'Nathaniel Rich's account starts in Washington in the 1990s and tells the story of how climate change could have been stopped back then, if only the powerful had acted. But they didn't want to.' - Observer
By 1979, we knew all that we know now about the science of climate change - what was happening, why it was happening, and how to stop it. Over the next ten years, we had the very real opportunity to stop it. Obviously, we failed. Nathaniel Rich tells the essential story of why and how, thanks to the actions of politicians and businessmen, that failure came about. It is crucial to an understanding of where we are today.
'The excellent and appalling Losing Earth by Nathaniel Rich describes how close we came in the 70s to dealing with the causes of global warming and how US big business and Reaganite politicians in the 80s ensured it didn't happen. Read it.' - John Simpson
'An eloquent science history, and an urgent eleventh-hour call to save what can be saved.' - Nature
'To change the future, we must first understand our past, and Losing Earth is a crucial part of that when it comes to the environmental battles we're facing.'- Stylist
By 1979, we knew all that we know now about the science of climate change - what was happening, why it was happening, and how to stop it. Over the next ten years, we had the very real opportunity to stop it. Obviously, we failed. Nathaniel Rich tells the essential story of why and how, thanks to the actions of politicians and businessmen, that failure came about. It is crucial to an understanding of where we are today.
'The excellent and appalling Losing Earth by Nathaniel Rich describes how close we came in the 70s to dealing with the causes of global warming and how US big business and Reaganite politicians in the 80s ensured it didn't happen. Read it.' - John Simpson
'An eloquent science history, and an urgent eleventh-hour call to save what can be saved.' - Nature
'To change the future, we must first understand our past, and Losing Earth is a crucial part of that when it comes to the environmental battles we're facing.'- Stylist
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.06.2019Mit Extremen leben lernen
Eine Lektüre, die zornig machen kann: Nathaniel Rich zeigt, dass die Folgen des Klimawandels schon in den späten siebziger Jahren bekannt waren.
Im Jahr 1979 lag die Konzentration des Treibhausgases Kohlendioxid in der Atmosphäre bei rund 335 ppm. Das war ein Wert, der schon deutlich höher lag als vor Beginn der Industrialisierung, aber zugleich ein Wert, der keine Gefahr für Mensch und Natur bedeutet. 335 ppm bringt keine überschwemmten Küsten mit sich, keine Dauerdürren und keine abgestorbenen Korallenriffe.
Im Jahr 1979, argumentiert Nathaniel Rich in seinem Buch "Losing Earth", wäre es ein Leichtes gewesen, eine bedrohliche Erhitzung der Atmosphäre und die ebenso bedrohliche Versauerung des Ozeans mit Kohlensäure aufzuhalten.
Aber wusste man 1979 überhaupt schon vom Risiko des Klimawandels? Kam der nicht viel später ins kollektive Bewusstsein, etwas beim "Erdgipfel" 1992 in Rio de Janeiro? Oder noch später, 2009 bei den aufsehenerregenden Verhandlungen in Kopenhagen? Für viele Jugendliche, die bei den "Fridays for Future" demonstrieren, ist die Entdeckung der Klimagefahr biographisch gesehen so neu, dass das Jahr 1979, der Bezugspunkt dieses Buchs, wie eines aus der Urzeit erscheinen muss. Unmöglich, dass die epochalen Risiken, von denen wir heute wissen, schon vor vierzig Jahren bekannt gewesen sind.
Und doch ist genau das die zentrale These von Richs Buch: "Fast jedes Gespräch, das wir 2019 über den Klimawandel führen, wurde schon 1979 geführt." Und Rich führt auch den Nachweis für diese Behauptung. Akribisch zeichnet der amerikanische Journalist und Schriftsteller den Weg nach, den eine unscheinbare Mitteilung der amerikanischen Umweltagentur EPA mit dem Aktenzeichen EPA-600/7-78-019 nahm. Rafe Pomerance, Mitarbeiter der Umweltorganisation "Friends of the Earth", entdeckte in ihr die Aussage, dass die weitere Nutzung fossiler Brennstoffe innerhalb von zwei bis drei Jahrzehnten zu erkennbaren und schädlichen Veränderungen der Erdatmosphäre führen würde. Schnell fand Pomerance dann heraus, dass sich eine Gruppe von Wissenschaftlern bereits in den Jahren zuvor mit dem Treibhauseffekt beschäftigt hatte, ja dass bereits 1957 die Forscher Roger Revelle und Hans Suess von einem "riesenhaften geophysikalischen Experiment" gesprochen hatten.
