ist, daraus macht sie aber kein Hehl. In einer Einleitung schildert sie merkwürdig ungelenk eine erste, wortlose Begegnung mit Kurz, damals Außenminister, wie er versonnen ins Leere blickend von der Herbstsonne beschienen wird.
Wegen solcher Passagen in dem Buch, das jetzt gerade noch rechtzeitig vor der Wahl Ende September in den Handel kommt, ist seine Autorin bereits mit einer Flut an Hohn und Kritik bedacht worden. Ihre Distanzlosigkeit besonders auf den ersten Seiten lädt dazu ein. Doch wird man den Gedanken nicht los, dass die Kübel, die vor allem in der schicken Twitteria ausgegossen werden, eigentlich auf Kurz selbst zielen. So war es schon, als der ÖVP-Politiker auf einer Veranstaltung eines evangelikalen Predigers über den grünen Klee gelobt wurde. Als ob Sozialdemokraten auf Gewerkschaftskongressen oder Grüne vor Biobauern im Wahlkampf ausgebuht würden.
Über weite Strecken ist das Buch eine mit Fleiß zusammengetragene Chronologie des politischen Handelns von Kurz, gespeist aus dem Archiv sowie einer Reihe von Interviews mit (durchaus auch kritischen) Beobachtern, Begleitern und auch auswärtigen Staatsmännern. Wer wissen möchte, was Kurz auf der politischen Bühne als Staatssekretär, als Außenminister und als Bundeskanzler gesagt und getan hat, wird bei Grohmann fündig werden.
Im gleichen Maß, in dem das Pendel dort für Kurz ausschlägt, schwingt es bei Brandstätter gegen ihn. Der frühere Herausgeber der Tageszeitung "Kurier" scheint Kurz tief zu verachten, das trieft aus fast jeder Seite über ihn. Politiker wie Kurz hätten "nur wenige Überzeugungen, aber umso mehr Machtbewusstsein", schreibt Brandstätter. Sein bei der Jungen ÖVP erlerntes Politikverständnis beruhe auf "Organisation, Abhängigkeiten und natürlich auch Inszenierung" statt auf Bildung und Prinzipien.
Das Buch ist keine Biographie, sondern stellt die gut 500 Tage der "türkis-blauen" Regierung als, wie der Titel sagt, System "Kurz & Kickl" dar. Herbert Kickl war Innenminister im Kabinett Kurz und wird von Brandstätter als "Mastermind" dargestellt. Bezogen auf die FPÖ ist diese Darstellung verbreitet. Kickl war viele Jahre Generalsekretär der Partei, er lieferte einst schon Jörg Haider unappetitliche Parolen und zog nach Spaltung und Neuaufbau der FPÖ hinter dem Vorsitzenden Heinz-Christian Strache die Fäden. Im FPÖ-Teil der Regierung war es nicht von ungefähr Kickl, der das einflussreiche, aber auch komplizierte Innenministerium übernahm, während Strache sich zwar Vizekanzler nennen durfte, aber inhaltlich nur für Beamte und Sport zuständig war. Nach Brandstätters Interpretation war Kickl aber in der ganzen Regierung der maßgebliche Strippenzieher. Kurz war es demnach nur um Macht und Posten zu tun, inhaltlich war Brandstätters Kurz Wachs in Kickls Händen.
Nun ist Kurz zweifellos ein sehr machtbewusster Pragmatiker. Ihm aber Prinzipien und inhaltlichen Gestaltungswillen rundweg abzusprechen, ist schlicht Polemik. Das ist in einer Streitschrift wie dieser, die Brandstätter sich von der Seele geschrieben hat, ein Stilmittel. Es würzt, aber führt nicht sehr weit. Dabei hat der Autor durchaus Wissenswertes und so noch nicht Dargestelltes zu erzählen. Etwa über Kurz' Anwandlung, zusammen mit den Neos eine Bewegung à la Macron zu bilden, ehe er dann doch die ÖVP-Spitze übernahm und die Partei auf Türkis umfärbte. Brandstätter berichtet über subtilen bis hin zu angeblich "brutalen" Druck von Kurz' Mannen auf Medien; inwieweit da eine Wechselwirkung mit seiner eigenen Ablösung als Chefredakteur im Jahr 2018 besteht, bleibt dahingestellt. Wie die Regierung Kurz von der SPÖ-geführten Stadt Wien die Methode der "Inseratenkorruption" insbesondere von Boulevardmedien adaptierte, wird zu Recht angeklagt - auch wenn es der Autor offensichtlich aus Sorge vor einer Klage an den entscheidenden Stellen beim Raunen belässt, statt Klartext zu schreiben. Auch Brandstätter bedient sich reichlich aus dem Archiv, aber nur an seinen eigenen Leitartikeln. Nach Vorstellung seines Buches hat er sich den liberalen Neos angeschlossen und wurde auf die Liste für die Wahl gesetzt.
Was die Kurz-Bücher im Doppelpack betrifft, so zeigen sie jedenfalls eines: Der höfliche, immer noch junge Politiker polarisiert, und zwar mit der Zeit immer mehr.
STEPHAN LÖWENSTEIN
Judith Grohmann: Sebastian Kurz. Die offizielle Biografie. Finanzbuchverlag, München 2019. 250 S., 24,99 [Euro].
Helmut Brandstätter: Kurz & Kickl. Ihr Spiel mit Macht und Angst. Verlag Kremayr & Scheriau, Wien 2019. 206 S., 22,- [Euro].
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