Now available in eBook for the first time, Richard Yates's groundbreaking collection of short fiction.
The stories in Liars in Love are concerned with troubled relations and the elusive nature of truth. Whether it be in the depiction of the complications of divorced families, grown-up daughters, estranged sisters, office friendships or fleeting love affairs, the pieces in this collection showcase Richard Yates's extraordinary gift for observation and his understanding of human frailty.
In this collection, you'll discover some of the most influential and sharply observed short fiction of the 20th century, and find out why Richard Yates was a true American master.
The stories in Liars in Love are concerned with troubled relations and the elusive nature of truth. Whether it be in the depiction of the complications of divorced families, grown-up daughters, estranged sisters, office friendships or fleeting love affairs, the pieces in this collection showcase Richard Yates's extraordinary gift for observation and his understanding of human frailty.
In this collection, you'll discover some of the most influential and sharply observed short fiction of the 20th century, and find out why Richard Yates was a true American master.
Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in D ausgeliefert werden.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.11.2007Wenn die Gangschaltung bebt
Die vollkommene Form des Unglücks: Richard Yates’ Erzählband „Verliebte Lügner” verhängt ein metaphysisches Verdikt über die MenschenVon Kai Wiegandt
Die Verlogenheit des amerikanischen Traums haben zahlreiche Schriftsteller entlarvt, aber wer von ihnen mit ruhigerem, schärferem Blick als Richard Yates, der kaum Beachtung gefunden hatte, als er 1992 in Kalifornien starb? Seine Short Storys „Verliebte Lügner”, die jetzt nach den Romanen „Zeit des Aufruhrs” und „Easter Parade” und dem Erzählband „Elf Arten der Einsamkeit” auf Deutsch erscheinen, sind konsequent um den Preis der Schmerzhaftigkeit. Opfer der Ideologie sind in ihnen nicht in erster Linie diejenigen, die es geschafft zu haben meinen und abstürzen, sondern Leute, die mit dem Schicksal und Geldsorgen kämpfen und dabei die Illusion aufrecht erhalten, dass sie es schaffen können.
Überlebensgroße Träume tragen sie als Ansprüche vor sich her, und um die Selbsttäuschungen aufrecht zu erhalten, nutzen sie andere aus und lassen sie fallen, sobald sie nicht mehr dienlich sind oder mit Entlarvung drohen. Unfähig sind sie vor allem zur Konsequenz. Der amerikanische Fulbright-Stipendiat Warren Matthews, gerade von seiner Frau und seinem Kind bis auf weiteres verlassen, kann sich in London nicht von der jungen Prostituierten Christine Phillips trennen, mit der er ein Verhältnis eingegangen ist. Zu schmeichelhaft ist die Vorstellung, dass eine junge Hure ihn als Liebhaber schätzt.
Dass dem nicht so ist, daran lässt Christine Philipps eigentlich keinen Zweifel, Matthews will es nur nicht glauben, und im Übrigen kann und will er – auch darin ist er Yates‘ anderen Männern ähnlich – seine Gedanken und Gefühle nicht äußern. So werden die beiden „Verliebte Lügner”. Während die junge Frau Matthews zwanghaft Lügengeschichten erzählt, die ihre gegenwärtige Lage erklären sollen, belügt er sie ein ums andere mal mit dem Satz, dass er sie liebe, bis seine Frau ihn nach Amerika zurückpfeift und er die „dumme kleine Londoner Straßennutte” abserviert.
Diejenigen von Yates‘ Figuren, die sich zur Konsequenz aufraffen, dürfen hoffen, der moralischen Verkommenheit und dem Selbstbetrug zu entgehen, nicht aber dem materiellen Elend.
Die Journalistin Elizabeth Baker, Sympathisantin der Kommunisten, lässt sich in „Probelauf” von ihrer labilen Freundin Lucy Towers zum Zusammenziehen überreden. Lucy führt an, so könnten sie beide Geld sparen, doch in Wahrheit ist sie bloß einsam. Sie hat eine Tochter und einen Sohn, Elizabeth eine Tochter, um die sie sich nicht kümmert. Wie die Frauen, halten es auch die Kinder nicht miteinander aus. Das Muttersöhnchen Russell hat der resoluten Nancy gerade stolz erzählt, wie er sich gegen die Beleidigungen eines Jungen zur Wehr gesetzt hat, als Nancy ihm zu verstehen gibt, dass sie es war, die ihn dem Jungen gegenüber ursprünglich als Memme bezeichnet hat. Unmerklich wechselt Yates zwischen den Perspektiven der Figuren, zieht den Leser in ihr Denken und Handeln unmittelbar hinein, und so fällt die Erkenntnis, dass es für sie kein gemeinsames Glück geben kann, um so erschütternder aus.
