König Ludwig III. bestieg im Jahr 1913 den bayerischen Thron. Bereits vor seinem Regierungsantritt hatte sich der unkonventionelle Wittelsbacher politisch einen Namen als überzeugter Föderalist und Förderer von Wirtschaft und Wissenschaft gemacht. Daneben betrieb er jahrzehntelang ein landwirtschaftliches Mustergut, was ihm den liebevoll-spöttischen SpitzNamen "Millibauer" einbrachte. Die Regierungszeit dieses volkstümlichen Königs wurde jedoch vom Ersten Weltkrieg überschattet. Am Ende des verheerenden Konflikts stürzte die Monarchie in der Novemberrevolution des Jahres 1918. Ludwigs wechselvolle Lebensgeschichte wirft Fragen auf: War der Zusammenbruch des Königreichs in seiner Person und seiner politischen Agenda begründet? Bestanden Chancen zur Rettung und Erneuerung der Monarchie?
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.11.2014NEUE TASCHENBÜCHER
Der König aus
dem Kuhstall
Ludwig III. gab sich Mühe, ein guter Landesvater zu sein. „Unzählige Male“, schreibt der Historiker Stefan März in seiner lesenswerten Ludwigs-Biografie, habe Bayerns letzter König seine Truppen an den Fronten des Ersten Weltkriegs besucht – noch öfter jedenfalls als die späteren deutschen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg und Ursula von der Leyen zusammengezählt ihre Soldaten in Afghanistan. Dennoch ist Ludwig einer der blassesten in der Regentschaft der Wittelsbacher geblieben. Das liegt nicht nur an der kurzen Zeit, kümmerliche fünf Jahre, die er bis zur Revolution 1918 regierte. Ihm standen auch nicht die Macht- und Geldmittel zur Verfügung, mit denen sich seine Ahnen im Jahrhundert davor Denkmäler bauten. Die Medienfachleute Ludwigs III. fütterten das Volk mit Glamour-Geschichten, und leutselig war er auch. Aber er blieb der „Millibauer“. So nannten sie ihn, weil er sein Interesse für die Landwirtschaft intensiv auslebte. Er ließ sich sogar stolz mit seinen Kühen ablichten. Die Monarchie war erodiert, das Königtum hatte sich überlebt und Ludwig III. war ein zu gewöhnlicher Mann, um es zu reanimieren. RUDOLF NEUMAIER
Stefan März: Ludwig III. Bayerns letzter König. Pustet Verlag, Regensburg 2014. 151 Seiten,
12,95 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Der König aus
dem Kuhstall
Ludwig III. gab sich Mühe, ein guter Landesvater zu sein. „Unzählige Male“, schreibt der Historiker Stefan März in seiner lesenswerten Ludwigs-Biografie, habe Bayerns letzter König seine Truppen an den Fronten des Ersten Weltkriegs besucht – noch öfter jedenfalls als die späteren deutschen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg und Ursula von der Leyen zusammengezählt ihre Soldaten in Afghanistan. Dennoch ist Ludwig einer der blassesten in der Regentschaft der Wittelsbacher geblieben. Das liegt nicht nur an der kurzen Zeit, kümmerliche fünf Jahre, die er bis zur Revolution 1918 regierte. Ihm standen auch nicht die Macht- und Geldmittel zur Verfügung, mit denen sich seine Ahnen im Jahrhundert davor Denkmäler bauten. Die Medienfachleute Ludwigs III. fütterten das Volk mit Glamour-Geschichten, und leutselig war er auch. Aber er blieb der „Millibauer“. So nannten sie ihn, weil er sein Interesse für die Landwirtschaft intensiv auslebte. Er ließ sich sogar stolz mit seinen Kühen ablichten. Die Monarchie war erodiert, das Königtum hatte sich überlebt und Ludwig III. war ein zu gewöhnlicher Mann, um es zu reanimieren. RUDOLF NEUMAIER
Stefan März: Ludwig III. Bayerns letzter König. Pustet Verlag, Regensburg 2014. 151 Seiten,
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.11.2014Ludwig der Energielose
Bayerns letzter König lehnte den Verständigungsfrieden ab
