Als am 11. September 2001 das World Trade Center in New York durch einen Terrorakt zerstört wurde, brach mehr als ein Gebäude zusammen. Neben dem Verlust der vielen Toten war ein System erschüttert worden, die Weltordnung fand sich an einem Nullpunkt wieder. Es ist deshalb auch nicht verwunderlich, dass der Ort 'Ground zero' genannt wurde. Rasch wurde dort mit dem Wiederaufbau des nun neu benannten 'One World Trade Centers' begonnen. Der Versuch, die buchstäbliche Lücke zu schließen, war begleitet von der Suche nach Formen, das Unbegreifliche zu fassen und den Nullpunkt zu bearbeiten. So entstanden etwa Kreuze aus den Trümmern der Stahlträger und Riten, um die Katastrophe zu bewältigen. Die von Daniel Libeskind entworfene Gedenkstätte 'Reflecting Absence' ist ein solcher Versuch, den erlittenen Verlust im öffentlichen Raum und Bewusstsein präsent zu halten. Ein Vergleich der Terroranschläge des 11. Septembers mit der Krise der katholischen Kirche in Deutschland hat natürlich Grenzen: Denn so drastisch wie Nine eleven ist die Situation der Kirche am Nullpunkt nicht. Viele Menschen nehmen den Zusammenbruch der deutschen Kirche nur beiläufig wahr, für andere stürzen jedoch Teile ihrer Glaubenswelt ein. Seitdem das Ausmaß der Missbrauchsverbrechen immer ersichtlicher wird und die Polarisierung innerhalb kirchlicher Gruppierungen zunimmt, werden weitere Brüche und Erschütterungen deutlich. Aber es gibt auch Ungleichzeitigkeiten: Vieles geht weiter wie zuvor oder es wird versucht, die Krise zu verklären, Schaden zu begrenzen oder zu überdecken. Diese Ausgabe der Lebendigen Seelsorge beleuchtet verschiedene pastorale Bereiche in ihrer Positionierung zum Nullpunkt. Dabei werden Strategien und Muster deutlich, wie mit dem Nullpunkt umgegangen werden könnte. An dieser Reflexion haben Sie als Leserin und Leser teil und ergänzen die Perspektiven der Autorinnen und Autoren durch ihre eigenen. Natürlich geschieht dies fragmentarisch und es bleibt die Herausforderung, auch das Fehlende mitzudenken und die Abwesenheit zu reflektieren, wie es die Gedenkstätte 'Reflecting Absence' am Ground Zero tun will.