Die Wahrheit war Lola Montez nicht wichtig. Sie lebte im Hier und Jetzt, passte ihr Leben den augenblicklichen Umständen an, erfand sich immer wieder neu auf der Bühne ihres Lebens. Dazu erschuf sie sich jeweils die passende Vita: So wurde aus dem wilden Kind in Indien die spanische Tänzerin, aus dem spanisch-adeligen Spross die veritable Gräfin Landsfeld. Einmal war sie die Favoritin König Ludwigs I., dann wiederum die berühmte Künstlerin. Dreimal rettete sich Lola Montez in den vermeintlich sicheren Ehehafen, um nur wenig später eine Selbstständigkeit an den Tag zu legen, die damals nur den "Blaustrümpfen" der Frauenemanzipation zu eigen war. Die gebürtige Irin besaß ein zügelloses Temperament: Einigen galt sie daher als aggressive Egozentrikerin, anderen als charmante Exzentrikerin. Weitgereist und weltberühmt starb sie schließlich 1861 in New York.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Was für eine Frau, schwärmt Rezensent Rudolf Neumaier nach der Lektüre der neuen "Lola-Montez"-Biografie von Marita A. Panzer. Ganz verzückt folgt er der berühmt-berüchtigten Bühnenkünstlerin, "Bettkanten-Karrieristin" mit unzähligen Liebschaften, Lebensberaterin, Emanzipations-Vorreiterin und nicht zuletzt Mätresse Ludwig I., den sie nicht nur zum liebestollen Fußfetischisten, sondern auch zum Kaspar der Nation degradierte: "Das Volk, es schäumte, schämte und erhob sich", berichtet Neumaier, der hier viel Intimes, auch bereits Bekanntes, aber vorbildlich Recherchiertes liest. Lesenswert, meint der Kritiker, der allerdings auch weiß, dass sich Montez an missgünstigen Journalisten gern mal mit der Peitsche rächte.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.07.2014Königin der Klatschspalten
Eine neue Biografie porträtiert die berühmte Mätresse Lola Montez als geborene Selbstdarstellerin
In den Tagebüchern des wunderbaren Sprachforschers und Literaten Johann Andreas Schmeller weht am 28. Februar 1847 ein „grimmig kalter Wind, der mit Staubwolken auf den nackten Straßen und Plätzen sein Spiel treibt“. München ist ungemütlich. Und ähnlich wie ums Wetter ist es um die Stimmung der Münchner bestellt. „Manchem“, schreibt Schmeller, „wird so trostlos zu Muthe, daß er denken darf: Lola Montez finis Bavariae.“ Die Konkubine von König Ludwig I. – Bayerns Untergang? Das Volk, es schäumte, schämte und erhob sich, und es sollte fast 150 Jahre dauern, bis sich die Bayern wieder ähnlich vehement gegen ein Staatsoberhaupt stemmten, dann aber nicht wegen eines Gschpusis, sondern unter der Parole „Stoppt Strauß“ gegen eine atomare Wiederaufbereitungsanlage.
Lola Montez, geboren 1821 als Eliza Rosanna Gilbert im irischen Grange, ist so etwas wie ein Super-GAU für das ehrwürdige Wittelsbacher-Geschlecht – und eine Ausnahmeerscheinung unter den Mätressen der Weltgeschichte. Eine solche Figur verträgt es, dass sie alle paar Jahre künstlerisch verarbeitet wird – im Film wie einst von Max Ophüls oder als Titelheldin eines Buches. Eine neue Lola-Biografie legt nun die Historikerin Marita A. Panzer vor. Der Untertitel „Ein Leben als Bühne“ macht klar, was die Autorin vermitteln will: Lola, die ewige Selbstdarstellerin.
Das Königreich Bayern hat durch diese Frau weltweit Berühmtheit erlangt im 19. Jahrhundert. Noch in Australien und Nordamerika tippten die Menschen feixend mit dem Finger auf jenen kleinen mitteleuropäischen Tupfer auf ihrem Globus, der von einem liebestollen König regiert worden war, ehe er im März 1848 abdankte. Die Montez tourte nach ihren Münchner Jahren als Bühnenkünstlerin durch die Welt, unter anderem mit dem Theaterstück „Lola Montez in Bavaria“. Der Text des Werks ist verschollen, aber man kann sich denken, wie sie ihre Affäre und die Umstände präsentierte: als Romanze zweier Turteltauben, die dem tumben Mob der Bayern trotzten.
Lola hatte Ludwig zärtlich, aber gewaltig den Kopf verdreht. Doch während er sie in den Adelsstand zur Gräfin von Landsfeld erhob, degradierte sie ihn zum Hahnrei. So tief wie Lola Montez haben sich nur wenige andere Nebenfrauen von Herrschern in die damals schon glamourgierigen Klatschspalten der Zeitungen, sagen wir mal, getanzt. Und dann auch in die Geschichtsbücher.
