Als die zwölfjährige Sascha von ihren Eltern zum Großvater gefahren wird, ahnt sie noch nicht, dass sie dort ihre Heimat finden wird. Fernab vom sexuellen Missbrauch des Vaters und der lieb- und freudlosen Mutter lernt Sascha mit Charlie nicht nur eine Freundin kennen, sondern darf sich mit Rosa
sogar erstmals in ihrem Leben einen Hund zulegen - eine folgenreiche Entscheidung, die den Zusammenhalt…mehrAls die zwölfjährige Sascha von ihren Eltern zum Großvater gefahren wird, ahnt sie noch nicht, dass sie dort ihre Heimat finden wird. Fernab vom sexuellen Missbrauch des Vaters und der lieb- und freudlosen Mutter lernt Sascha mit Charlie nicht nur eine Freundin kennen, sondern darf sich mit Rosa sogar erstmals in ihrem Leben einen Hund zulegen - eine folgenreiche Entscheidung, die den Zusammenhalt ihrer neuen Familie auf die Probe stellt...
"Liebe/Liebe" ist der Debütroman Marlen Pelnys, die bislang - so verrät es der Klappentext - vor allem für ihre Lyrik bekannt war. Und so lassen sich diese lyrischen Wurzeln auch nicht verhehlen. "Liebe/Liebe" ist trotz der Traurigkeit und Härte, die über weite Strecken den Roman dominieren, sehr poetisch geworden. "Der Zug rollte im selben Moment los wie meine Tränen", heißt es gleich im emotional so wuchtigen ersten Satz, später wird die Fahrt der Familie von einem Schatten begleitet, der "wie eine Regenwolke über unserem Auto schwebte." Es ist gerade die Sprache, die den Roman zu einer Besonderheit in der umfangreichen Coming-of-Age-Literatur macht. Denn Pelny, die sich ganz auf die Emotionen und Sicht ihrer jungen Heldin Sascha einlässt, gelingt es mit dieser Poesie, zu berühren und gleichzeitig aufzurütteln.
Es ist keine leichte Kost, die die Leser:innen von "Liebe/Liebe" erwartet, nicht umsonst enhält das Buch eine Triggerwarnung. Sexueller Kindesmissbrauch, Selbstverletzung - Marlen Pelny schont weder ihre Figuren noch die Leserschaft. Dennoch gelingt es ihr auch immer wieder, Momente der Zärtlichkeit in den Text einfließen zu lassen. Saschas Großvater, ihre Hündin Rosa und insbesondere die zarte Queerness, die der Roman im Verhältnis zwischen Sascha und Charlie entwickelt, sind nicht nur für die Protagonistin Balsam.
Während ich die Sprache Pelnys sehr genoss, konnte ich der Figurenentwicklung nicht immer folgen. So wird der Großvater vom Saulus zum Paulus, wobei ich nur erahnen konnte, wie es zu dieser 360-Grad-Drehung kam. Die Jugendjahre Saschas wurden mir zu schnell abgehandelt, da gerade die Pubertät des Mädchens sicherlich für weitere intensive Momente und auch für mehr Verständnis für die Figur gesorgt hätte. Zwischen Sascha und Charlie werden über Jahre Dinge verschwiegen, obwohl dieses Verhältnis ansonsten von großem Vertrauen geprägt ist. Und selbst Hündin Rosa entwickelt Charakterzüge, die ich unter keinen Umständen von ihr erwartet hatte...
Kleinere Wermutstropfen eines ansonsten intensiven und lesenswerten Romans, der es trotz aller Brutalität und Härte schafft, Hoffnung und Empathie zu erzeugen - für Sascha und Charlie, aber auch für alle anderen Kinder und Jugendliche, die sich in ähnlichen Situationen befinden. Unbequem, mutig und zärtlich!