Leon lebt wie im Rausch, Rausch, sucht Entgrenzung in der Fremde und probt den Aufstand daheim. Bis er von weither zu spät zurückkommt, als seine Mutter stirbt. Selbstvorwürfe quälen ihn, Erinnerungen suchen ihn heim, verbittert zieht er sich zurück. Selbst Vio und Milena, die beiden ungleichen Freundinnen, können daran nichts ändern, und auch nicht, dass ihre gemeinsame Punkband vor einem Durchbruch steht. Als Leon erfährt, dass er Krebs hat, folgt er einer Einladung nach Venedig, wo ihn ein alter Freund in die Kunst der Meditation einführt. Doch die Reise, auf die Leon sich begibt, endet nicht dort, sondern geht weiter, quer durch Italien, bevor er schließlich auf der Vulkaninsel Stromboli landet. Unverhofft findet er sich in einer Welt wieder, in der die Liebe schamlos ist, die Gitarren wieder fiepen und dröhnen und eine Versöhnung mit dem Leben möglich scheint.Lauter ist voller Wut und Hoffnung. Lauter feiert das Leben in Versenkung und Ekstase. Lauter ist der Ruf nach mehr, immer noch mehr, und endlich nach Stille.
"Ein ganz wunderbares Buch." Johannes Schneider, Die Zeit über Triceraptos
Perlentaucher-Notiz zur Dlf-Rezension
Insgesamt gern erkundet Rezensent Cornelius Wüllenkemper mit Stephan Roiss' Roman das Innenleben eines österreichischen Punkmusikers. Der heißt Leon, hatte sich über die Jahre von seinen Eltern entfremdet und lange in Kuba gelebt. Als seine Mutter im Sterben liegt, wird er allerdings laut Rezensent mit den basalen Mechanismen der Existenz wie Familie und Leben konfrontiert - mit Dingen, die in einer rein individualistischen Weltsicht keinen Platz haben. Roiss, selbst als Musiker aktiv, schreibt so prägnant, wie Punksongs klingen, lobt Wüllenkemper, der allerdings auch anmerkt, dass sich gelegentlich etwas arg viel schwitziger Rockmusikpathos in das Buch schleicht. Auch ist ihm die Erzählung, in der es viel um Krankheit und familiäre Zerrüttungen, gerne jeweils in Dopplungen, geht, manchmal etwas zu konstruiert. Trotzdem ein schönes Buch über die Schwierigkeiten, mit den Herausforderungen des Lebens fertig zu werden, resümiert der Kritiker.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.06.2024Eine Ahnung vom Glück
Später Durchbruch: "Lauter" von Stephan Roiss
Leon, Musiker und Lebenskünstler, ist gerade noch auf Kuba, um das unbeschwerte Leben zu genießen, als die Realität ihn einholt. "Hätten nicht an diesem Tag tausende Menschen in der Innenstadt protestiert und das Taxi zu einem Umweg gezwungen", wäre er rechtzeitig gekommen. Doch jetzt sitzt er da und hält die "noch nicht kalte, doch schon zu kühle" Hand seiner Mutter. Sie "hätte nicht auf diese Weise sterben dürfen. Einsam."
Es beginnt eine Zeit voller Trauer, Wut und Schuldgefühle für Leon. Längst vergessene Konflikte und Zweifel aus der Jugendzeit, als er noch ein Rebell war, drängen wieder an die Oberfläche. Als dann noch die Schockdiagnose Hodenkrebs dazukommt, begibt sich Leon auf die Suche nach sich selbst. Abrupt verlässt er seine Heimatstadt und reist nach Venedig zu Anton, einem langjährigen Freund, der sich mittlerweile dem Buddhismus verschrieben hat.
Stephan Roiss, 1983 in Linz geboren und als freier Autor und Musiker tätig, war 2020 mit seinem Debütroman "Triceratops" für den Deutschen Buchpreis nominiert. Bereits darin beschrieb er innerfamiliäre Konflikte und deren Auswirkungen. Für seinen neuen Roman "Lauter" wählte er eine vergleichbare Sphäre: Leon ist früh von zu Hause abgehauen, um in einer besetzten Turnhalle zu leben, und hat sich ganz der Musik gewidmet: "Ich war vernarrt in die gebutterten und die spröden Wörter, in die gekämmten und die zottigen, verfiel der Poesie, den felsenfest gebauten, prall gefüllten Strophen." Immer noch versucht er, mit seiner mittlerweile dritten Punkband ("Grógraman") den großen Durchbruch zu erzielen. Seine Mutter litt an Demenz, der Vater hat die Familie verlassen, Leon verweigert jeglichen Kontakt zu ihm.
Roiss hat in einem Gespräch ausgeführt: "Als Autor versuche ich, präzise zu sein, und wäge letztlich jedes Wort ab." Das macht sich in "Lauter" bemerkbar. Roiss versteht es, akribisch und zugleich auf poetische Weise die Verlorenheit seiner Hauptfigur zu schildern: "Doch nicht das ungleich größere Gewicht des Leids war das Problem, sondern dass ich mir keine Geschichte erzählen konnte, in der das Leid aufgehoben wäre."
Obwohl das Romangeschehen einen deprimierenden Ausgangspunkt hat, ist die Handlung eine Hommage an das Leben. Leon tritt eine Reise durch Italien an: über Neapel nach Palermo bis hin zur Insel Stromboli, wo ein Musikevent in einer Grotte stattfindet. Nicht nur die italienische Kulisse ruft Assoziationen zu Thomas Mann hervor, sondern auch die Tatsache, dass sich ausgerechnet in Venedig eine homoerotische Szene entfaltet.