Rich erzählt in seinem Buch Geschichten aus Anhörungssälen und Hinterzimmern, hauptsächlich in Washington, D.C. Er zeichnet nach, wie der Klimamodellierer Jim Hansen als Experte gerufen, dann aber daran gehindert wurde, als Regierungsbeamter seine Einschätzung der Lage kundzutun. Er legt dar, wie die Idee einer CO2-Steuer schnell aufkam und ebenso schnell wieder zu den Akten gelegt wurde. Und er berichtet, wie die Erkenntnis der Gefahren für die Klimastabilität auf die immer selben Bedenken stieß: Man müsste kurzfristig unbequeme und unbeliebte Maßnahmen ergreifen, um eine in der Zukunft liegende Gefahr zu bekämpfen. "Frühestens um die Jahrhundertwende" würden negative Konsequenzen spürbar, hieß es in einem der Berichte. Das erschien einmal beruhigend weit weg. Die Entscheidung der Politik fiel stets dagegen, konsequent zu handeln. "Politische Probleme hatten Lösungen, und das Klimaproblem hatte keine", schreibt Rich.
Stets sind es in Richs Rekonstruktion Wissenschaftler, die diese Gefahren wieder zurück auf die Tagesordnung brachten - und stets scheiterten sie an einer Mauer von Lobbyinteressen der Fossilindustrie. Deren Wirken und Methoden beleuchtet Rich nicht so stark, wie es nötig gewesen wäre. Doch es wird deutlich, wie früh und wie effektiv eine Strategie zum Einsatz kam, die bis heute funktioniert: wo immer möglich, Zweifel an der etablierten Wissenschaft zu streuen und die Kosten von wirksamem Handeln zu übertreiben.
Die Lektüre von Richs trockenem Buch kann wahlweise depressiv oder zornig machen. Denn so haarsträubend die frühe Kenntnis der Gefahr aus heutiger Sicht erscheinen mag, sind die Mechanismen der Verharmlosung und Leugnung doch aus der Gegenwart allzu vertraut. Wenn heute Publizisten von einer angeblichen "Klimareligion" handeln, Rechtspopulisten gegen demonstrierende Jugendliche giften und Vertreter von Regierungsparteien verlautbaren lassen, man dürfe in der Klimapolitik nichts überstürzen, dann setzt sich Richs Chronik der Ignoranz einfach fort. Dabei müssten diese Leute nichts anderes tun, als in eine Prognose des Ölkonzerns Exxon aus dem Jahr 1982 zu schauen: Sie sagte für das Jahr 2019 einen CO2-Wert von 415 ppm und eine Erderwärmung von einem Grad voraus - ein Volltreffer, denn das sind ziemlich exakt die tatsächlichen heutigen Werte.
Zu den schlimmen Nachrichten dieser Tage gehört, dass der Anstieg der CO2-Konzentration sich sogar noch beschleunigt. Für das Jahr 2050 prognostizierten die Exxon-Experten bereits 500 ppm und zwei Grad Erwärmung. Hinter den bescheiden anmutenden zwei Grad verbergen sich ungeheure Hitzemengen; in der letzten Eiszeit, als die Gletscher sich Hunderte Meter hoch türmten, war es durchschnittlich nur fünf Grad kälter. Deshalb war den Experten, die Rich zitiert, auch schon in den siebziger und achtziger Jahren klar: Mit jedem Grad Celsius, um das die Temperatur steigt, sinken die Freiheitsgrade für die Gesellschaft. Wir bewegen uns, steuert die Politik nicht um, eben nicht auf einen Weltuntergang zu, sondern auf sein Gegenteil: den Beginn einer Welt, in der es für die Jugendlichen von heute zu einem bitter eingeschränkten Alltag gehören wird, die existentiellen Folgen von Klimaextremen zu bewältigen.
CHRISTIAN SCHWÄGERL
Nathaniel Rich: "Losing Earth".
Aus dem Englischen von Willi Winkler. Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2019. 240 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Eine Lektüre, die zornig machen kann: Nathaniel Rich zeigt, dass die Folgen des Klimawandels schon in den späten siebziger Jahren bekannt waren.
