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In zahllosen Gemeinden sind Straßen und Gebäude nach Ludwig Thoma (1867–1921) benannt – allein damit stellt sich die Frage, was an ihm zu schätzen bleibt. In seinem Leben vereinten sich Extreme: "Bürgerschreck" nannte ihn Kurt Tucholsky, zum "Bayerndichter" avancierte er schon 1917 an seinem 50. Geburtstag. Die Forschung verfolgt diese Tendenzen in Werk und Biografie seit Langem. Die Beiträge dieses Bandes sind u. a. Thomas Zeitgenossen Oskar Maria Graf und Peter Scher, der Rezeption von Werk und Leben in Frankreich sowie seiner Beziehung zu Dialekt und Geschichte gewidmet; geprüft wird dabei Thomas literarisches und politisches Nachleben bis heute.…mehr

Produktbeschreibung
In zahllosen Gemeinden sind Straßen und Gebäude nach Ludwig Thoma (1867–1921) benannt – allein damit stellt sich die Frage, was an ihm zu schätzen bleibt. In seinem Leben vereinten sich Extreme: "Bürgerschreck" nannte ihn Kurt Tucholsky, zum "Bayerndichter" avancierte er schon 1917 an seinem 50. Geburtstag. Die Forschung verfolgt diese Tendenzen in Werk und Biografie seit Langem. Die Beiträge dieses Bandes sind u. a. Thomas Zeitgenossen Oskar Maria Graf und Peter Scher, der Rezeption von Werk und Leben in Frankreich sowie seiner Beziehung zu Dialekt und Geschichte gewidmet; geprüft wird dabei Thomas literarisches und politisches Nachleben bis heute.
Autorenporträt
Wilhelm Liebhart, Prof. Dr., lehrte Geschichte, Politik und Literatur an der TH Augsburg und leitet das Klostermuseum Altomünster. Zahlreiche Publikationen zur bayerischen Landes- und Kirchengeschichte. Gertrud Maria Rösch, Prof. Dr., ist an der Universität Heidelberg tätig. Zahlreiche Publikationen über Karikatur und Satire, über Verschlüsselung sowie über deutschsprachige Gegenwartsliteratur. Klaus Wolf, Prof. Dr., lehrt Bayerische Literaturgeschichte an der Universität Augsburg. Er ist Mitherausgeber eines Bandes zu Ludwig Thomas 100. Todestag (2021)
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.06.2024

Die vielen Gesichter des Ludwig Thoma
An ihm scheiden sich die Geiste: Ein neuer Sammelband vereint aktuelle Forschungen über den Schriftsteller,
der sich gern als Urbayer stilisierte und zu nationalistischen Ausfällen neigte.
München – Eine Ikone der bayerischen Literatur, aber auch ein Autor voller Ambivalenzen und zu seinem Lebensende hin bedrückend antisemitisch. An der Einordnung von Ludwig Thoma scheiden sich die Geister, vor allem seit der Landeshistoriker Wilhelm Volkert 1989 eine kommentierte Edition von Thomas Hetzartikeln aus den Jahren 1920/21 vorgelegt hat. Angeregt hatte diese Publikation der Regensburger Germanist Bernhard Gajek, eine der Koryphäen der quellenkritischen Thoma-Forschung, aber auch Mentor und Förderer vieler Literaturwissenschaftler, die sich mit dem bayerischen Dichter beschäftigen. Anlässlich von Gajeks 95. Geburtstag haben nun drei dieser Forscher, nämlich Gertrud Maria Rösch, Wilhelm Liebhart und Klaus Wolf, eine lesenswerte Festschrift herausgegeben, deren Beiträge ganz verschiedenen Aspekten in Leben und Werk Thomas nachspüren.
Wilhelm Liebhart untersucht beispielsweise Thomas „Affinität zur Geschichte“, speziell zur Ära von König Max II. von 1848 bis 1864, für Thoma eine „schöne“ und „ruhige Zeit“. Er schrieb, gestützt auf eine Studie des Theologen, Journalisten und Volkskundlers Wilhelm Heinrich Riehl, sogar einen ausführlichen Essay über den Regenten, der allerdings erst posthum 1933 veröffentlicht wurde. Nostalgisch, idealisierend, einseitig, wie Liebharts Darstellung belegt.