Nancys Mutter zieht schließlich aus, muss aber, um sich freizukaufen, ihr letztes Geld geben. Stumm rasen Elizabeth und Nancy im Auto davon. Dann „zog Elizabeth den Handschuh von ihrer rechten Hand. Sie langte hinüber zu den Oberschenkeln ihrer Tochter und zog sie zu sich herüber, vorsichtig, damit ihre kleinen Knie nicht gegen die bebende Gangschaltung stießen. Sie drückte die Oberschenkel des Kindes eine Weile fest gegen ihre”. Elizabeths Zärtlichkeit und Hilflosigkeit, die Widrigkeit der Umstände sind in dieser Geste enthalten, die beispielhaft ist für Yates‘ Genauigkeit, die ohne viele Worte auskommt.
Auch die Parallelkonstruktion von Eltern- und Kindergeschichte ist typisch. Yates siedelt seine Geschichten in der Zeit zwischen den dreißiger und den sechziger Jahren an, aber die Familienverhältnisse, die in allen Geschichten wichtig sind, werden Leser mit heutigen Schlagzeilen über verwahrloste Kinder und Familienkatastrophen assoziieren. Glückliche Familien gibt es bei Yates kaum, alleinerziehende Mütter, absterbende und geschiedene Ehen sind die Regel. Die Gerüche und der Schmutz, die psychischen und finanziellen Kosten des gemeinsamen Wohnens auf knappem Raum sind Motive, in denen Yates‘ materialistischer Blick auf die menschlichen Beziehungen seinen drastischsten Ausdruck findet.
Und doch kristallisiert sich in der Zusammenschau der Geschichten etwas wie ein metaphysisches Verdikt über die Menschen heraus. Immer wieder schildert Yates Situationen, aus denen nur Verlierer hervorgehen; ganz selten, wie am Schluss der am deutlichsten an Fitzgerald erinnernden Erzählung „Abschied von Sally”, scheint Hoffnung auf.
Die Ökonomie der amerikanischen Short Story kann man in „Verliebte Lügner” auf jeder Seite studieren (Raymond Carver und Richard Ford haben es nach eigener Aussage getan). Bündige, informationsgeladene Anfangssätze ziehen in die Geschichten hinein. Yates platziert Rückblenden und Sprünge so, dass der Leser die Geschichte aus immer neuen Perspektiven wahrnimmt, kein beiläufig fallengelassenes Wort bleibt ohne Folge für die Wahrnehmung des Ganzen. Das ist vielleicht das Beeindruckendste an diesen Short Storys: Das Unglück, von dem sie handeln, ist in vollkommener Form aufgehoben.
Richard Yates
Verliebte Lügner
Short Storys. Aus dem Amerikanischen von Anette Grube. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2007. 316 Seiten, 19,95 Euro.
„Sie drückte die Oberschenkel des Kindes eine Weile fest gegen ihre”
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
Die vollkommene Form des Unglücks: Richard Yates’ Erzählband „Verliebte Lügner” verhängt ein metaphysisches Verdikt über die MenschenVon Kai Wiegandt
Die Verlogenheit des amerikanischen Traums haben zahlreiche Schriftsteller entlarvt, aber wer von ihnen mit ruhigerem, schärferem Blick als Richard Yates, der kaum Beachtung gefunden hatte, als er 1992 in Kalifornien starb? Seine Short Storys „Verliebte Lügner”, die jetzt nach den Romanen „Zeit des Aufruhrs” und „Easter Parade” und dem Erzählband „Elf Arten der Einsamkeit” auf Deutsch erscheinen, sind konsequent um den Preis der Schmerzhaftigkeit. Opfer der Ideologie sind in ihnen nicht in erster Linie diejenigen, die es geschafft zu haben meinen und abstürzen, sondern Leute, die mit dem Schicksal und Geldsorgen kämpfen und dabei die Illusion aufrecht erhalten, dass sie es schaffen können.
Überlebensgroße Träume tragen sie als Ansprüche vor sich her, und um die Selbsttäuschungen aufrecht zu erhalten, nutzen sie andere aus und lassen sie fallen, sobald sie nicht mehr dienlich sind oder mit Entlarvung drohen. Unfähig sind sie vor allem zur Konsequenz. Der amerikanische Fulbright-Stipendiat Warren Matthews, gerade von seiner Frau und seinem Kind bis auf weiteres verlassen, kann sich in London nicht von der jungen Prostituierten Christine Phillips trennen, mit der er ein Verhältnis eingegangen ist. Zu schmeichelhaft ist die Vorstellung, dass eine junge Hure ihn als Liebhaber schätzt.
