Wissenschaftlicher Aufsatz aus dem Jahr 2005 im Fachbereich Philosophie - Praktische (Ethik, Ästhetik, Kultur, Natur, Recht, ...), , Sprache: Deutsch, Abstract: Die bahnbrechenden Entwicklungen der Biotechnologie, die Albert Schweitzer selbst in ihren seinerzeit erkennbaren Anfängen nicht zu Kenntnis nahm, hätten ihn in den Dimensionen, wie sie uns heute vor Augen stehen, kaum überrascht. Ganz im Gegenteil - sie wären für ihn nur zu folgerichtig aus dem allgemeinen wissenschaftlich-technischen Fortschritt, den er mit großer Sorge verfolgte, erwachsen. In seiner 1943/44 verfaßten Analyse der »geistigen und materiellen Situation der Zeit« bringt er diese Sorge klar zum Ausdruck. Aber zur übermenschlichen Vernünftigkeit, die erforderlich wäre, um diese Macht nur im rechten Sinne zu gebrauchen, haben wir uns nicht zu erheben vermocht«. Schärfer noch konstatiert er an anderer Stelle im Gegensatz zum ins Unermeßliche gesteigerten Wissen und Können eine »Verkümmerung« des modernen Menschen »in seinem eigentlichen Wesen«. Im Blick auf die biotechnologischen Entwicklungen tun sich hier zwei miteinander verschränkte Fragestellungen auf: Sind angesichts der Biotechnologie, die wie kaum eine andere wissenschaftlichtechnische Entwicklung der Moderne für unüberschreitbar gehaltene Grenzen und Maßstäbe durchbricht, auch im BereichethischerMaßstäbe ebensolche Grenzüberschreitungen vonnöten und möglich? Wenn dies der Fall ist, inwiefern könnte Schweitzers Denken einen zukunftsweisenden ethischen Maßstab bieten, der im begonnenen biotechnischen Zeitalter geeignet ist, eine »neue Vernünftigkeit« grundzulegen und den Menschen in sein »eigentliches Wesen« zu erheben? Diese beiden Fragestellungen möchte ich in vier aufeinander aufbauenden Betrachtungsschritten näher verfolgen: 1. Zunächst gilt es, sich die Handlungsmaximen des biotechnologischen Fortschrittsprojektes und dessen Grenzen zu vergegenwärtigen. 2. Ferner ist in diesem Betracht von Schweitzer her das zugrundliegende Verhältnis von Wissenschaft und Denken bzw. Ethik zu umreißen. Sodann möchte ich 3. Schweitzers Ethikprinzip in seinem Anspruch »denknotwendiger Vernünftigkeit« zu Kants »Nötigung der Vernunft« kritisch abgrenzen und schließlich 4. das hieraus resultierende konfliktethische Verantwortungskonzept Schweitzers auf seine Tragfähigkeit in biotechnologischen Problemzusammenhängen hin prüfen.
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