Im Jahr 1979 lag die Konzentration des Treibhausgases Kohlendioxid in der Atmosphäre bei rund 335 ppm. Das war ein Wert, der schon deutlich höher lag als vor Beginn der Industrialisierung, aber zugleich ein Wert, der keine Gefahr für Mensch und Natur bedeutet. 335 ppm bringt keine überschwemmten Küsten mit sich, keine Dauerdürren und keine abgestorbenen Korallenriffe.
Im Jahr 1979, argumentiert Nathaniel Rich in seinem Buch "Losing Earth", wäre es ein Leichtes gewesen, eine bedrohliche Erhitzung der Atmosphäre und die ebenso bedrohliche Versauerung des Ozeans mit Kohlensäure aufzuhalten.
Aber wusste man 1979 überhaupt schon vom Risiko des Klimawandels? Kam der nicht viel später ins kollektive Bewusstsein, etwas beim "Erdgipfel" 1992 in Rio de Janeiro? Oder noch später, 2009 bei den aufsehenerregenden Verhandlungen in Kopenhagen? Für viele Jugendliche, die bei den "Fridays for Future" demonstrieren, ist die Entdeckung der Klimagefahr biographisch gesehen so neu, dass das Jahr 1979, der Bezugspunkt dieses Buchs, wie eines aus der Urzeit erscheinen muss. Unmöglich, dass die epochalen Risiken, von denen wir heute wissen, schon vor vierzig Jahren bekannt gewesen sind.
Und doch ist genau das die zentrale These von Richs Buch: "Fast jedes Gespräch, das wir 2019 über den Klimawandel führen, wurde schon 1979 geführt." Und Rich führt auch den Nachweis für diese Behauptung. Akribisch zeichnet der amerikanische Journalist und Schriftsteller den Weg nach, den eine unscheinbare Mitteilung der amerikanischen Umweltagentur EPA mit dem Aktenzeichen EPA-600/7-78-019 nahm. Rafe Pomerance, Mitarbeiter der Umweltorganisation "Friends of the Earth", entdeckte in ihr die Aussage, dass die weitere Nutzung fossiler Brennstoffe innerhalb von zwei bis drei Jahrzehnten zu erkennbaren und schädlichen Veränderungen der Erdatmosphäre führen würde. Schnell fand Pomerance dann heraus, dass sich eine Gruppe von Wissenschaftlern bereits in den Jahren zuvor mit dem Treibhauseffekt beschäftigt hatte, ja dass bereits 1957 die Forscher Roger Revelle und Hans Suess von einem "riesenhaften geophysikalischen Experiment" gesprochen hatten.
Rich erzählt in seinem Buch Geschichten aus Anhörungssälen und Hinterzimmern, hauptsächlich in Washington, D.C. Er zeichnet nach, wie der Klimamodellierer Jim Hansen als Experte gerufen, dann aber daran gehindert wurde, als Regierungsbeamter seine Einschätzung der Lage kundzutun. Er legt dar, wie die Idee einer CO2-Steuer schnell aufkam und ebenso schnell wieder zu den Akten gelegt wurde. Und er berichtet, wie die Erkenntnis der Gefahren für die Klimastabilität auf die immer selben Bedenken stieß: Man müsste kurzfristig unbequeme und unbeliebte Maßnahmen ergreifen, um eine in der Zukunft liegende Gefahr zu bekämpfen. "Frühestens um die Jahrhundertwende" würden negative Konsequenzen spürbar, hieß es in einem der Berichte. Das erschien einmal beruhigend weit weg. Die Entscheidung der Politik fiel stets dagegen, konsequent zu handeln. "Politische Probleme hatten Lösungen, und das Klimaproblem hatte keine", schreibt Rich.
Stets sind es in Richs Rekonstruktion Wissenschaftler, die diese Gefahren wieder zurück auf die Tagesordnung brachten - und stets scheiterten sie an einer Mauer von Lobbyinteressen der Fossilindustrie. Deren Wirken und Methoden beleuchtet Rich nicht so stark, wie es nötig gewesen wäre. Doch es wird deutlich, wie früh und wie effektiv eine Strategie zum Einsatz kam, die bis heute funktioniert: wo immer möglich, Zweifel an der etablierten Wissenschaft zu streuen und die Kosten von wirksamem Handeln zu übertreiben.
