Keiner versteht es so wie Roman Markin, Menschen einfach verschwinden zu lassen. Wer im Leningrad der 1930er-Jahre staatlich liquidiert wird, dessen Foto landet auf dem Tisch des Retuscheurs. Nicht ein einziges Bild soll bezeugen, dass diese Person je existiert hat. Doch eines Tages will Roman nicht dem Vergessen dienen, sondern sich erinnern: an seinen Bruder - und bringt sich damit in große Gefahr ... Anthony Marra erzählt von Menschen zu ganz unterschiedlichen Zeiten: von der Primaballerina, die im Gulag Schwanensee tanzen muss; von ihrer Enkelin Galina, die sich an das Einzige klammert, was ihr von ihrer Jugendliebe bleibt: ein Gemälde des idyllischen Ortes, an dem er starb; von Kolya und seinem Bruder, die sich in der Trostlosigkeit einer sibirischen Bergbaustadt an den einzigen Traum klammern, der ihnen bleibt: die Weite des Weltalls, im Ohr die Nussknacker-Suite. Wie kann man Menschen erinnern? Und woran sich halten, wenn alles verloren ist? Anthony Marra schreibt von dort, wo nichts geblieben ist außer Ruinen und Erinnerungen. Von dem, was uns auseinanderreißt, und dem Kitt, der uns alle zusammenhält - der Hoffnung auf Erlösung. Geschichten von berückender Schönheit, die zusammen so episch und ergreifend sind wie ein Roman.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Ulrich M. Schmid erkennt in Anthony Marras Prosamosaik, das er in der Tradition russischer Novellenzyklen verortet, in der fragmentierten Darstellungsweise, den unterschiedlichen Schauplätzen, Epochen und Schicksalen im Buch eine dem russischen Bewusstsein angemessene Form. Das Russland der Sowjetzeit und das jüngere Russland kennt der Autor gut, versichert Schmid. Die neun Erzählungen aus dem stalinistischen Leningrad, dem tschetschenischen Grosny oder dem nordrussischen Kirowsk verbinden sich vermittels der erzählerischen Kraft des Autors für den Rezensenten zu einem "anspruchsvollen Geflecht von Tragödie, Krieg und Verrat", das ohne Täter-Opfer-Schema auskommt. Für Schmid keine entspannende Lektüre, sondern ein unter die Haut gehendes Ereignis, das ihm das Überleben unter schwierigen politischen, ökonomischen und emotionalen Bedingungen vermittelt, ohne wohlfeile Moral, sondern mit Bewusstsein für die ethischen Dilemmata der Menschen und ihre tragischen Biografien im Russland des beginnenden 21. Jahrhunderts.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Marra verfügt über eine enorme Sprachgewalt, ein Gespür für Details, das sofort Bilder im Kopf in Gang setzt. Er formulilert zugleich brutal und poetisch sanft, scharfsinnig und geistreich.« Viola Schenz Süddeutsche Zeitung 20160617