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Ein Comedian nimmt sich ein ernstes Thema vor
Der Kabarettist Vince Ebert verharmlost angesichts der Gefahren des Klimawandels und der Energiekrise nichts, dennoch liefert er mit seinem neuen Buch "Lichtblick statt Blackout" ein Gegengewicht zur Radikalität und Weltuntergangsrhetorik der Klimabewegung. Ein besonderer Reiz beim Lesen entsteht dadurch, dass der Autor als studierter Physiker und Comedian sein auf der Bühne erprobtes Handwerkszeug einsetzt, indem er Erkenntnisse aus Naturwissenschaft und Technik mit Humor kombiniert. Dieses Rezept funktioniert vor Publikum ebenso wie in Buchform. Seine Argumente serviert Ebert mit allerhand Pointen, was die schwere Kost leicht verdaulich macht, ohne ihr den geistigen Nährwert zu nehmen. So konterkariert er etwa den in Deutschland populären Allmachtsanspruch, das Erdklima gradgenau kontrollieren zu wollen, mit der ebenso deutschen Überforderung beim Bau des Berliner Flughafens. Ebert argumentiert, dass Probleme nicht durch große Utopien gelöst werden, sondern durch kleine Verbesserungen im Detail: "Die Sumerer erfanden das Rad, die Babylonier die Metallverarbeitung und der Baden-Württemberger den Bausparvertrag. Ohne Erfindung der Glühbirne müssten wir heute noch bei Kerzenlicht Netflix schauen." Ein zum Argument passender Gag fehlt selten.
Es ist Eberts zweites Buch, nachdem er im Corona-Jahr 2020 humorvoll, aber gleichzeitig informativ über seine Abenteuer als Stand-up-Comedian in New York berichtet hatte. In "Broadway statt Jakobsweg" konterte er schon im Titel den populären Wunsch nach Entschleunigung und einem Ausstieg aus dem Trubel der Marktwirtschaft. Anders als der Comedy-Star Hape Kerkeling ging Ebert nicht auf Pilgerreise, sondern begab sich in die wohl aufregendste Stadt des Universums, wo ihn keiner kannte und er beruflich bei null anfangen musste. Wohl auch deshalb sind witzige Alltagsbeispiele und Pointen in seinem ersten Buch sogar noch dichter gesät als in der aktuellen Veröffentlichung, in der es um zwei sehr ernste Dinge geht: den Klimawandel und die Gefahr eines flächendeckenden Stromausfalls wegen falscher energiepolitischer Weichenstellungen.
Der Autor ist übrigens überzeugt, dass es den Klimawandel gibt, und dass dieser vom Menschen verursacht ist. Damit teilt er ausdrücklich die Auffassung der Klimaaktivisten. Anders als diese empfiehlt er aber, dass wir uns an die Folgen des Klimawandels anpassen sollten, statt vergeblich zu versuchen, ihn zu verhindern. Ebert rechnet vor, dass Deutschlands Stromnetz in einer windstillen Nacht schon nach 40 Minuten ausfallen würde, wenn es sich allein auf Windkraft und Sonnenenergie verließe. Denn die wenigen Stromspeicher wären nach dieser kurzen Zeit leer. "Es würde Tage, wenn nicht Wochen dauern, bis unser gesamtes elektrisches System wieder anlaufen würde", warnt er. Statt einseitig auf vermeintlich grüne Energie zu setzen, rät Ebert, auch für andere Technologien offen zu bleiben. Freies Denken und der menschliche Erfindergeist hätten die Welt zu einem viel lebenswerteren Ort gemacht, als sie es noch zur Zeit seiner Großeltern war. So haben sich Bildung, Gesundheit, Lebenserwartung und Wohlstand rasant verbessert, was Ebert akribisch mit Daten belegt. Mit diesen Lichtblicken macht er Hoffnung in düsteren Zeiten.
Die Widersprüche der einseitigen Energiewende sind leicht nachvollziehbar, doch warum lassen viele sich davon nicht überzeugen? Laut Ebert liegt das auch daran, dass Naturwissenschaften und Technik im deutschen Bildungsbürgertum eher verpönt seien. So schrieb der 2004 verstorbene Literaturwissenschaftler Dietrich Schwanitz in seinem Bestseller "Bildung - Alles, was man wissen muss", dass naturwissenschaftliche Kenntnisse nicht zur Bildung gehörten, weil sie wenig zum Verständnis der Kultur beitrügen. Daher kritisiert Ebert, dass Menschen über unsere technologische und wissenschaftliche Zukunft entscheiden, "die Becquerel für einen französischen Landwein halten und glauben, ein Lichtjahr ist die Stromrechnung für zwölf Monate".
Einseitig sei die Energiedebatte auch, weil es für viele Menschen zu viel Stress bedeute, sich gegen eine etablierte Meinung zu stellen. Wie schnell sich viele nur durch Gruppendruck auf einen Irrweg drängen lassen, habe schon ein Experiment in den 1950er-Jahren gezeigt. Demnach antworteten die Probanden bewusst falsch auf einfachste Testfragen, sobald Strohleute falsche Antworten vorgaben. "Offenbar ist der Drang nach Konformität bei uns Menschen so stark ausgeprägt, dass wir unter bestimmten Bedingungen tatsächlich glauben, dass eine blaue Wand grün ist oder dass zwei plus zwei fünf ergibt", schließt Ebert daraus. Mit moderner Technik ist das Sozialexperiment aus den 1950er-Jahren sogar weiter entwickelt worden. So wurden mit Magnetresonanztomografie die Gehirne von Menschen mit besonders starken politischen Einstellungen durchleuchtet. Dabei zeigte sich, dass die für bewusstes Denken verantwortlichen Hirnbereiche inaktiv wurden, sobald die Testpersonen mit unangenehmen Details ihrer Überzeugungen konfrontiert wurden. Eine solche Form der Selbsttäuschung könnte laut Ebert vielleicht der Grund dafür sein, dass viele Intellektuelle die Widersprüche der Energiewende ignorieren und als haltlos bezeichnen. "Denken Sie selbst, sonst tun es andere für Sie", rät er daher seinen Lesern. MARK FEHR
Vince Ebert: Lichtblick statt Blackout, dtv; München 2022, 216 Seiten, 15 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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