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Nennen Sie doch mal drei tagaktive Schmetterlinge. Kein Problem, oder? Zitronenfalter und Admiral, Kleiner und Großer Fuchs, Schwalbenschwanz und Kohlweißling. Man kommt schnell auf ein halbes Dutzend Arten. Jetzt die gleiche Aufgabe, aber mit Nachtfaltern. Sollte Ihnen keine einzige Spezies einfallen, stehen Sie Sophia Kimmig zufolge nicht allein da. Die Biologin beschäftigt sich in ihrem neuen Buch mit jenen Tieren, die den Tag verschlafen, um in der Dämmerung aktiv zu werden. Wir hätten, so hebt sie hervor, nur vage Vorstellungen vom Leben in der Nacht. Das gelte auch für Fachleute, schließlich sei die Datengrundlage bei etlichen Arten so spärlich, dass man sogar deren Gefährdungsstatus nicht zuverlässig einschätzen könne. Dabei ist eine Vielzahl von Tieren überwiegend nachtaktiv - und es werden mehr, gilt es doch, dem Menschen tagsüber auszuweichen.
Neben Bilchen, Eulen und Fledermäusen befasst sich Kimmig mit Waschbären, einigen Insekten und Tiefseefischen. Und sie tut dies voller Begeisterung und mit einem Hang zu Anthropomorphisierungen, etwa wenn sie sich die "verdutzten Gesichter von Ameisen" vorstellt, die Opfer eines Brutparasiten werden. Das Buch ist anekdotenreich und liest sich wie ein Best-of tierischer Kuriositäten. Zugleich kalauert die Autorin die instruktiven Passagen gerne in den Hintergrund (geht es um Tischmanieren, könnten sich Menschen bei den Küken der Schleiereule "eine Scheibe abschneiden"), oder sie unterbreitet Hinweise, die keinen Sinn ergeben, zum Beispiel wenn es über den Uhu heißt: "Obwohl seine scharfen Klauen gefürchtet sind, trägt er ein unauffälliges Tarnkleid." Dafür fordert Kimmig den Leser andauernd auf, bestimmte Tiere zu googeln, weil sie hübsch oder interessant aussehen. Eine heikle Empfehlung, denn am Ende bleibt man womöglich vorm Bildschirm kleben und legt das Buch zur Seite. KAI SPANKE
Sophia Kimmig: "Lebendige Nacht". Vom verborgenen Leben der Tiere.
Hanser Verlag, München 2023. 272 S., Abb., geb., 25,- Euro.
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