Erfrischend zwischen doch manchmal zu langen Hypotaxen ist die Direktheit und unverblümte Art der Figuren. So antwortet Leon auf die Frage nach seinem Wohlbefinden dem Vater, der unverhofft seine Wege kreuzt: "Jeden Tag anders. Das Leben lohnt sich nicht, aber es ist gut und schön." Zudem lässt sich immer wieder ein humoristischer Unterton zwischen den Zeilen vernehmen.
Stephan Roiss vermittelt mit "Lauter" ein außergewöhnliches Lebensgefühl, das sich klarer Kategorisierung entzieht. Der Roman gibt Antworten auf die vielschichtigen Fragen des Lebens, ohne sich ins Triviale zu verlieren. "Lauter" ist eine gegenüber der Fülle an ähnlichen Büchern erfrischend andersartige Erzählung über einen jungen Mann, der versucht, nach niederschmetternden Erlebnissen sich und den Lebenssinn wiederzufinden. ROSALYN KLEUTGENS
Stephan Roiss:
"Lauter". Roman.
Jung und Jung, Salzburg 2024. 240 S., geb., 23,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Später Durchbruch: "Lauter" von Stephan Roiss
Leon, Musiker und Lebenskünstler, ist gerade noch auf Kuba, um das unbeschwerte Leben zu genießen, als die Realität ihn einholt. "Hätten nicht an diesem Tag tausende Menschen in der Innenstadt protestiert und das Taxi zu einem Umweg gezwungen", wäre er rechtzeitig gekommen. Doch jetzt sitzt er da und hält die "noch nicht kalte, doch schon zu kühle" Hand seiner Mutter. Sie "hätte nicht auf diese Weise sterben dürfen. Einsam."
Es beginnt eine Zeit voller Trauer, Wut und Schuldgefühle für Leon. Längst vergessene Konflikte und Zweifel aus der Jugendzeit, als er noch ein Rebell war, drängen wieder an die Oberfläche. Als dann noch die Schockdiagnose Hodenkrebs dazukommt, begibt sich Leon auf die Suche nach sich selbst. Abrupt verlässt er seine Heimatstadt und reist nach Venedig zu Anton, einem langjährigen Freund, der sich mittlerweile dem Buddhismus verschrieben hat.
Stephan Roiss, 1983 in Linz geboren und als freier Autor und Musiker tätig, war 2020 mit seinem Debütroman "Triceratops" für den Deutschen Buchpreis nominiert. Bereits darin beschrieb er innerfamiliäre Konflikte und deren Auswirkungen. Für seinen neuen Roman "Lauter" wählte er eine vergleichbare Sphäre: Leon ist früh von zu Hause abgehauen, um in einer besetzten Turnhalle zu leben, und hat sich ganz der Musik gewidmet: "Ich war vernarrt in die gebutterten und die spröden Wörter, in die gekämmten und die zottigen, verfiel der Poesie, den felsenfest gebauten, prall gefüllten Strophen." Immer noch versucht er, mit seiner mittlerweile dritten Punkband ("Grógraman") den großen Durchbruch zu erzielen. Seine Mutter litt an Demenz, der Vater hat die Familie verlassen, Leon verweigert jeglichen Kontakt zu ihm.
Roiss hat in einem Gespräch ausgeführt: "Als Autor versuche ich, präzise zu sein, und wäge letztlich jedes Wort ab." Das macht sich in "Lauter" bemerkbar. Roiss versteht es, akribisch und zugleich auf poetische Weise die Verlorenheit seiner Hauptfigur zu schildern: "Doch nicht das ungleich größere Gewicht des Leids war das Problem, sondern dass ich mir keine Geschichte erzählen konnte, in der das Leid aufgehoben wäre."
Obwohl das Romangeschehen einen deprimierenden Ausgangspunkt hat, ist die Handlung eine Hommage an das Leben. Leon tritt eine Reise durch Italien an: über Neapel nach Palermo bis hin zur Insel Stromboli, wo ein Musikevent in einer Grotte stattfindet. Nicht nur die italienische Kulisse ruft Assoziationen zu Thomas Mann hervor, sondern auch die Tatsache, dass sich ausgerechnet in Venedig eine homoerotische Szene entfaltet.
Erfrischend zwischen doch manchmal zu langen Hypotaxen ist die Direktheit und unverblümte Art der Figuren. So antwortet Leon auf die Frage nach seinem Wohlbefinden dem Vater, der unverhofft seine Wege kreuzt: "Jeden Tag anders. Das Leben lohnt sich nicht, aber es ist gut und schön." Zudem lässt sich immer wieder ein humoristischer Unterton zwischen den Zeilen vernehmen.
Stephan Roiss vermittelt mit "Lauter" ein außergewöhnliches Lebensgefühl, das sich klarer Kategorisierung entzieht. Der Roman gibt Antworten auf die vielschichtigen Fragen des Lebens, ohne sich ins Triviale zu verlieren. "Lauter" ist eine gegenüber der Fülle an ähnlichen Büchern erfrischend andersartige Erzählung über einen jungen Mann, der versucht, nach niederschmetternden Erlebnissen sich und den Lebenssinn wiederzufinden. ROSALYN KLEUTGENS
Stephan Roiss:
"Lauter". Roman.
Jung und Jung, Salzburg 2024. 240 S., geb., 23,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main