Nicole Durot analysiert die Thoma-Rezeption in Frankreich, einem Land, zu dem Thoma ein ambivalentes Verhältnis gehabt habe. Dem „Simplicissimus“- Verleger Albert Langen riet er, als dieser im Pariser Exil lebte, jedenfalls im Jahr 1900 von einer französischen Ausgabe des Magazins ab. Als er Langen dort besuchte, gefiel ihm Paris freilich gut. Später unternahm er mit dem Zeichner und Karikaturisten Eduard Thöny sogar eine Radtour über Südfrankreich nach Tunesien (1904). Als Sanitätsmann kehrte er im Ersten Weltkrieg noch einmal in das Land zurück. In Frankreich selbst ist er in etlichen Literaturgeschichten vertreten. Doch rufe sein Name heute außerhalb von Germanisten-Kreisen nur geringes Echo hervor, schreibt Durot. Am bekanntesten wurden seine „Lausbubengeschichten“, die 1946 als „deutsche Ausgabe für Ausländer“ erschienen waren.
Wie Thoma den Dialekt einsetzt, untersucht Klaus Wolf. Schließlich benutzt der Schriftsteller die Mundart in vielen Schattierungen, gern auch für Satire und Persiflage, man denke nur an seine berühmten Filser-Briefe. Anna-Maria Diller hingegen beschäftigt sich mit Jubiläumsgedichten als einem Teil von Thomas Lyrik. Aus privaten Beweggründen schrieb er kaum Lyrik. Seine letzte Lebensgefährtin Maidi Liebermann erhielt mehr als 800 Briefe von ihm, aber nur vier Gedichte, vermutlich auch weil sie sentimentale Ergüsse ablehnte.
Michael Pilz und Waldemar Fromm befassen sich mit dem ambivalenten Verhältnis, das manche Zeitgenossen zu Thoma pflegten. Der Lyriker Peter Scher beispielsweise, von 1914 bis 1929 Redakteur beim Simplicissimus, unterstützte, wie Pilz nachweist einerseits die Kanonisierung des klassischen Bayerndichters, kritisierte aber auch die relative Begrenztheit von dessen Satire.
Auch Oskar Maria Grafs Verhältnis zu Thoma war nur anfangs ungetrübt, stellt Waldemar Fromm klar. 27 Jahre jünger als Thoma und damit eine Generation später, schätzt Graf anfangs dessen widerständigen Kampfgeist, stilisiert ihn zu einer Art Bauer im Rousseauschen Naturzustand, der den Ton der Heimat transportiert. Thomas Aggression interpretiert er als bayerische Art und soziales Handeln – „die ganze Unnatur um ihn herum zwang ihn dazu“, schreibt er 1927 in der Zeitschrift der Münchener Volksbühne. Sogar 1944 im Exil verteidigte er ihn noch vor amerikanischen Deutschprofessoren, relativierte dessen nationalistische Ausfälle, gab sich überzeugt, Thoma hätte aus der „verwirrten Phase“ herausgefunden, wenn er länger gelebt hätte.
Erst 1966 rückt er in „Gelächter von außen“ von ihm ab. Thomas Natürlichkeit empfindet er nun als Einfältigkeit. Und das Wesen des bayerischen Menschen hält Graf sogar für völlig falsch dargestellt.
SABINE REITHMAIER
Ludwig Thoma. Bürgerschreck und Bayerndichter,Wilhelm Liebhart / Gertrud Maria Rösch / Klaus Wolf (Hg.), Verlag Friedrich Pustet, 25 Euro
Auch Oskar Maria Grafs
Verhältnis zu Thoma war
nur anfangs ungetrübt
Umstritten wie verehrt: Ludwig Thoma spielte selbst gern mit dem Urbayer-Klischee.
Foto: dpa
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