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Joseph Conrads berühmtester Roman „Lord Jim“: eine mitreißende Abenteuererzählung, ein Klassiker
Jim zieht als Schiffsausrüster umher. Als Erster Offizier auf einem Pilgerschiff beging er einen schrecklichen Fehler, der ihn Ruf und Laufbahn kostete. Nach langen Reisen erreicht er die entlegene Insel Patusan im Indischen Ozean und erwirbt sich das Vertrauen der Einheimischen, die ihn als Friedensstifter hoch verehren. Aus Jim wird Lord Jim. Doch dann tauchen Piraten auf, und sie scheinen zu wissen, wer er wirklich ist. Joseph Conrads berühmtester Roman hat viele Facetten: eine psychologische…mehr

Produktbeschreibung
Joseph Conrads berühmtester Roman „Lord Jim“: eine mitreißende Abenteuererzählung, ein Klassiker

Jim zieht als Schiffsausrüster umher. Als Erster Offizier auf einem Pilgerschiff beging er einen schrecklichen Fehler, der ihn Ruf und Laufbahn kostete. Nach langen Reisen erreicht er die entlegene Insel Patusan im Indischen Ozean und erwirbt sich das Vertrauen der Einheimischen, die ihn als Friedensstifter hoch verehren. Aus Jim wird Lord Jim. Doch dann tauchen Piraten auf, und sie scheinen zu wissen, wer er wirklich ist. Joseph Conrads berühmtester Roman hat viele Facetten: eine psychologische Charakterstudie über einen, der vom Heldentum träumt und doch moralisch versagt; eine mitreißende Abenteuererzählung; und nicht zuletzt eine erschütternde Parabel auf die Zerstörungswut des Kolonialismus.

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Autorenporträt
Joseph Conrad wurde 1857 als Józef Teodor Nalecz Konrad Korzeniowski in Berdytschiw, Ukraine (damals Russisches Kaiserreich), geboren und starb 1924 in Bishopsbourne, Grafschaft Kent, England. Er ist einer der größten englischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Bei Hanser erschienen die Neuübersetzungen Die Schattenlinie (Roman, 2017) und Lord Jim (Roman, 2022).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Zunächst einmal lobt Rezensent Andreas Platthaus das Verdienst des Hanser-Verlags, seit mehr als zwanzig Jahren Klassiker ins Deutsche zu übertragen. Nun ist also Joseph Conrads "Lord Jim" an der Reihe, übersetzt von niemand geringerem als Michael Walter, freut sich der Kritiker. Und dennoch schaut er genau hin, denn zwar sind die meisten  Übersetzungen im Anhang genannt, aber ausgerechnet Klaus Hoffers, laut Kritiker exzellente Übersetzung aus dem Jahr 1998 fehlt. Gerade an dieser aber müsse sich Walter messen lassen, fährt der Rezensent fort, der zunächst durchaus ein paar Vorzüge bei Hoffer sieht. So zitiert Platthaus eine Passage, in der Hoffer vielleicht weniger frei, dafür im Gegensatz zu Walter exakt übersetzt. Vor allem aber Conrads "Author's Note" lässt  den Kritiker den direkten Vergleich ziehen: Von Walter nicht dem Original entsprechend ans Ende des Textes gesetzt, legt Hoffer dem Autor hier Metaphern in den Mund, die dieser gar nicht beabsichtigte. Insgesamt kommt Platthaus zu dem Schluss: Beide Übersetzungen sind sehr gut lesbar, die jüngere scheint ihm aber doch ein wenig besser.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.11.2022

Es war, als sollte ihn die Scham überholen

Ein Klassiker wie für unsere schuldbewusste Gegenwart: Michael Walters Neuübersetzung von Joseph Conrads Roman "Lord Jim"?

