Sebastiano del Piombo (um 1485 bis 1547) transferierte als einziger Künstler der Hochrenaissance die poetischen und farborientierten Ideale der venezianischen Malerei nach Rom. Deshalb wurde er zu Lebzeiten mit Raffael verglichen und nach seinem Tod von Giorgio Vasari so diffamiert, dass seine Bedeutung über Jahrhunderte verkannt wurde. Die Autorin greift die prominente Reihe der Frauenbildnisse des Sebastiano heraus und unternimmt an ihnen eine geistesgeschichtliche Kontextualisierung des Künstlers. Mit seinen Gemälden schöner Frauen hat Sebastiano den bis in die Moderne wirksamen Typus des poetischen Liebesbildnisses maßgeblich geprägt. Einher damit geht Sebastianos nicht mehr narratives, sondern neuartig lyrisches Bildverständnis, das auf traditionelle Ikonografie verzichtet und sich in maximaler Reduktion der Bildelemente auf die Spannung zwischen Figur und Betrachter konzentriert. Nach dem sacco di Roma 1527 entwickelte Sebastiano das petrarkistische Frauenbildnis zu einer spiritualistischen Variante weiter. Nun malte er nicht mehr bukolische Mädchen, sondern gebildete Witwen, nämlich die Protagonistinnen der innerkirchlichen Reformbewegung in Mittelitalien. Erstmals wird Sebastiano del Piombos Werk bildtheoretisch und rezeptionsästhetisch diskutiert und in einen geistesgeschichtlichen, literarischen und religiösen Zusammenhang gestellt. Idealisierte Frauenbildnisse werden in der klassischen kunsthistorischen Literatur kaum interpretiert, sondern eher gefeiert oder gefürchtet, was der von den Künstlern seit Leonardo beabsichtigten Bildwirkung zwar entspricht, aber zur Erkenntnis nicht beiträgt. Die vorliegende Arbeit bietet stattdessen umfangreiche Fallstudien zu einzelnen Gemälden und ihrer historischen Wirkungsweise.
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