Die Lektüre von Richs trockenem Buch kann wahlweise depressiv oder zornig machen. Denn so haarsträubend die frühe Kenntnis der Gefahr aus heutiger Sicht erscheinen mag, sind die Mechanismen der Verharmlosung und Leugnung doch aus der Gegenwart allzu vertraut. Wenn heute Publizisten von einer angeblichen "Klimareligion" handeln, Rechtspopulisten gegen demonstrierende Jugendliche giften und Vertreter von Regierungsparteien verlautbaren lassen, man dürfe in der Klimapolitik nichts überstürzen, dann setzt sich Richs Chronik der Ignoranz einfach fort. Dabei müssten diese Leute nichts anderes tun, als in eine Prognose des Ölkonzerns Exxon aus dem Jahr 1982 zu schauen: Sie sagte für das Jahr 2019 einen CO2-Wert von 415 ppm und eine Erderwärmung von einem Grad voraus - ein Volltreffer, denn das sind ziemlich exakt die tatsächlichen heutigen Werte.
Zu den schlimmen Nachrichten dieser Tage gehört, dass der Anstieg der CO2-Konzentration sich sogar noch beschleunigt. Für das Jahr 2050 prognostizierten die Exxon-Experten bereits 500 ppm und zwei Grad Erwärmung. Hinter den bescheiden anmutenden zwei Grad verbergen sich ungeheure Hitzemengen; in der letzten Eiszeit, als die Gletscher sich Hunderte Meter hoch türmten, war es durchschnittlich nur fünf Grad kälter. Deshalb war den Experten, die Rich zitiert, auch schon in den siebziger und achtziger Jahren klar: Mit jedem Grad Celsius, um das die Temperatur steigt, sinken die Freiheitsgrade für die Gesellschaft. Wir bewegen uns, steuert die Politik nicht um, eben nicht auf einen Weltuntergang zu, sondern auf sein Gegenteil: den Beginn einer Welt, in der es für die Jugendlichen von heute zu einem bitter eingeschränkten Alltag gehören wird, die existentiellen Folgen von Klimaextremen zu bewältigen.
CHRISTIAN SCHWÄGERL
Nathaniel Rich: "Losing Earth".
Aus dem Englischen von Willi Winkler. Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2019. 240 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.06.2019Sündenfallstudie
Hat die Menschheit vor dreißig Jahren die Chance verpasst, den Klimawandel zu verhindern?
Der amerikanische Journalist Nathaniel Rich über die internationale Klimakonferenz in Noordwijk 1989
VON BURKHARD MÜLLER
Man muss noch nicht einmal bis zum Klappentext warten. Gleich auf dem Titel des Buchs springt dem Leser die wesentliche Information entgegen: „Die Klimakatastrophe, die wir jetzt erleben, hätte verhindert werden können. Vor dreißig Jahren gab es die Chance, den Planeten zu retten – doch sie wurde verspielt. Eine dramatische Reportage über ein Menschheitsversagen.“
Ob es gut gehen kann mit diesem Genre der dramatischen Reportage? Denn das Bezeichnende der gegenwärtigen Lage, so ernst und ungeheuer sie sich darbietet, besteht ja gerade darin, dass sie nicht dramatisch verläuft, sondern schleichend – anders als zum Beispiel in den Achtzigerjahren beim Ozonloch, wo allein schon das Wort „Loch“ ausreichte, um eine allgemeine Panik und letztlich die Lösung des Problems herbeizuführen. Und ist die Reportage, die immer nur so weit gucken kann wie das Objektiv des Reporters, die angemessene Darstellungsform für ein Thema von derartiger globaler Komplexität?
Der Journalist Nathaniel Rich, Jahrgang 1980, glaubt fest daran, dass es trotzdem geht. Für ihn präsentiert sich der Weg in den Klimawandel als eine Serie von Begegnungen, Zuspitzungen und verpassten Gelegenheiten. In dieser Sichtweise hängt natürlich alles vom Personal ab. Rich ist überzeugt, es komme darauf an, die drei Rollentypen Held, Schurke und Opfer zu besetzen. Nur dann könne aus einem Problemkomplex ein Narrativ entspringen, eine Story, bei der das Publikum mitgeht. Aber das funktioniert nicht. Zwar gibt es den selbstlosen Wissenschaftler Rafe Pomerance, der alles schon beizeiten, das heißt in den Siebzigerjahren, kommen sah, und James Hansen, ein selbstloser Wissenschaftler auch er, der über seinem glühenden Einsatz immer wieder vergisst, die Zimmerdecke im Wohnzimmer zu reparieren, obwohl seine Frau ihn doch schon so oft … Diese Versuche zur Figurengestaltung kommen alle nicht weit, sie werden vom gigantischen Thema verschluckt wie von einem Schwarzen Loch.