Von Andreas Platthaus

Joseph Conrad hatte nichts übrig für Dostojewski: "Ich weiß nicht, wofür D. steht, aber ich weiß, er ist zu russisch für mich. Hört sich für mich an wie wildes Geschrei aus prähistorischen Zeiten." Diese Mitteilung aus dem Jahr 1912 klingt gerade verblüffend aktuell, zumal wenn man bedenkt, dass Conrad zwar russischer Staatsbürger von Geburt war, aber einer polnischen Familie entstammte, die auf dem Gebiet der heutigen Ukraine lebte. Andererseits überrascht die Ablehnung angesichts der thematischen Nähe beider Schriftsteller: Wer sonst in der Weltliteratur hat derart prominent die Frage nach Schuld und Sühne in den Mittelpunkt jeweils eines großen Romans gestellt - auch wenn Dostojewskis berühmtes Buch ja nur in Deutschland lange diesen Titel trug (bis Svetlana Geiers Neuübersetzung die originalgetreue Benennung als "Verbrechen und Strafe" durchsetzte)? Conrads einschlägiges Werk ist "Lord Jim". Keine andere literarische Figur außer eben Raskolnikow gibt beredter Auskunft über die Qual der Moral als jener Mann, der einfach Jim genannt wird - "er hatte natürlich noch einen Namen, aber er hütete sich, ihn auszusprechen", heißt es bei Conrad: "Sein Inkognito, löchrig wie ein Sieb, sollte keine Person verschleiern, sondern ein Faktum." Dieses Faktum, das im Gegensatz zu Dostojewskis Protagonisten kein mörderisches ist, bezeichnet die große Schuld des Seemanns.

"Lord Jim" erschien im Jahr 1900, als Conrad dreiundvierzig Jahre alt war, längst in London lebte und auf Englisch schrieb. Im Jahr zuvor erst war mit großem Erfolg "Herz der Finsternis" publiziert worden, das heute berühmteste Buch des Schriftstellers, in dem eine andere, allerdings überindividuelle Frage von Schuld verhandelt wurde: der Sündenfall des Kolonialismus. Erzählt wird davon paradoxerweise im Rahmen einer gemütlichen britischen Abendgesellschaft von einem Seefahrer namens Marlow - und dasselbe Ambiente und denselben Erzähler wird dann auch "Lord Jim" aufweisen. Aber in diesem Roman berichtet Marlow von einem Versagen, das ganz individueller Natur ist, weil Jim im Moment höchster Seenot die ihm anvertrauten Passagiere im Stich gelassen hat. Obwohl das Schiff dann doch nicht gesunken ist, ging er vor Gericht seiner Patente verlustig, doch noch weitaus schwerer wiegt für ihn das persönliche Schuldgefühl. Für den weitaus größten Teil des in deutscher Übersetzung mehr als fünfhundertseitigen Romans ist Jim auf der Flucht vor seinem Ruf, doch es war, als sollte ihn die Scham immer wieder überholen.

Wer "Lord Jim" heute liest, zumal als Deutscher, kann auf die Konsequenz, mit der Conrad diesen an sich selbst verzweifelnden, aber sich nach außen auch ständig gegen den Schuldvorwurf verteidigenden Menschen porträtiert, kaum anders als mit Beklemmung reagieren - zu genau nimmt der Roman schon die Frage der Verantwortung für Unterlassung vorweg, die angesichts der zunehmenden Scheußlichkeiten in der Zeit seit seinem Erscheinen immer drückender geworden ist: vom feigen Wegsehen in der Diktatur bis hin zur verfehlten deutschen Russlandpolitik. Es ist somit genau der richtige Moment für eine Lektüre von "Lord Jim". Doch nichts taugt im Buchhandel besser dazu, Klassiker aus fremden Sprachen aktuell erscheinen zu lassen, als eine Neuübertragung. Zumal dann, wenn dafür ein Übersetzer wie Michael Walter verantwortlich zeichnet, dessen Reputation und Erfolg ihm mittlerweile erlauben, sich seine Projekte auszusuchen. Die dankenswerterweise seit mehr als zwanzig Jahren unbeirrt fortgesetzte Reihe des Hanser-Verlags mit Klassiker-Neuübersetzungen hat Walter schon 2015 mit Henry James' "Gesandten" bereichert; nun folgt also "Lord Jim".

Wobei es im letzten Vierteljahrhundert bereits zwei Neuübersetzungen des erstmals 1927 und dann noch einmal 1962 ins Deutsche gebrachten Buchs gegeben hatte: 2013 durch Manfred Allié für S. Fischer und 1998 durch Klaus Hoffer für Haffmans. Letztere wird im ausgiebigen Nachwort der Hanser-Ausgabe rätselhafterweise verschwiegen, während die anderen drei Übertragungen dort nicht nur aufgelistet, sondern auch gelegentlich Walters Arbeit gegenübergestellt werden - als jeweils missglücktere Versionen, versteht sich. Wie verhält es sich aber diesbezüglich mit Hoffers Fassung, die ich seinerzeit als hervorragend empfand? Der von der Hanser-Ausgabe unterlassene Vergleich sei hier nachgeholt, weil er aussagekräftig ist für die Beurteilung der Qualität von Walters Übersetzung.