Dass dem nicht so ist, daran lässt Christine Philipps eigentlich keinen Zweifel, Matthews will es nur nicht glauben, und im Übrigen kann und will er – auch darin ist er Yates‘ anderen Männern ähnlich – seine Gedanken und Gefühle nicht äußern. So werden die beiden „Verliebte Lügner”. Während die junge Frau Matthews zwanghaft Lügengeschichten erzählt, die ihre gegenwärtige Lage erklären sollen, belügt er sie ein ums andere mal mit dem Satz, dass er sie liebe, bis seine Frau ihn nach Amerika zurückpfeift und er die „dumme kleine Londoner Straßennutte” abserviert.
Diejenigen von Yates‘ Figuren, die sich zur Konsequenz aufraffen, dürfen hoffen, der moralischen Verkommenheit und dem Selbstbetrug zu entgehen, nicht aber dem materiellen Elend.
Die Journalistin Elizabeth Baker, Sympathisantin der Kommunisten, lässt sich in „Probelauf” von ihrer labilen Freundin Lucy Towers zum Zusammenziehen überreden. Lucy führt an, so könnten sie beide Geld sparen, doch in Wahrheit ist sie bloß einsam. Sie hat eine Tochter und einen Sohn, Elizabeth eine Tochter, um die sie sich nicht kümmert. Wie die Frauen, halten es auch die Kinder nicht miteinander aus. Das Muttersöhnchen Russell hat der resoluten Nancy gerade stolz erzählt, wie er sich gegen die Beleidigungen eines Jungen zur Wehr gesetzt hat, als Nancy ihm zu verstehen gibt, dass sie es war, die ihn dem Jungen gegenüber ursprünglich als Memme bezeichnet hat. Unmerklich wechselt Yates zwischen den Perspektiven der Figuren, zieht den Leser in ihr Denken und Handeln unmittelbar hinein, und so fällt die Erkenntnis, dass es für sie kein gemeinsames Glück geben kann, um so erschütternder aus.
Nancys Mutter zieht schließlich aus, muss aber, um sich freizukaufen, ihr letztes Geld geben. Stumm rasen Elizabeth und Nancy im Auto davon. Dann „zog Elizabeth den Handschuh von ihrer rechten Hand. Sie langte hinüber zu den Oberschenkeln ihrer Tochter und zog sie zu sich herüber, vorsichtig, damit ihre kleinen Knie nicht gegen die bebende Gangschaltung stießen. Sie drückte die Oberschenkel des Kindes eine Weile fest gegen ihre”. Elizabeths Zärtlichkeit und Hilflosigkeit, die Widrigkeit der Umstände sind in dieser Geste enthalten, die beispielhaft ist für Yates‘ Genauigkeit, die ohne viele Worte auskommt.
Auch die Parallelkonstruktion von Eltern- und Kindergeschichte ist typisch. Yates siedelt seine Geschichten in der Zeit zwischen den dreißiger und den sechziger Jahren an, aber die Familienverhältnisse, die in allen Geschichten wichtig sind, werden Leser mit heutigen Schlagzeilen über verwahrloste Kinder und Familienkatastrophen assoziieren. Glückliche Familien gibt es bei Yates kaum, alleinerziehende Mütter, absterbende und geschiedene Ehen sind die Regel. Die Gerüche und der Schmutz, die psychischen und finanziellen Kosten des gemeinsamen Wohnens auf knappem Raum sind Motive, in denen Yates‘ materialistischer Blick auf die menschlichen Beziehungen seinen drastischsten Ausdruck findet.
Und doch kristallisiert sich in der Zusammenschau der Geschichten etwas wie ein metaphysisches Verdikt über die Menschen heraus. Immer wieder schildert Yates Situationen, aus denen nur Verlierer hervorgehen; ganz selten, wie am Schluss der am deutlichsten an Fitzgerald erinnernden Erzählung „Abschied von Sally”, scheint Hoffnung auf.
Die Ökonomie der amerikanischen Short Story kann man in „Verliebte Lügner” auf jeder Seite studieren (Raymond Carver und Richard Ford haben es nach eigener Aussage getan). Bündige, informationsgeladene Anfangssätze ziehen in die Geschichten hinein. Yates platziert Rückblenden und Sprünge so, dass der Leser die Geschichte aus immer neuen Perspektiven wahrnimmt, kein beiläufig fallengelassenes Wort bleibt ohne Folge für die Wahrnehmung des Ganzen. Das ist vielleicht das Beeindruckendste an diesen Short Storys: Das Unglück, von dem sie handeln, ist in vollkommener Form aufgehoben.
Richard Yates
Verliebte Lügner
Short Storys. Aus dem Amerikanischen von Anette Grube. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2007. 316 Seiten, 19,95 Euro.
„Sie drückte die Oberschenkel des Kindes eine Weile fest gegen ihre”
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
Richard Yates is a writer of commanding gifts: an astonishing skill and robust intelligence. His prose is urbane yet sensitive, with passion and irony held deftly in balance. Saturday Review