Die Türkei ist ein Land der Extreme. Istanbuls Skyline protzt mit Wolkenkratzern, in den Kohleminen aber wird geschuftet wie im 19. Jahrhundert. Die Glitzerstadt am Bosporus ist das New York des Orients, doch seit mehr als einer Dekade hat ein islamisch-konservativer Politiker das Land fest im Griff: Recep Tayyip Erdog˘an. Er lässt Twitter sperren, wenn ihm die Türken zu aufmüpfig werden. Wer die Türkei verstehen will, sollte sich von Istanbuls Schönheit bezaubern lassen, vor der Naturzerstörung für einen zweiten Bosporus nicht die Augen verschließen und Kurdinnen zuhören, die ihre Toten betrauern. Christiane Schlötzer hat viele Jahre in Istanbul gelebt und das Land bereist. Sie erzählt von Widersprüchen, die die Türkische Republik fast hundert Jahre nach ihrer Gründung prägen.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.03.2016VON SZ-AUTOREN
Christiane Schlötzer
im Übermorgenland
Von wegen Orientromantik aus Tausend und einer Nacht: Die Mehrheit der 78 Millionen Türken lebt heute in Städten, und die entwickeln sich so rasant, als trügen Istanbuls Baubarone Siebenmeilenstiefel. Dabei nimmt der Fortschritt alla turca selten Rücksicht auf die Natur und das historische Erbe. Geprägt wird das Übermorgenland seit einer halben Generation von einem Mann und seiner Partei: von Recep Tayyip Erdoğan und der islamisch-konservativen AKP. Erdoğan fasziniert und polarisiert und verstört Freund und Feind. Christiane Schlötzer hat als Türkei-Korrespondentin der Süddeutschen Zeitung Menschen begleitet, die an ihrem Land verzweifeln – und es lieben. Sie hat junge Türkinnen getroffen, die bei den Gezi-Park-
Protesten in Istanbul, in einem kurzen Sommer der Freiheiten, ihre Angst verloren haben, und sie erzählt von den alten Traumata der Türkei, den getöteten Armeniern, den vertriebenen Griechen. Und von Opfern und Tätern, die sich näher sind, als sie dachten, in einer Reportage über die kurdische PKK. Aber sie zeigt auch, wie man in Istanbul lebt, der Stadt, die niemals ruht, in der schon ein Frühstück ein Festmahl sein kann, das man nicht mehr vergisst.
SZ
Christiane Schlötzer: Lesereise Türkei. Jenseits von Galata, im Übermorgenland. Picus Verlag, Wien 2016. 132 Seiten. 14,90 Euro. E-Book 9,99 Euro.
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Christiane Schlötzer
im Übermorgenland
Von wegen Orientromantik aus Tausend und einer Nacht: Die Mehrheit der 78 Millionen Türken lebt heute in Städten, und die entwickeln sich so rasant, als trügen Istanbuls Baubarone Siebenmeilenstiefel. Dabei nimmt der Fortschritt alla turca selten Rücksicht auf die Natur und das historische Erbe. Geprägt wird das Übermorgenland seit einer halben Generation von einem Mann und seiner Partei: von Recep Tayyip Erdoğan und der islamisch-konservativen AKP. Erdoğan fasziniert und polarisiert und verstört Freund und Feind. Christiane Schlötzer hat als Türkei-Korrespondentin der Süddeutschen Zeitung Menschen begleitet, die an ihrem Land verzweifeln – und es lieben. Sie hat junge Türkinnen getroffen, die bei den Gezi-Park-
Protesten in Istanbul, in einem kurzen Sommer der Freiheiten, ihre Angst verloren haben, und sie erzählt von den alten Traumata der Türkei, den getöteten Armeniern, den vertriebenen Griechen. Und von Opfern und Tätern, die sich näher sind, als sie dachten, in einer Reportage über die kurdische PKK. Aber sie zeigt auch, wie man in Istanbul lebt, der Stadt, die niemals ruht, in der schon ein Frühstück ein Festmahl sein kann, das man nicht mehr vergisst.
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Christiane Schlötzer: Lesereise Türkei. Jenseits von Galata, im Übermorgenland. Picus Verlag, Wien 2016. 132 Seiten. 14,90 Euro. E-Book 9,99 Euro.
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