Die neue Biografie verhandelt Intimes, zum Beispiel Ludwigs Lüste als Fußfetischist („Heute Nacht habe ich davon geträumt, dass ich Deine Zehen in meinen Mund nehme“) und Anwandlungen wie „Ich habe Deinen Brief vom 8. dreimal gelesen, und jedesmal eine Erektion bekommen.“ Es liegt auf der Hand, dass der bayerische König, der sich bis dahin als epochaler Bauherr und Vorkämpfer des Katholizismus hervorgetan hatte, unter diesen Bedingungen seinen klaren Blick in Regierungsgeschäften einbüßte. Seinen alten Gefährten aus katholischen Kreisen, die ihn zur Vernunft bringen wollten, erzählte er etwas von einer rein platonischen Freundschaft mit „Lolitta“, wie er sie nannte.
Marita A. Panzer rührt viel von dem zusammen, was über diese historische Skandalnudel schon bekannt war. Sie schöpft vor allem aus edierten Quellen, hat aber auch selbst Archive besucht.
Man kann Lola Montez, die Tochter einer erst 16-jährigen Modistin und eines Offiziers, als miese kleine Hochstaplerin verurteilen oder als Bettkanten-Karrieristin abtun. Ihre Kunst als Tänzerin und ihre Fähigkeiten als vortragsreisende Lebens- und Beautyberaterin erzeugten stets konträre Reaktionen: Die einen verehrten, die anderen verachteten sie. Ebenso umstritten war ihr Äußeres – nicht alle Zeitgenossen teilten den Geschmack des bayerischen Königs, der zu nachtschlafender Zeit seinen Hofmaler wecken ließ, damit er gleich ein Bild für die Schönheitengalerie im Schloss Nymphenburg anfertige. Doch eines muss man ihr lassen: Sie ließ sich nichts gefallen und sah sich daher nicht ohne Grund als Vorreiterin der weiblichen Emanzipation. „Glich ich nicht selbst dieser Amazone, welche in einem ewigen Kampfe gegen das Männergeschlecht begriffen war?“, fragte sie in ihren Memoiren.
Den ewigen Kampf führte sie durchaus handgreiflich. Als Domina im Rüschenkleid. Hier ohrfeigte sie Hofbedienstete, dort rächte sie sich mit der Peitsche an einem missgünstigen Journalisten. Marita Panzer merkt an, die Montez habe gewiss eher das eigene Fortkommen im Auge gehabt als die Gleichstellung der Frau im Allgemeinen.
Gar nicht so einfach, Lolas Männer im Buch mitzuzählen. Jedenfalls kommen erstaunlich viele von ihnen früh ums Leben. Der einzige Mann, dem sie sich zuletzt anvertraute, war ein Priester. Sie wurde fromm, allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass sie auch hier nur eine Rolle spielte – vor sich selbst. Gezeichnet von einem Schlaganfall, starb Lola Montez kurz vor ihrem 40. Geburtstag in New York an einer Lungenentzündung. Ihren Reiz hat sie bis heute behalten. Eine unsterbliche Drama-Queen.
RUDOLF NEUMAIER
Marita A. Panzer: Lola Montez. Ein Leben als Bühne. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2014. 184 Seiten, 22 Euro.
Für die Wittelsbacher
war das Konkubinat so etwas
wie der Lola-Gate
Gleichermaßen verehrt wie verachtet: Lola Montez, auf einem Gemälde von Jules Laure.
Foto: Bernhard Megele
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Eine neue Biografie porträtiert die berühmte Mätresse Lola Montez als geborene Selbstdarstellerin
In den Tagebüchern des wunderbaren Sprachforschers und Literaten Johann Andreas Schmeller weht am 28. Februar 1847 ein „grimmig kalter Wind, der mit Staubwolken auf den nackten Straßen und Plätzen sein Spiel treibt“. München ist ungemütlich. Und ähnlich wie ums Wetter ist es um die Stimmung der Münchner bestellt. „Manchem“, schreibt Schmeller, „wird so trostlos zu Muthe, daß er denken darf: Lola Montez finis Bavariae.“ Die Konkubine von König Ludwig I. – Bayerns Untergang? Das Volk, es schäumte, schämte und erhob sich, und es sollte fast 150 Jahre dauern, bis sich die Bayern wieder ähnlich vehement gegen ein Staatsoberhaupt stemmten, dann aber nicht wegen eines Gschpusis, sondern unter der Parole „Stoppt Strauß“ gegen eine atomare Wiederaufbereitungsanlage.
Lola Montez, geboren 1821 als Eliza Rosanna Gilbert im irischen Grange, ist so etwas wie ein Super-GAU für das ehrwürdige Wittelsbacher-Geschlecht – und eine Ausnahmeerscheinung unter den Mätressen der Weltgeschichte. Eine solche Figur verträgt es, dass sie alle paar Jahre künstlerisch verarbeitet wird – im Film wie einst von Max Ophüls oder als Titelheldin eines Buches. Eine neue Lola-Biografie legt nun die Historikerin Marita A. Panzer vor. Der Untertitel „Ein Leben als Bühne“ macht klar, was die Autorin vermitteln will: Lola, die ewige Selbstdarstellerin.