Die Älteren erinnern sich genau - an das Amtsgericht-Fernseherlebnis und Gustl Bayrhammers Stimme: "Es war eine liebe Zeit, die gute, alte Zeit vor anno 14. In Bayern gleich gar. Damals hat noch Seine Königliche Hoheit der Herr Prinzregent regiert, ein kunstsinniger Monarch, denn der König war schwermütig. Das Bier war noch dunkel, die Menschen war'n typisch, die Burschen schneidig, die Dirndl sittsam und die Honoratioren ein bisserl vornehm." Jener Luitpold - durch Weißbier-Reklame weiterhin präsent - herrschte 26 Jahre. Nach seinem Tod wurde der fast 68 Jahre alte Sohn Ludwig Ende 1912 als Regent proklamiert, nachdem zuvor in einem neuen Gutachten über König Otto von Bayern festgestellt worden war, dass dessen "schweres Leiden" weiter bestehe. Durch eine Verfassungsänderung konnte Ludwig bald die Regentschaft beenden und am 8. November 1913 den Thron besteigen, obwohl der kranke Cousin Otto erst im Oktober 1916 versterben sollte.
König Ludwig III. konnte "auf ein symbolisch verdichtetes Nationalbewusstsein seiner 6,9 Millionen Einwohner vertrauen". Die Monarchie galt als Symbol für Kontinuität und Verlässlichkeit, der König "personifizierte die abstrakte Einheit des Staates, stellte lebendige Geschichte dar und erfüllte die Funktion eines Bewahrers der heimatlichen, landschaftlichen und staatlichen Überlieferung", schreibt Stefan März in seinem einleuchtend gegliederten und zitatenreichen Kurzporträt. Der pragmatische Monarch habe versucht, "den Nimbus der Königswürde wiederherzustellen", insbesondere durch persönliches Erscheinen auf Feiern und die Verleihung von Orden an die Eliten. Ein gut ausgebautes Eisenbahnnetz erlaubte es ihm, sich der Öffentlichkeit in ganz Bayern zu zeigen, ebenso wie vielleicht auch der vom Verkehrsminister "erlassene Eisenbahnerrevers, der das Streikrecht für Staatsarbeiter verhinderte" - was heutzutage aufhorchen lässt!
Im Juli 1914 setzte der französische Ministerresident in München Hoffnungen darauf, dass sich Ludwig nicht von Kaiser Wilhelm II. in einen Krieg hineinziehen lasse. Ein solcher Sonderweg war jedoch undenkbar. In den ersten Kriegsmonaten kämpfte das bayerische Feldheer unter einem bayerischen Feldherrn mit eigenem Generalstab noch geschlossen, aber dies endete "zum Unmut Ludwigs III." Anfang 1915, als die bayerischen Bataillone auf die Kriegsschauplätze der West- und Ostfront verteilt wurden. Immerhin hatte in der "Schlacht von Lothringen" Kronprinz Ruprecht - Ludwigs ältester Sohn - mit 300 000 Bayern am 20. August 1914 zwei französische Armeen "nahezu vernichtet" und war zum "bayerischen Nationalhelden" aufgestiegen.
Ruprecht war sicherlich der militärisch und politisch versierteste Wittelsbacher, wenn auch andere Familienmitglieder Kriegsdienst leisteten. Der König machte Frontbesuche und schaltete sich recht früh in die Kriegsziel-Diskussion ein: Das gesamte Elsass sollte wegen der Salzvorkommen und Erdölquellen Bayern zugeschlagen werden. Zudem müsse "Belgien verschwinden und die Rheinmündung deutsch werden", meinte er intern kurz nach Kriegsbeginn. Und am 6. Juni 1915 posaunte er seine Pläne bei der Generalversammlung des Bayerischen Kanalvereins heraus: Er freue sich, "mit unseren Feinden Abrechnung halten zu können"; Deutschland werde endlich "einen direkten Ausgang vom Rhein zum Meer bekommen". Seine Majestät bekam stürmischen Beifall, allerdings intervenierte die Berliner Reichsleitung. Ludwigs Fürther Rede wurde nur gekürzt veröffentlicht, schließlich eine Erörterung der Aussagen untersagt: "Die Folge der ,Kanalrede' war eine weitere Verschärfung der Kriegszieldebatte. Bei den Anhängern eines Verständigungsfriedens, vor allem in der Arbeiterschaft, verspielte Ludwig viel Ansehen."