Noch weniger wollen dem Verfasser die Schurken gelingen. Als deren obersten versucht er John Sununu aufzubauen, Stabschef von Präsident George Bush senior, der bei der Klimakonferenz in Noordwijk 1989 als vorgeblich im Alleingang agierender Diabolos verhindert, dass feste und bindende Klimaziele verabschiedet werden.
Sununu soll als der Lügengeist schlechthin erscheinen. Doch als Rich ihn viele Jahre später interviewt, meint Sununu, als Einzelner wäre er da nie durchgedrungen; vielmehr habe er die klammheimliche Unterstützung der Vertreter so ziemlich aller anderen Staaten gehabt, die es bloß nicht so laut sagen wollten, dass ihnen die vorgeschlagenen Einschnitte schmerzlich gegen den Strich gingen. „Das war damals das schmutzige kleine Geheimnis.“ Und man spürt, dass Sununu die Wahrheit sagt.
Noordwijk ist in diesem Buch die große, verpasste Chance, welche die Menschheit gehabt hätte, gerade noch rechtzeitig die Katastrophe abzuwenden, die seither eingetreten ist. Rich selbst muss freilich in seiner Erzählung, die im Wesentlichen von den späten Siebzigern bis zu den frühen Neunzigern reicht, einräumen, dass es so wie in Noordwijk eigentlich immer zuging, wenn über die Erderwärmung debattiert wurde. Immer erkennen alle die Gefahr, nicken, meinen, hier müsse jetzt dringend was geschehen – aber sobald die praktischen Konsequenzen zur Sprache kommen, bringt die Öl-, Kohle- und Autoindustrie ihre Lobbyisten in Stellung. Man mag es kaum glauben, doch selbst Reagan und Bush senior hatten den Kampf gegen den Klimawandel in ihr Wahlkampfprogramm aufgenommen. Er wolle den Treibhaus- durch den Weißes-Haus-Effekt ersetzen (im Original wohl ein Wortspiel von Greenhouse und White House), tönte Bush – solang, bis er gewählt war und plötzlich andere Dinge wichtig wurden.
Als Motto zitiert das Buch in einem Gedicht die antike Seherin Kassandra – Kassandra, die verflucht war, erstens nur Unglück zu prophezeien und zweitens damit keinen Glauben zu finden. Kann man es ungeschickter anstellen? Es heißt, vorab alles verloren zu geben. Der Autor tut so, als wären damals, vor dreißig Jahren, ein für alle Mal die Weichen gestellt worden und als würde der Zug seither, trotz Rio, Tokio usw., einfach stracks mit Höchstgeschwindigkeit in den Abgrund brausen.
Das ist nicht nur unangemessen fatalistisch, sondern in seiner Simplifizierung, die vor allem auf Wirkung zielt, falsch, nahezu „Fake News“. Schon dass bei den Anschlusskonferenzen nicht nur die Fachminister, sondern die Staatschefs persönlich zugegen waren und dass die Leugner immer fanatischere Töne anschlagen, zeigt, welches Gewicht dem Gegenstand seither zugewachsen ist. Doch das Buch kommt nicht los von seinen letztlich theologischen Deutungsmustern, von Sündenfall und Apokalypse, den hocherregten aber gedanklich bequemen Modellen, die als punktuelle Katastrophe ausgeben, was in Wahrheit prozessualen Charakter trägt.
Auch im Epilog, der die letzten dreißig Jahre zu überbrücken versucht, reicht es nur für ein schwächliches Moralisieren, ein ohnmächtiges Händeringen darüber, was „wir“ da angestellt haben, und für die Forderung, „dass wir als Menschheit umdenken müssen“. Die Menschheit hat als solche noch niemals gedacht, geschweige denn umgedacht. Dieses nebulöse „wir“ hebelt, ohne dass dies ausführlicher thematisiert würde, die vorangegangene Dreiteilung von Helden, Schurken und Opfern aus. Helden sind „wir“ zwar bestimmt nicht – aber dass die Schurken, die es tun, zugleich auch die Opfer sein könnten, die es ausbaden müssen, diese Einsicht immerhin dämmert dem Autor.
