Que voit-on du monde et des gens quand on les voit du point de vue d'une caissière de grande surface ? Que sait-elle de nous en voyant ce que nous achetons, ce que nous disons, les questions que nous posons ? Le passage en caisse est en réalité un moment très particulier. À tort, nous pensons que tout est neutre dans cette opération et nous ne nous surveillons pas. La caissière est pour nous un regard aveugle, à la limite elle est elle-même une machine. Nous nous montrons donc comme nous sommes. Et lorsque la caissière s'appelle Anna Sam, qu'elle est titulaire d'une licence de lettres et qu'elle n'a pas les yeux dans la poche de sa blouse, elle saisit sur le vif nos petits mensonges, nos petites lâchetés, nos habitudes plus ou moins bizarres, et elle en fait un livre qui ne ressemble à aucun autre. L'AUTEUR Anna Sam a vingt-huit ans, elle est titulaire d'une licence de lettres modernes et a travaillé plusieurs années dans la grande distribution.
Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, BG, CY, CZ, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, HR, H, IRL, I, LT, L, LR, M, NL, PL, P, R, S, SLO, SK ausgeliefert werden.
Frankfurter Allgemeine ZeitungDie Kassiererin
Der Kunde ist König. Besser gesagt, er ist der Fluch einer jeden Kassiererin. Anna Sam schreibt stellvertretend für ihre stummen Kolleginnen - denn der "Servicemitarbeiter Kasse" ist eben doch meist weiblichen Geschlechts - vom Leiden am Arbeitsplatz Supermarktkasse. Als Kassiererin in einer großen französischen Filiale hatte die Autorin Gelegenheit, acht Jahre lang parallel zu ihrem Literaturstudium auch ein "Studium der menschlichen Dummheit" zu absolvieren. Der Inhalt des Buches ist skandalös. Während der deutsche Buchtitel vom Leid einer jungen Kassiererin spricht, benennt der französische treffend das Phänomen: Hier ist von der "tribulation", der Drangsal, die Rede, der man ausgesetzt wird, sobald man in einem Kittel hinter dem Fließband sitzt. Drei Minuten Pause pro Stunde, einen Gang zur Toilette muss man sich förmlich erbetteln. Stillhalten und freundlich sein wird erwartet, egal, wie unverschämt der Kunde auch sein mag. Als Kassiererin hat man jede Zumutung zu ertragen, ist zu einem gesellschaftlichen Neutrum degradiert. Anna Sam nimmt es mit viel Humor, aber überall schimmert durch: Die Kasse scheint so etwas wie ein rechtloser Raum inmitten der Gesellschaft zu sein, die Frau dahinter ein Wesen zweiter Klasse. Manche Supermarktketten gehen so weit, ihre Mitarbeiter an den Kassen konsequent zu bespitzeln, wie jüngst beim Discounter Lidl. Anna Sams Buch gibt viel zu denken. Der Sarkasmus der Autorin ist wohl der einzige Gestus, in dem ein solches Buch geschrieben werden kann. (Anna Sam: "Die Leiden einer jungen Kassiererin". Aus dem Französischen von Elisabeth Liebl. Riemann Verlag, München 2009. 176 S., br., 12,90 [Euro].) mith
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Kunde ist König. Besser gesagt, er ist der Fluch einer jeden Kassiererin. Anna Sam schreibt stellvertretend für ihre stummen Kolleginnen - denn der "Servicemitarbeiter Kasse" ist eben doch meist weiblichen Geschlechts - vom Leiden am Arbeitsplatz Supermarktkasse. Als Kassiererin in einer großen französischen Filiale hatte die Autorin Gelegenheit, acht Jahre lang parallel zu ihrem Literaturstudium auch ein "Studium der menschlichen Dummheit" zu absolvieren. Der Inhalt des Buches ist skandalös. Während der deutsche Buchtitel vom Leid einer jungen Kassiererin spricht, benennt der französische treffend das Phänomen: Hier ist von der "tribulation", der Drangsal, die Rede, der man ausgesetzt wird, sobald man in einem Kittel hinter dem Fließband sitzt. Drei Minuten Pause pro Stunde, einen Gang zur Toilette muss man sich förmlich erbetteln. Stillhalten und freundlich sein wird erwartet, egal, wie unverschämt der Kunde auch sein mag. Als Kassiererin hat man jede Zumutung zu ertragen, ist zu einem gesellschaftlichen Neutrum degradiert. Anna Sam nimmt es mit viel Humor, aber überall schimmert durch: Die Kasse scheint so etwas wie ein rechtloser Raum inmitten der Gesellschaft zu sein, die Frau dahinter ein Wesen zweiter Klasse. Manche Supermarktketten gehen so weit, ihre Mitarbeiter an den Kassen konsequent zu bespitzeln, wie jüngst beim Discounter Lidl. Anna Sams Buch gibt viel zu denken. Der Sarkasmus der Autorin ist wohl der einzige Gestus, in dem ein solches Buch geschrieben werden kann. (Anna Sam: "Die Leiden einer jungen Kassiererin". Aus dem Französischen von Elisabeth Liebl. Riemann Verlag, München 2009. 176 S., br., 12,90 [Euro].) mith
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main