Das Debut von Claudia Schumacher hat mir direkt auf jeder Seite das Herz gebrochen und ich habs geliebt. Liebe ist gewaltig ist so eine echte, tragische Geschichte, die sich genau so überall um uns rum abspielt.
Juli und ihre Geschwister wachsen unter der Tyrannei ihres Vater auf. Sie selbst
bezeichnet ihn als ‚sadistischen Narzissten‘, was gar nicht so abwegig scheint. Leistung ist für den…mehrDas Debut von Claudia Schumacher hat mir direkt auf jeder Seite das Herz gebrochen und ich habs geliebt. Liebe ist gewaltig ist so eine echte, tragische Geschichte, die sich genau so überall um uns rum abspielt.
Juli und ihre Geschwister wachsen unter der Tyrannei ihres Vater auf. Sie selbst bezeichnet ihn als ‚sadistischen Narzissten‘, was gar nicht so abwegig scheint. Leistung ist für den angesehenen Rechtsanwalt alles was zählt, sie wird auch regelmäßig mit Gewalt eingefordert. Julis Mutter, ebenfalls Rechtsanwältin, übt sich im Aushalten und im Verschleiern. Die Flecken auf dem Wohnzimmerteppich? Nicht das Blut ihres Bruders Bruno, sondern Julis eigene Kotze. Eigene Erinnerungen werden in Frage gestellt, bis Juli selbst irgendwann nicht mehr sicher ist, was passiert ist. Dennoch scheint sie die einzige zu sein, die wirklich aus dieser Familie fliehen will. Aufmerksamkeit erzeugt das Treiben Zuhause natürlich nicht. Erfolgreiche Eltern, erfolgreiche Kinder, da muss doch alles gut sein.
Juli schafft es dem Haus zu entfliehen, doch die Erinnerungen trägt sie in sich. Es folgen toxische Beziehungen und eine innere Unruhe, die sie über Jahrzehnte begleitet. Sich von ihren Eltern zu lösen ist auch noch keine richtige Option und so begleiten wir sie etwas weiter auf dem Weg nach unten. Bis sie Heilung irgendwann doch in Betracht zieht und sich von ihren Mustern löst.
„Aber was sind das für Fragen? Haben wir dir nicht immer alles gegeben? Ja, bravo: Dresche und Streuselkuchen.“
Ich war selten so sprachlos nach dem Lesen eines Buches. Was Claudia Schumacher hier geschrieben hat, ist einfach beeindruckend. Sie hat eine besondere Beobachtungsgabe und schafft es, vermeintliche Kleinigkeiten einzufangen, die die ganze Geschichte realistisch machen. Der Vater ist so gut ausgearbeitet. Ich hatte noch nie so einen Hass auf eine fiktive Figur. Dafür ist mir Juli umso sympathischer. Ihre Handlungen sind nicht immer klug, oft reitet sie sich noch mehr in die Scheiße, aber hat sie es denn je anders gelernt? Ihr Schmerz ist auf jeder Seite greifbar und dafür muss sie nicht mal weinen. Je sturer sie wurde, desto mehr wollte ich sie beschützen.
„Eine wie ich müsste vom vielen Einstecken längst Elefantenhaut haben. Aber es ist gerade andersherum: Puste mich an und ich plärre los oder spucke Feuer.“
Ich habe zum Lesen verhältnismäßig lange gebraucht, was an dem wundervollen Schreibstil der Autorin lag. So viele Sätze hab ich mehrfach gelesen, weil sie mit wenigen Worten so viel ausgesagt haben. Claudia Schumacher schafft es, Dinge an den richtigen Stellen wunderbar poetisch auszuführen, und im nächsten Moment knallhart und brutal die Realität zu benennen.
„Doch auf meine Gefühle ist kein Verlass. Sie sind mir fremd, befallen mich. Sie flackern.“
Das Buch wird nicht nur von seiner Traurigkeit getragen. Auch, wenn es immer wieder erdrückend und schmerzhaft ist, hat es viele lustige Momente, die aufatmen lassen, ohne die Ernsthaftigkeit zu nehmen. Ein wunderbar intensives Buch, das sich kaum aus der Hand legen lässt. Von mir gibts auf jeden Fall eine große Empfehlung, aber nicht ohne Triggerwarnung.