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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH
Peter R. Neumann sondiert rechtsextreme Ideen und Bewegungen.
Rechtsextremismus kennt viele Erscheinungsformen. Das Spektrum reicht von den Reichsbürgern über die Identitären bis hin zu QAnon-Anhängern. Der Politikwissenschaftler Peter R. Neumann sondiert und ordnet in seinem Buch rechtsextreme Strömungen in Westeuropa und Nordamerika. Der Autor legt seinen Fokus dabei weniger auf bestimmte politische Anführer, Bewegungen oder Parteien als vielmehr auf die politische Ideengeschichte des Rechtsextremismus.
Trotz einer größer werdenden Vielfalt würden alle Formen des Rechtsextremismus, diese These zieht sich durch das gesamte Buch, auf derselben "Logik der Angst" beruhen, wie sie der Titel anführt. Diese Angst repräsentiere "den emotionalen Kitt, der Radikalisierer und Radikalisierte miteinander verbindet". Es sei eine Angst vor dem Verlust der eigenen Identität oder vor gesellschaftlichem Wandel, die von rechtsextremen Gruppierungen in Hass umgewandelt würde.
Der erste Teil des Buches beleuchtet die intellektuellen Wurzeln und Kernbestandteile rechten Denkens. Neumann macht dabei zunächst einen tiefsitzenden Pessimismus aus, der für die rechte Weltsicht charakteristisch sei. Fortschritt sei aus ihrer Sicht zwar möglich, aber niemals von Dauer. Diese Weltsicht, die Neumann weit zurückverfolgt, präge ihr Handeln und ihre politischen Ziele. Ein weiterer wichtiger Aspekt sei die Sehnsucht nach Ordnung, die sich als Reaktion auf die Herausforderungen der liberalen Moderne, vor allem seit der Französischen Revolution, entwickelt habe. Dabei gehe es nicht nur um "ein relativ harmloses Verlangen nach Stabilität und das Bedürfnis, gewachsene Institutionen oder gesellschaftliche Normen in Zeiten enormer Veränderung zu bewahren", sondern auch um eine "teils radikale Zurückweisung neuer Gleichheitsansprüche im Namen einer vermeintlich 'natürlichen' Ordnung oder Hierarchie". Für Neumann spielt auch Identität eine zentrale Rolle im rechten Denken. Sie werde oft mit angeborenen oder schwer veränderbaren Eigenschaften wie Herkunft oder Kultur begründet.
Im zweiten Teil des Buches widmet sich Neumann den Denklogiken und Handlungsstrategien, die aus den intellektuellen Wurzeln erwachsen. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang Neumanns Unterscheidung zwischen verschiedenen Varianten des Rechtsextremismus, die er grob in "Flucht" und "Kampf" unterteilt. Die Flucht als eine Form des Widerstandes könne dabei den Rückzug aufs Land bedeuten, aber genauso die "Emigration" ins Innere, wie sie von den sogenannten Reichsbürgern praktiziert wird.
Auf der anderen Seite würden viele Rechtsextremisten aber auch "die aktive Auseinandersetzung mit der liberalen Moderne" suchen. Neumann zeigt, dass sich der rechtsextreme Widerstand dabei nicht nur auf eine einzige Arena oder Methode beschränkt. Er manifestiere sich im Parlament, auf der Straße, im Internet und im Untergrund.
Beachtenswert ist Neumanns kritische Betrachtung von rechten Parteien an der Macht. Anhand verschiedener Beispiele von rechtspopulistischen und -extremistischen Parteien zeigt er, dass sie in Machtpositionen bisher nur wenige ihrer Politikversprechen umsetzen konnten. An ihrer Macht zur Polarisierung der Gesellschaft und zur Destabilisierung politischer Systeme würde das aber nichts ändern.
Abschließend widmet sich Neumann einigen Handlungsempfehlungen zur Bekämpfung von Rechtsextremismus, darunter die Verhinderung von Mobilisierungsver-suchen von Extremisten und Maßnahmen zur Verringerung der Attraktionskraft rechtsextremer Ideologien. An dieser Stelle hätte man sich noch konkretere Handlungsanweisungen gewünscht. Doch dieses Manko verblasst vor dem Hintergrund der sorgfältigen und konzis vorgetragenen Analyse, die das Buch bietet. In einer Zeit, in der die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit rechtsextremen Bewegungen und Ideologien geboten ist, gewährt Neumann tiefe Einblicke in diese Welt. LAURA GABLER
Peter R. Neumann: "Logik der Angst". Die rechtsextreme Gefahr und ihre Wurzeln.
Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2023.
208 S., geb., 22,- Euro.
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