Herangezogen sei dazu etwa das letzte der 45 Kapitel des Buchs. Darin gibt es eine Stelle, die im Textkommentar der Hanser-Übersetzung als Beispiel für deren Überlegenheit gegenüber den dort erwähnten älteren angeführt wird, und zwar mit Blick auf die Übersetzung der Marlow'schen Charakterisierung Jims als "obscure conqueror of fame". Der Begriff "obscure", so heißt es da, sei zweideutig gemeint: "neben 'unbekannt' auch 'fragwürdig'. Muss man es übersetzen und eindeutig machen? Ist nicht Jim für Marlow mehr als nur ein 'unbekannter Eroberer' (1927) oder 'unbekannter Ruhmesheld' (1962)? Ist er wirklich 'unbedeutend' in all seinem Streben nach Ruhm?" So wird Walters Entscheidung für "einen obskuren Eroberer des Ruhms" gepriesen. Beim unerwähnten Hoffer dagegen liest man von einem "rätselhaften Helden, der nach den Sternen griff". Das ist sicher freier, aber ähnlich zweideutig, und hat den Vorzug, auf das im Deutschen eher eindeutig - nämlich nur als fragwürdig - konnotierte Wort "obskur" zu verzichten. Das schon in Kapitel 44 auftauchte, wo es Hoffer allerdings mit "dunkel" übersetzte. Damit geht in seiner deutschen Version die Begriffseinheitlichkeit verloren - Walter ist dagegen gerade diesbezüglich sehr aufmerksam.

Dafür verfranzt Walter sich im zehnten Kapitel in Conrads verschachteltem Erzählverfahren, als der Ausruf "He, was sagt ihr dazu?" durch zusätzliche Anführungszeichen innerhalb von Marlows wörtlicher Rede Jim zugeschrieben wird, obwohl er tatsächlich vom Erzähler selbst stammt. Durch Hoffers im Deutschen zwar unvertraute, aber im Englischen übliche Kennzeichnung jedes neuen Absatzes als wörtliche Rede, selbst wenn diese gar nicht unterbrochen worden ist, behält man bei der Lektüre seiner Fassung immer den Überblick über die jeweilige Stimme.

Doch die entscheidende Probe auf Sinn- und Wortgenauigkeit der Übersetzungen wird in einem separierten, gerade einmal vierseitigen Teil des Buchs möglich: Hoffer stellt diese 1917 für eine englische Neuausgabe des Romans verfasste "Author's Note" der Handlung voran, während sie in Walters Fassung den Abschluss bildet, obwohl Conrad sie auch an den Anfang hatte setzen lassen. In deren letztem Absatz beschreibt Conrad, der selbst als Seefahrer ein Kommando innegehabt hatte, seine Begegnung mit dem realen Vorbild für die Figur des Jim: "Eines sonnigen Morgens sah ich seine Gestalt in der alltäglichen Umgebung einer Reede im fernen Osten an mir vorübergehen - anziehend - bedeutsam - unter einer Wolke - absolut stumm." So lautet Walters Übersetzung.

Hoffer benutzt fast dieselben Worte, aber statt "unter einer Wolke" setzt er "schattenhaft", obwohl es da im Original mit einer Leitmetapher von Conrad "under a cloud" heißt. Hoffer empfindet das offenbar fürs Deutsche als zu wenig kolloquial, denn auch im Schlusskapitel wählt er für "under a cloud" die Formulierung "wie ein Schatten", und so wird der Schatten für ihn zur Leitmetapher, die Walter gar nicht kennt. Aber Conrad eben auch nicht. So wunderbar flüssig bei allen Herausforderungen (vor allem durch nautische Terminologie) sich sowohl Hoffers als auch Walters deutsche Versionen lesen, die jüngere ist dann doch die bessere geworden.

Joseph Conrad: "Lord Jim". Roman.