Das Königreich Bayern hat durch diese Frau weltweit Berühmtheit erlangt im 19. Jahrhundert. Noch in Australien und Nordamerika tippten die Menschen feixend mit dem Finger auf jenen kleinen mitteleuropäischen Tupfer auf ihrem Globus, der von einem liebestollen König regiert worden war, ehe er im März 1848 abdankte. Die Montez tourte nach ihren Münchner Jahren als Bühnenkünstlerin durch die Welt, unter anderem mit dem Theaterstück „Lola Montez in Bavaria“. Der Text des Werks ist verschollen, aber man kann sich denken, wie sie ihre Affäre und die Umstände präsentierte: als Romanze zweier Turteltauben, die dem tumben Mob der Bayern trotzten.
Lola hatte Ludwig zärtlich, aber gewaltig den Kopf verdreht. Doch während er sie in den Adelsstand zur Gräfin von Landsfeld erhob, degradierte sie ihn zum Hahnrei. So tief wie Lola Montez haben sich nur wenige andere Nebenfrauen von Herrschern in die damals schon glamourgierigen Klatschspalten der Zeitungen, sagen wir mal, getanzt. Und dann auch in die Geschichtsbücher.
Die neue Biografie verhandelt Intimes, zum Beispiel Ludwigs Lüste als Fußfetischist („Heute Nacht habe ich davon geträumt, dass ich Deine Zehen in meinen Mund nehme“) und Anwandlungen wie „Ich habe Deinen Brief vom 8. dreimal gelesen, und jedesmal eine Erektion bekommen.“ Es liegt auf der Hand, dass der bayerische König, der sich bis dahin als epochaler Bauherr und Vorkämpfer des Katholizismus hervorgetan hatte, unter diesen Bedingungen seinen klaren Blick in Regierungsgeschäften einbüßte. Seinen alten Gefährten aus katholischen Kreisen, die ihn zur Vernunft bringen wollten, erzählte er etwas von einer rein platonischen Freundschaft mit „Lolitta“, wie er sie nannte.
Marita A. Panzer rührt viel von dem zusammen, was über diese historische Skandalnudel schon bekannt war. Sie schöpft vor allem aus edierten Quellen, hat aber auch selbst Archive besucht.
Man kann Lola Montez, die Tochter einer erst 16-jährigen Modistin und eines Offiziers, als miese kleine Hochstaplerin verurteilen oder als Bettkanten-Karrieristin abtun. Ihre Kunst als Tänzerin und ihre Fähigkeiten als vortragsreisende Lebens- und Beautyberaterin erzeugten stets konträre Reaktionen: Die einen verehrten, die anderen verachteten sie. Ebenso umstritten war ihr Äußeres – nicht alle Zeitgenossen teilten den Geschmack des bayerischen Königs, der zu nachtschlafender Zeit seinen Hofmaler wecken ließ, damit er gleich ein Bild für die Schönheitengalerie im Schloss Nymphenburg anfertige. Doch eines muss man ihr lassen: Sie ließ sich nichts gefallen und sah sich daher nicht ohne Grund als Vorreiterin der weiblichen Emanzipation. „Glich ich nicht selbst dieser Amazone, welche in einem ewigen Kampfe gegen das Männergeschlecht begriffen war?“, fragte sie in ihren Memoiren.
Den ewigen Kampf führte sie durchaus handgreiflich. Als Domina im Rüschenkleid. Hier ohrfeigte sie Hofbedienstete, dort rächte sie sich mit der Peitsche an einem missgünstigen Journalisten. Marita Panzer merkt an, die Montez habe gewiss eher das eigene Fortkommen im Auge gehabt als die Gleichstellung der Frau im Allgemeinen.
Gar nicht so einfach, Lolas Männer im Buch mitzuzählen. Jedenfalls kommen erstaunlich viele von ihnen früh ums Leben. Der einzige Mann, dem sie sich zuletzt anvertraute, war ein Priester. Sie wurde fromm, allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass sie auch hier nur eine Rolle spielte – vor sich selbst. Gezeichnet von einem Schlaganfall, starb Lola Montez kurz vor ihrem 40. Geburtstag in New York an einer Lungenentzündung. Ihren Reiz hat sie bis heute behalten. Eine unsterbliche Drama-Queen.
RUDOLF NEUMAIER
Marita A. Panzer: Lola Montez. Ein Leben als Bühne. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2014. 184 Seiten, 22 Euro.
Für die Wittelsbacher
war das Konkubinat so etwas
wie der Lola-Gate
Gleichermaßen verehrt wie verachtet: Lola Montez, auf einem Gemälde von Jules Laure.
Foto: Bernhard Megele
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