Rich merkt an, dass Republikaner aus Florida, das sich nur wenige Meter über den Meeresspiegel erhebt, genauer zuhören, wenn vom Klimawandel und dem Anstieg der Ozeane die Rede ist, als ihre Parteifreunde aus den Rocky Mountains. Hier liegt die Chance.
Nathaniel Rich: Losing Earth. Aus dem Englischen von Willi Winkler. Rowohlt Berlin Verlag, Hamburg 2019. 237 Seiten, 22 Euro.
Die Menschheit hat als solche
noch niemals gedacht,
geschweige denn umgedacht
Der Klimawandel verläuft eher schleichend, die äußeren Zeichen dafür sind aber seit langem zu sehen. Wie dieser Wirbelsturm in Florida, 2005.
Foto: action press
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Hat die Menschheit vor dreißig Jahren die Chance verpasst, den Klimawandel zu verhindern?
Der amerikanische Journalist Nathaniel Rich über die internationale Klimakonferenz in Noordwijk 1989
VON BURKHARD MÜLLER
Man muss noch nicht einmal bis zum Klappentext warten. Gleich auf dem Titel des Buchs springt dem Leser die wesentliche Information entgegen: „Die Klimakatastrophe, die wir jetzt erleben, hätte verhindert werden können. Vor dreißig Jahren gab es die Chance, den Planeten zu retten – doch sie wurde verspielt. Eine dramatische Reportage über ein Menschheitsversagen.“
Ob es gut gehen kann mit diesem Genre der dramatischen Reportage? Denn das Bezeichnende der gegenwärtigen Lage, so ernst und ungeheuer sie sich darbietet, besteht ja gerade darin, dass sie nicht dramatisch verläuft, sondern schleichend – anders als zum Beispiel in den Achtzigerjahren beim Ozonloch, wo allein schon das Wort „Loch“ ausreichte, um eine allgemeine Panik und letztlich die Lösung des Problems herbeizuführen. Und ist die Reportage, die immer nur so weit gucken kann wie das Objektiv des Reporters, die angemessene Darstellungsform für ein Thema von derartiger globaler Komplexität?
Der Journalist Nathaniel Rich, Jahrgang 1980, glaubt fest daran, dass es trotzdem geht. Für ihn präsentiert sich der Weg in den Klimawandel als eine Serie von Begegnungen, Zuspitzungen und verpassten Gelegenheiten. In dieser Sichtweise hängt natürlich alles vom Personal ab. Rich ist überzeugt, es komme darauf an, die drei Rollentypen Held, Schurke und Opfer zu besetzen. Nur dann könne aus einem Problemkomplex ein Narrativ entspringen, eine Story, bei der das Publikum mitgeht. Aber das funktioniert nicht. Zwar gibt es den selbstlosen Wissenschaftler Rafe Pomerance, der alles schon beizeiten, das heißt in den Siebzigerjahren, kommen sah, und James Hansen, ein selbstloser Wissenschaftler auch er, der über seinem glühenden Einsatz immer wieder vergisst, die Zimmerdecke im Wohnzimmer zu reparieren, obwohl seine Frau ihn doch schon so oft … Diese Versuche zur Figurengestaltung kommen alle nicht weit, sie werden vom gigantischen Thema verschluckt wie von einem Schwarzen Loch.
Noch weniger wollen dem Verfasser die Schurken gelingen. Als deren obersten versucht er John Sununu aufzubauen, Stabschef von Präsident George Bush senior, der bei der Klimakonferenz in Noordwijk 1989 als vorgeblich im Alleingang agierender Diabolos verhindert, dass feste und bindende Klimaziele verabschiedet werden.
Sununu soll als der Lügengeist schlechthin erscheinen. Doch als Rich ihn viele Jahre später interviewt, meint Sununu, als Einzelner wäre er da nie durchgedrungen; vielmehr habe er die klammheimliche Unterstützung der Vertreter so ziemlich aller anderen Staaten gehabt, die es bloß nicht so laut sagen wollten, dass ihnen die vorgeschlagenen Einschnitte schmerzlich gegen den Strich gingen. „Das war damals das schmutzige kleine Geheimnis.“ Und man spürt, dass Sununu die Wahrheit sagt.