Aus dem Englischen von Michael Walter. Hrsg. und Nachwort von Daniel Göske. Hanser Verlag, München 2022. 640 S., geb., 36,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.04.2023

Mutmaßung
über Jim
Die Möwen kreischen, die Schiffshörner blöken:
Martin Heindel inszeniert ein
akustisch opulentes Abenteuer zur See
VON FLORIAN WELLE
wischen Fantasie und Wirklichkeit klafft mitunter eine gewaltige Lücke. Ein junger, hochempfindsamer Engländer ist zur Ausbildung auf einem Schulschiff der Handelsmarine. Angeregt durch die Lektüre von Unterhaltungsromanen durchlebt er dabei die tollkühnsten Seeabenteuer. Im Geiste, unter Deck. Als es Jahre später jedoch wirklich ernst wird, versagt er. Als Erster Offizier der Patna, eines alten Dampfers mit Hunderten Pilgern an Bord, flüchtet sich Jim nach einer nächtlichen Kollision als Letzter der Mannschaft in ein Rettungsboot und überlässt die Menschen ihrem Schicksal. Es ist reines Glück, dass sie überleben.
Warum bloß ist er gesprungen, obwohl er doch als Einziger zunächst seiner Pflicht nachkommen und helfen wollte? Diese Frage steht im Zentrum des von Joseph Conrad um die Wende zum 20. Jahrhundert geschriebenen Romans „Lord Jim“. Auf rund 500 Seiten umkreist der Autor die Problematik, ohne sie jedoch zu beantworten. Jims Satz ins Rettungsboot bleibt geheimnisvolle Leerstelle, aus der das meisterhafte Werk seine Spannung bezieht. Am ehesten zu verstehen als Übersprunghandlung aus dem Augenblick heraus, halb bewusst, halb unbewusst – zur gleichen Zeit mit „Lord Jim“ erschien Sigmund Freuds „Die Traumdeutung“. An einer Stelle gesteht der junge Offizier: „Mir war, als ob ich in einen Brunnen gesprungen sei, in einen unendlich tiefen Schlund.“
Martin Heindel hat die im Malaiischen Archipel angesiedelte Geschichte um Schuld und Scham, verletzten Stolz und verlorene Ehre als vierteiliges Hörspiel inszeniert. Von Conrad ursprünglich als Short Story geplant, weitet sie sich immer mehr zu einer Erzählung über die Conditio humana an und für sich aus. Die im vergangenen Jahr entstandene Gemeinschaftsproduktion des Hessischen Rundfunks mit dem Hörverlag unternimmt den mutigen Versuch, die Komplexität der Vorlage in nur etwas mehr als vier Stunden einzufangen.
Das ist schon deshalb nahezu aussichtslos, weil Conrad seinen Jim, diesen Seemann von der traurigen Gestalt, nach Gerichtsverhandlung und dem Verlust des Offizierspatents immer weiter aus dem Gesichtskreis der Menschen fliehen lässt, bis er in der „unberührten Wildnis“ Patusans eine zweite Chance erhält. Der Patusan-Strang ist nicht weniger als ein Roman im Roman mit völlig neuen Figuren und Erzählfäden.
Hier kämpfen die Insulaner untereinander ebenso um Macht und Einfluss, wie sie sich gegen äußere Feinde zur Wehr setzen müssen. Mittendrin Jim, der als Friedensstifter das Vertrauen der Einheimischen erlangt hat und fortan von ihnen respektvoll mit Tuan Jim, Lord Jim, angeredet wird. In der Gestalt der Eurasierin Jewel winkt sogar so etwas wie Liebesglück. Die verschattete Vergangenheit erscheint endgültig vergessen. Bloß um ihn schließlich doch wieder einzuholen, erbarmungsloser und gewalttätiger als je zuvor.
Der von Conrad dicht gewebten Handlung gerecht zu werden, bedeutet also eine große Herausforderung für eine Hörspielumsetzung. Dementsprechend hat sich der Regisseur Heindel in seiner Bearbeitung auf den Inhalt konzentriert, der hier, gekürzt und gerafft, mit großer Stringenz wiedergegeben wird. Auf diese Weise ist ein durchaus packendes Abenteuerhörspiel mit viel maritimem Flair und einer ausgezeichnet besetzten Schauspielerriege entstanden. Neben den 30 männlichen Figuren ist Jewel, die von Linda Blümchen mit Verve zwischen Liebe, Eifersucht und enttäuschtem Vertrauen gesprochen wird, die einzig nennenswerte Frauengestalt.
