In einer kühlen Frühherbstnacht „zwischen zwölf und zwei“ beginnt Julia Francks Roman, der den Titel „Lagerfeuer“ trägt.
Erschienen im DuMont Verlag schildert er auf einfühlsame und genaue Weise die Lebensläufe vierer Menschen, die aus unterschiedlichsten Gründen im West- Notaufnahmelager
Marienfelde aufeinander treffen. Nelly Senff, deren Empfinden besonders stark geschildert wird, hält es nach…mehrIn einer kühlen Frühherbstnacht „zwischen zwölf und zwei“ beginnt Julia Francks Roman, der den Titel „Lagerfeuer“ trägt.
Erschienen im DuMont Verlag schildert er auf einfühlsame und genaue Weise die Lebensläufe vierer Menschen, die aus unterschiedlichsten Gründen im West- Notaufnahmelager Marienfelde aufeinander treffen. Nelly Senff, deren Empfinden besonders stark geschildert wird, hält es nach dem vermeintlichen Selbstmord ihres Freundes in der DDR nicht mehr aus, während Krystyna Jablonowska, eine polnische Cellistin, sich im Westen bessere Heilungschancen für den krebskranken Bruder erhofft.
Hans Pischke, ein aus dem Gefängnis freigekaufter DDR- Schauspieler sucht Arbeit und John Bird, ein Amerikaner, der mit seiner Frau Eunice in Berlin lebt, arbeitet für einen US- Geheimdienst.
Hoffnungen und Ängste der handelnden Personen, besonders die der Lagerbewohner sind auf engstem Raum miteinander verbunden und es gelingt Julia Franck, ohne Beschönigungen jedoch realistisch und feinfühlig die Charaktere aller Figuren zu umzeichnen. Die schlichte Art der Erzählung schafft ein klares Bild vom Leben in der Umgebung des Lagers.
Vor allem die, als Hauptperson fungierende, Figur der Nelly Senff wird am stärksten charakterisiert und dient auch als Verknüpfungsrolle mit den anderen Personen. Besonders deutlich wird die Zukunftsangst, die alle Lagerbewohner miteinander verbindet und immer wieder hervorbricht deutlich. Der Titel des Romans, der im ersten Moment die positiven Gefühle von Pfadfinderromantik, Freiheit und Gemütlichkeit ausstrahlt, bezieht sich jedoch auf das Feuer, welches am Ende des Romans bei einer Weihnachtsfeier im Notaufnahmelager ausbricht.
Der Roman endet offen und hat keine Nachgeschichte, keine Auflösung, wie es weitergehen könnte. Die manchmal komplizierten Perspektivsprünge Julia Francks verbinden sich im letzten Kapitel und vereinigen sich in dem der Nelly Senff. Vielleicht ist das aber gerade die Absicht der Autorin, einfach eine Reihe von Momentaufnahmen zu zeigen, die so passiert sein könnten, und den Leser dazu anregen sollen, selber über einen Schluss der Geschichten nachzudenken.
Julia Franck will mit ihrem Roman nicht belehren, auch stellt er keine Mahnung, Abrechnung mit politischen Zuständen oder Autobiographie dar, obwohl „Lagerfeuer“ sehr wohl solche Züge enthält (Julia Franck war auch Jüdin, lebte neun Monate im Notaufnahmelager Marienfelde).
Was man aus der Lektüre dieses, sehr zu empfehlenden Buches macht ist, und das ist ein großer Reiz daran, wohl die Sache jedes einzelnen Lesers. So wirkt nichts konstruiert oder übertrieben. Einfach ein ehrliches, aber trotzdem nüchtern gehaltenes Buch.
Genau dieser Schreibstil Julia Francks ist mir sehr positiv und zum geschilderten Geschehen passend aufgefallen.
Weiterzuempfehlen ist der Roman auf alle Fälle.