Noordwijk ist in diesem Buch die große, verpasste Chance, welche die Menschheit gehabt hätte, gerade noch rechtzeitig die Katastrophe abzuwenden, die seither eingetreten ist. Rich selbst muss freilich in seiner Erzählung, die im Wesentlichen von den späten Siebzigern bis zu den frühen Neunzigern reicht, einräumen, dass es so wie in Noordwijk eigentlich immer zuging, wenn über die Erderwärmung debattiert wurde. Immer erkennen alle die Gefahr, nicken, meinen, hier müsse jetzt dringend was geschehen – aber sobald die praktischen Konsequenzen zur Sprache kommen, bringt die Öl-, Kohle- und Autoindustrie ihre Lobbyisten in Stellung. Man mag es kaum glauben, doch selbst Reagan und Bush senior hatten den Kampf gegen den Klimawandel in ihr Wahlkampfprogramm aufgenommen. Er wolle den Treibhaus- durch den Weißes-Haus-Effekt ersetzen (im Original wohl ein Wortspiel von Greenhouse und White House), tönte Bush – solang, bis er gewählt war und plötzlich andere Dinge wichtig wurden.
Als Motto zitiert das Buch in einem Gedicht die antike Seherin Kassandra – Kassandra, die verflucht war, erstens nur Unglück zu prophezeien und zweitens damit keinen Glauben zu finden. Kann man es ungeschickter anstellen? Es heißt, vorab alles verloren zu geben. Der Autor tut so, als wären damals, vor dreißig Jahren, ein für alle Mal die Weichen gestellt worden und als würde der Zug seither, trotz Rio, Tokio usw., einfach stracks mit Höchstgeschwindigkeit in den Abgrund brausen.
Das ist nicht nur unangemessen fatalistisch, sondern in seiner Simplifizierung, die vor allem auf Wirkung zielt, falsch, nahezu „Fake News“. Schon dass bei den Anschlusskonferenzen nicht nur die Fachminister, sondern die Staatschefs persönlich zugegen waren und dass die Leugner immer fanatischere Töne anschlagen, zeigt, welches Gewicht dem Gegenstand seither zugewachsen ist. Doch das Buch kommt nicht los von seinen letztlich theologischen Deutungsmustern, von Sündenfall und Apokalypse, den hocherregten aber gedanklich bequemen Modellen, die als punktuelle Katastrophe ausgeben, was in Wahrheit prozessualen Charakter trägt.
Auch im Epilog, der die letzten dreißig Jahre zu überbrücken versucht, reicht es nur für ein schwächliches Moralisieren, ein ohnmächtiges Händeringen darüber, was „wir“ da angestellt haben, und für die Forderung, „dass wir als Menschheit umdenken müssen“. Die Menschheit hat als solche noch niemals gedacht, geschweige denn umgedacht. Dieses nebulöse „wir“ hebelt, ohne dass dies ausführlicher thematisiert würde, die vorangegangene Dreiteilung von Helden, Schurken und Opfern aus. Helden sind „wir“ zwar bestimmt nicht – aber dass die Schurken, die es tun, zugleich auch die Opfer sein könnten, die es ausbaden müssen, diese Einsicht immerhin dämmert dem Autor.
Rich merkt an, dass Republikaner aus Florida, das sich nur wenige Meter über den Meeresspiegel erhebt, genauer zuhören, wenn vom Klimawandel und dem Anstieg der Ozeane die Rede ist, als ihre Parteifreunde aus den Rocky Mountains. Hier liegt die Chance.
Nathaniel Rich: Losing Earth. Aus dem Englischen von Willi Winkler. Rowohlt Berlin Verlag, Hamburg 2019. 237 Seiten, 22 Euro.
Die Menschheit hat als solche
noch niemals gedacht,
geschweige denn umgedacht
Der Klimawandel verläuft eher schleichend, die äußeren Zeichen dafür sind aber seit langem zu sehen. Wie dieser Wirbelsturm in Florida, 2005.
Foto: action press
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[Rich's] gripping, depressing, revelatory book makes it clear that not only is climate change a tragedy,
but that it is also a crime - a thing that bad people knowingly made worse, for their personal gain.
John Lanchester New York Times
but that it is also a crime - a thing that bad people knowingly made worse, for their personal gain.
John Lanchester New York Times