„Lord Jim“ ist ein Männerhörspiel, in dem allen voran Sebastian Urzendowsky als Jim und Felix von Manteuffel als Erzähler Charles Marlow glänzen. Conrad wurde nicht müde, immer wieder Jims Jugend hervorzuheben. Alle, die mit ihm zu tun bekommen, verweisen auf sein „jugendliches Alter“, schimpfen ihn „ein kleines Kind“, Marlow nennt ihn gar „das jüngste menschliche Wesen, das es gibt“. Urzendowsky macht dieses Jungenhafte überzeugend hörbar, vor allem wenn Jim glaubt, sich stets aufs Neue verteidigen zu müssen, und sich dabei in emotionale Widersprüche verstrickt.
Felix von Manteuffel als Marlow ist eine Idealbesetzung. Schon in Klaus Buhlerts imposantem Hörspiel „Moby Dick oder Der Wal“ bewies er als einer der Erzähler, wie gut er es versteht, raues Seemannsgarn überaus glaubwürdig zu Gehör zu bringen. Sein Kapitän Marlow strahlt zunächst die Würde dessen aus, der meint, auf See bereits alles erlebt zu haben. Das Schicksal des unglücklichen Jim jedoch bringt ihn an seine Grenzen. Letztlich bleibt der ihm ein Rätsel: „Im Ganzen wurde man aus ihm nicht klug.“
All das zeigt, was für ein unzuverlässiger Erzähler Marlow ist, der im Grunde nur Mutmaßungen über Jim anstellt. Als er von den Geschehnissen auf Patusan berichtet, schickt er voraus, er erzähle sie nun so, als sei er Augenzeuge gewesen. Joseph Conrad hat noch viele solche Fallstricke in seinen akribisch gearbeiteten, seiner angeschlagenen Gesundheit abgerungenen Text eingebaut, um beim Leser ein Gefühl jener Verwirrung zu erzeugen, das auch die Figuren gefangen hält.
So gibt es neben Marlow noch einen anderen, allwissenden Erzähler. Zudem weitere Stimmen, die das Geschehen aus ihrer Sicht kommentieren. Dazu kommt eine ausgiebige Bildsprache des Nebulösen und Opaken. „Lord Jim“ ist auch eine Auseinandersetzung mit der Möglichkeit wie Unmöglichkeit des Erzählens selbst.
All die stilistischen und psychologischen Nuancen werden im Hörspiel zwar berücksichtigt, nehmen aber bei Weitem nicht den Raum der Vorlage ein. Conrads ausführlich entwickelter Gegensatz von romantischer versus realistischer Haltung gegenüber dem Leben bleibt etwa eine Randnotiz. Wolfgang Koeppen nannte Joseph Conrad „einen Meister des inneren Abenteuers“. Dieses steht hier zurück zugunsten der akustisch aufwendig untermalten äußeren Handlung. Da schlagen die Wellen, kreischen die Möwen und ertönen die Schiffshörner. Da schwelgt die Komposition von Felix Rösch, vom HR-Sinfonieorchester mit Aplomb eingespielt, in musikalischer Opulenz, dramatische Höhepunkte inklusive. Martin Heindels Adaption ist gut gemachtes Hörkino, nicht mehr und nicht weniger.
Z
Es geht um die Möglichkeit
wie die Unmöglichkeit
des Erzählens selbst
Joseph Conrad: Lord Jim.
Hörspiel. Mit Felix von
Manteuffel, Sebastian
Urzendowsky, Andreas Fröhlich u.a. 4 CDs, 4h 18 Minuten. Der Hörverlag,
München 2023, 24 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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"523 Seiten Abenteuer und überall Sätze, die glänzen wie das Meer im Sonnenschein." Stern, 14.07.22

"Conrad erzählt nicht nur mit großer psychologischer Genauigkeit von den dramatischen Konsequenzen einer moralischen Verfehlung, er betont vor allem immer wieder, dass der Mensch ein undurchschaubares Wesen ist." Holger Heimann, WDR3 Lesestoff, 06.07.22

"Conrad ist wirklich ein ungemein raffinierter Erzähler ... Wenn man heute eine literarische Folie sucht, um das Erbe des Kolonialismus zu verstehen und die Zerstörungswut des Kapitalismus, dann muss man diese zeitlos aktuelle Parabel gelesen haben." Frank Dietschreit, rbb Kultur, 24.06.22

"Eines der schönsten, spannendsten und, vor allen Dingen, psychologisch interessantesten Bücher." Raoul Schrott, SRF1 Literaturclub, 31.05.22