Ludwigs Forderungskatalog variierte je nach Kriegslage und außenpolitischen Rahmenbedingungen. Noch 1918 meinte er zu einem seiner Brüder, "dass nach Abschluss aller Kämpfe nicht nur Preußen, sondern auch Bayern einen Gebietszuwachs erhalten" müsse. Wie sehr sich Ludwig III. von der Realität entfernte, zeigte seine pompöse fünftägige Feier aus Anlass seiner goldenen Hochzeit im Februar 1918. Sein Sohn Ruprecht und andere aus dem königlichen Umfeld bemühten sich während des Krieges vergeblich darum, den selbstgefälligen Ludwig zu einer stärkeren Einmischung in die Reichsangelegenheiten zu drängen. Daher war es nur konsequent, dass im November 1918 der einst "volksnahe Monarch" schließlich "vom Volk gestürzt" wurde. Vor den Untertanen in München nach Schloss Anif bei Salzburg geflohen, vollzog er nicht die längst überfällige Abdankung, sondern entband die bayerischen Beamten und Soldaten lediglich vom Treueid. Zwei Jahre später starb er während einer Ungarn-Reise in Sávár. Beigesetzt wurde Bayerns letzter König Anfang November 1921 in der Münchner Frauenkirche.
RAINER BLASIUS
Stefan März: Ludwig III. Bayerns letzter König. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2014. 152 S., 12,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Bayerns letzter König lehnte den Verständigungsfrieden ab
Die Älteren erinnern sich genau - an das Amtsgericht-Fernseherlebnis und Gustl Bayrhammers Stimme: "Es war eine liebe Zeit, die gute, alte Zeit vor anno 14. In Bayern gleich gar. Damals hat noch Seine Königliche Hoheit der Herr Prinzregent regiert, ein kunstsinniger Monarch, denn der König war schwermütig. Das Bier war noch dunkel, die Menschen war'n typisch, die Burschen schneidig, die Dirndl sittsam und die Honoratioren ein bisserl vornehm." Jener Luitpold - durch Weißbier-Reklame weiterhin präsent - herrschte 26 Jahre. Nach seinem Tod wurde der fast 68 Jahre alte Sohn Ludwig Ende 1912 als Regent proklamiert, nachdem zuvor in einem neuen Gutachten über König Otto von Bayern festgestellt worden war, dass dessen "schweres Leiden" weiter bestehe. Durch eine Verfassungsänderung konnte Ludwig bald die Regentschaft beenden und am 8. November 1913 den Thron besteigen, obwohl der kranke Cousin Otto erst im Oktober 1916 versterben sollte.
König Ludwig III. konnte "auf ein symbolisch verdichtetes Nationalbewusstsein seiner 6,9 Millionen Einwohner vertrauen". Die Monarchie galt als Symbol für Kontinuität und Verlässlichkeit, der König "personifizierte die abstrakte Einheit des Staates, stellte lebendige Geschichte dar und erfüllte die Funktion eines Bewahrers der heimatlichen, landschaftlichen und staatlichen Überlieferung", schreibt Stefan März in seinem einleuchtend gegliederten und zitatenreichen Kurzporträt. Der pragmatische Monarch habe versucht, "den Nimbus der Königswürde wiederherzustellen", insbesondere durch persönliches Erscheinen auf Feiern und die Verleihung von Orden an die Eliten. Ein gut ausgebautes Eisenbahnnetz erlaubte es ihm, sich der Öffentlichkeit in ganz Bayern zu zeigen, ebenso wie vielleicht auch der vom Verkehrsminister "erlassene Eisenbahnerrevers, der das Streikrecht für Staatsarbeiter verhinderte" - was heutzutage aufhorchen lässt!
