Wissenschaftlicher Aufsatz aus dem Jahr 2004 im Fachbereich Germanistik - Literaturgeschichte, Epochen, Note: 1,0, Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig (Seminar für deutsche Sprache und Literatur), Sprache: Deutsch, Abstract: Wie auch immer die vorhandene Sekundärliteratur aufgenommen wird, läuft die Beschäftigung mit Leopold von Sacher-Masoch heute letztlich auf eine Reduktion seines Schaffens und den ewig schlecht beleumundeten Nachruhm in der "Psychopathia sexualis" des Psychaters Richard Krafft-Ebing hinaus. Der Aspekt des Philo- wie Antisemitismus in seinen Judengeschichten, welcher in der vorliegenden Hausarbeit den eigentlichen Kern bildet, kann nicht als einzelne Ghettonovelle ohne den Hintergrund von Aufstieg und Niedergang des Autors erörtert werden, wobei aufgrund der immensen Nachwirkung bis in die heutige Zeit leichtfertig der Eindruck entstehen kann, „Sacher-Masoch sei ein 'Pornograph', der gewissermaßen nebenbei auch noch einige Ghettogeschichten veröffentlicht hatte“. (Svetlana Milojevic, 1998) Am Beispiel einer nicht ganz exemplarischen Novelle soll gezeigt werden, dass diese Auffassung gänzlich absurd ist und ohnehin dem Facettenreichtum Sacher-Masochs nur in einer Haltung von Neid und Niedertracht gerecht würde, obgleich beide Fragestellungen – die Rechtfertigung seiner Namensentwertung durch die Bezeichnung Masochismus und die Frage nach einem latenten Antisemitismus in der Figur des ‚Judenraphaels’ – auf den ersten Blick ohnehin keinen gemeinsamen Nenner im Gesamtwerk des Autors zu besitzen scheinen. Vornehmlich richtet sich zuerst der biographische Abriss neben dem Lebensweg des Autors auch auf die prägenden Aspekte seiner Herkunft, die einen Rückschluss auf die Haltung gegenüber anderen Bevölkerungsgruppen des Vielvölkerstaates der Habsburger k.u.k. Monarchie zulassen. Im Hauptteil wird die Novelle hinsichtlich ihrer Handlung und insbesondere der Symbole und Figurenkonstellation untersucht, woran sich abschließend unter Berücksichtigung eines weiteren Sammelbandes mit Erzählungen Sacher-Masochs die Frage anschließend, inwiefern die Hauptfigur in "Der Judenraphael" antisemitische Züge aufweist. Daraus wird in der Folge die politische Haltung des Autors nochmals einer Prüfung unterzogen, um zu belegen, dass gerade diese Novelle nicht repräsentativ für Sacher-Masochs eigene Weltauffassung ist oder sich nur durch einen Querschnitt mehrerer Protagonisten seine persönliche Haltung gegenüber gesellschaftspolitischen Problemen des 19. Jahrhunderts konstruieren ließe. (Johannes Temeschinko)