Als gebürtiger Schweriner kennt er den Osten, hat auch schon darüber geschrieben, aber jetzt sollte sich der Autor Gregor Sander mal im Westen umschauen. Denkt zumindest sein Kumpel Schlüppi und empfiehlt ihm Gelsenkirchen. Der Osten im Westen, die ehemalige Kohlestadt im Ruhrgebiet, die sämtliche
Negativ-Rankings anführt. Ärmste Stadt Deutschlands, höchste Arbeitslosigkeit, niedrigstes…mehrAls gebürtiger Schweriner kennt er den Osten, hat auch schon darüber geschrieben, aber jetzt sollte sich der Autor Gregor Sander mal im Westen umschauen. Denkt zumindest sein Kumpel Schlüppi und empfiehlt ihm Gelsenkirchen. Der Osten im Westen, die ehemalige Kohlestadt im Ruhrgebiet, die sämtliche Negativ-Rankings anführt. Ärmste Stadt Deutschlands, höchste Arbeitslosigkeit, niedrigstes Pro-Kopf-Einkommen. Wo die Touristenattraktionen aus Abraumhalden, alten Zechenhäusern und einer Lenin-Statue bestehen.
Unterkunft findet Sander bei Schlüppis Cousine Zonengabi (ihr erinnert euch an das Titanic Titelbild?), die mit ihrem Freund Ömer ein Bergmannshäuschen im Flöz Dickebank bewohnt, und noch immer mit Auftritten bei Vereinsfeiern etc. das Ossi-Klischee bedient, mit dem sie bekannt wurde, und davon offenbar mehr schlecht als recht leben kann. Ömer hat die Trinkhalle, das Büdchen, seines Vaters geerbt. Keine Goldgrube, aber man kommt über die Runden.
Allein oder mit diesen beiden, später auch mit Schlüppi, stromert er durch die Viertel, steht mit den arbeitslosen bergleuten Biere kippend am Tresen, versucht die Seele Gelsenkirchens jenseits von Buer (dem wohlhabenden Stadtteil) zu ergründen. Taucht ein in die Armut und Tristesse jenseits der Ruhrgebietsromantik, zeigt die Verwerfungen und Brüche auf, entdeckt aber auch die Heimatverbundenheit der Zurückgebliebenen. Nie voyeuristisch, nie überheblich, jederzeit mit dem gebotenen Respekt und Empathie. Herausgekommen ist dabei eine Sozialreportage über den Niedergang eines Ortes und die Auswirkungen auf dessen Bewohner, ein unsentimentaler Blick auf deren Leben. Aber gleichzeitig ermöglicht uns Sander auch Einblicke in die ostdeutsche Seele, nicht nur der Nach- sondern auch der Vorwendezeit.
„Lenin auf Schalke“ zeigt, es müssen nicht die Ozarks, West-Virginia oder Detroit sein. Wer sehen will, wie sich geschlossene Zechen und/oder das Abwandern der Industrie und damit der Wegfall von Arbeitsplätzen auf die Menschen auswirkt, denen damit die Lebensgrundlage entzogen wird, muss nur nach Gelsenkirchen schauen.