Im Juli 1914 setzte der französische Ministerresident in München Hoffnungen darauf, dass sich Ludwig nicht von Kaiser Wilhelm II. in einen Krieg hineinziehen lasse. Ein solcher Sonderweg war jedoch undenkbar. In den ersten Kriegsmonaten kämpfte das bayerische Feldheer unter einem bayerischen Feldherrn mit eigenem Generalstab noch geschlossen, aber dies endete "zum Unmut Ludwigs III." Anfang 1915, als die bayerischen Bataillone auf die Kriegsschauplätze der West- und Ostfront verteilt wurden. Immerhin hatte in der "Schlacht von Lothringen" Kronprinz Ruprecht - Ludwigs ältester Sohn - mit 300 000 Bayern am 20. August 1914 zwei französische Armeen "nahezu vernichtet" und war zum "bayerischen Nationalhelden" aufgestiegen.
Ruprecht war sicherlich der militärisch und politisch versierteste Wittelsbacher, wenn auch andere Familienmitglieder Kriegsdienst leisteten. Der König machte Frontbesuche und schaltete sich recht früh in die Kriegsziel-Diskussion ein: Das gesamte Elsass sollte wegen der Salzvorkommen und Erdölquellen Bayern zugeschlagen werden. Zudem müsse "Belgien verschwinden und die Rheinmündung deutsch werden", meinte er intern kurz nach Kriegsbeginn. Und am 6. Juni 1915 posaunte er seine Pläne bei der Generalversammlung des Bayerischen Kanalvereins heraus: Er freue sich, "mit unseren Feinden Abrechnung halten zu können"; Deutschland werde endlich "einen direkten Ausgang vom Rhein zum Meer bekommen". Seine Majestät bekam stürmischen Beifall, allerdings intervenierte die Berliner Reichsleitung. Ludwigs Fürther Rede wurde nur gekürzt veröffentlicht, schließlich eine Erörterung der Aussagen untersagt: "Die Folge der ,Kanalrede' war eine weitere Verschärfung der Kriegszieldebatte. Bei den Anhängern eines Verständigungsfriedens, vor allem in der Arbeiterschaft, verspielte Ludwig viel Ansehen."
Ludwigs Forderungskatalog variierte je nach Kriegslage und außenpolitischen Rahmenbedingungen. Noch 1918 meinte er zu einem seiner Brüder, "dass nach Abschluss aller Kämpfe nicht nur Preußen, sondern auch Bayern einen Gebietszuwachs erhalten" müsse. Wie sehr sich Ludwig III. von der Realität entfernte, zeigte seine pompöse fünftägige Feier aus Anlass seiner goldenen Hochzeit im Februar 1918. Sein Sohn Ruprecht und andere aus dem königlichen Umfeld bemühten sich während des Krieges vergeblich darum, den selbstgefälligen Ludwig zu einer stärkeren Einmischung in die Reichsangelegenheiten zu drängen. Daher war es nur konsequent, dass im November 1918 der einst "volksnahe Monarch" schließlich "vom Volk gestürzt" wurde. Vor den Untertanen in München nach Schloss Anif bei Salzburg geflohen, vollzog er nicht die längst überfällige Abdankung, sondern entband die bayerischen Beamten und Soldaten lediglich vom Treueid. Zwei Jahre später starb er während einer Ungarn-Reise in Sávár. Beigesetzt wurde Bayerns letzter König Anfang November 1921 in der Münchner Frauenkirche.
RAINER BLASIUS
Stefan März: Ludwig III. Bayerns letzter König. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2014. 152 S., 12,95 [Euro].
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